Vom Öltanker zur schwimmenden Kläranlage
Um der zunehmenden Wasserknappheit und dem Wettbewerb um Süßwasser wirkungsvoll zu begegnen, hat das norwegische Technologie-Start-up EnviroNor drei spannende Lösungen entwickelt.
Wenn ungeklärte Abwässer, wie häufig in Entwicklungsländern, in Flüsse, Seen und Küstengewässer gelangen, haben sie einen großen Einfluss auf die Ökosysteme und die dort lebenden Menschen. Gleichzeitig führt die wachsende Weltbevölkerung zu größerer Wasserknappheit und einem immer härteren Wettbewerb um Süßwasser.
„Wir müssen neu und anders denken, wenn wir die globalen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung und der Verschmutzung durch das Einleiten von unbehandelten Abwässern lösen wollen“, forderte der kürzlich überraschend verstorbene EnviroNor-CEO Sigmund Larsen und trat mit einer innovativen Frage an die Klassifikationsgesellschaft DNV GL heran: „Könnten alte Öltanker in schwimmende Abwasserbehandlungsanlagen umgebaut werden?“ Er rief dazu ein Projekt ins Leben und entwickelte zusammen mit seinem Sohn und Nachfolger Sigmund Larsen drei mögliche schwimmende Lösungen: „The Changemaker“, „The Reliever“ und „The Water Factory“.
Der Changemaker ist ein Schiff, das Abwasser, das über Rohrleitungen vom Ufer an Bord kommt, in sauberes Wasser umwandelt, um es gefahrlos für Bewässerungs- und Industriezwecke verwenden zu können. „Das Schiff wäre in der Lage, rund 2100 Kubikmeter Abwasser pro Stunde aufzubereiten und könnte auch große Mengen an Biofeststoffen, also Düngemitteln, liefern“, so Sigmund Larsen. Durch die Kombination bereits bekannter Technologien auf eine neue Art und Weise kann die schwimmende Anlage individuell auf verschiedene Standorte mit ihrem spezifischem Wasserbedarf zugeschnitten werden.
„Der Umbau beispielsweise vor allem von alten Tankern in eine Abwasserbehandlungsanlage kann den Lebenszyklus solcher Schiffe um 20 Jahre verlängern“, nennt Larsen einen weiteren Vorteil. Mittlerweile ist auch die Naturschutzorganisation WWF auf die Idee aufmerksam geworden: „Wenn wir so Wasser für die Bewässerung und die Industrie aufbereiten können, entlastet das die Trinkwasserressourcen“, äußert sich eine WWF-Sprecherin. „Die Wiederverwendung von Wasser im großen Maßstab ist für eine nachhaltige Zukunft unerlässlich. Auch eine Lösung, bei der ausrangierte Schiffe neu genutzt werden, ist ökologisch sinnvoll.“ Das Rote Kreuz in Norwegen unterstützt das Projekt mittlerweile ebenfalls.
Larsens zweite Idee, der Reliever, hat sehr ähnliche Aufgaben wie der Changemaker und ersetzt temporär die landseitigen Kläranlagen, wenn diese nachgerüstet oder repariert werden müssen.
Ein weiterer Vorteil der beiden schwimmenden Offshore-Abwasseraufbereitungsanlagen ist laut Larsen, dass ihr Energiebedarf zumindest teilweise durch die eigenen Prozesse an Bord gedeckt werden kann, beispielsweise durch Biogas.
Bei der Water Factory schließlich handelt es sich um eine Anlage, die leicht verschmutztes Flusswasser so aufbereitet, dass es trinkbar wird. Die Larsens haben sie für den Einsatz an dicht besiedelten Orten konzipiert – nicht nur vor der Küste, sondern auch stadtnah auf dem Fluss. Hier wäre der Einsatz von alten Bargen denkbar. „Dabei handelt sich um eine kostengünstige und mobile Lösung, mit der akute Bedürfnisse viel schneller erfüllt werden können als mit dem Bau von Anlagen an Land“, betont Larsen.
„Die Offshore-Abwasserbehandlung ist sowohl möglich als auch rentabel“, so der CEO weiter. „Sie kann in den meisten Küstengebieten der Welt eingesetzt werden und ist ein spannender potenzieller Markt, der zur Lösung eines dringenden Nachhaltigkeitsproblems beitragen kann.“ bo