Wasserrettung per Hubschrauber trainiert

Die Erinnerung an den letzten Ernstfall ist bei Burkhard Piper noch ganz frisch: Am Ostermontag steuerte er den Rettungshubschrauber Christoph 47 über den Greifswalder Bodden, auf der Suche nach einem vermissten 18-jährigen Ausflügler. Das einzige, was der Rettungspilot vom Helikopter aus in den Wellen vom Vermissten sah, war eine Jacke und das kieloben treibende Boot. Hätte er eine Rettungsweste getragen, wäre er mit Sicherheit noch am Leben, ist sich der 53-Jährige sicher. Meist sei Fahrlässigkeit der Grund, warum Menschen in Seenot geraten. Sie überschätzen ihre Kräfte oder unterschätzen Strömung und Wind, sagt Piper, der seit 1992 als Pilot der Deutschen Rettungsflugwacht (DRF) unzählige Einsätze im Osten Mecklenburg-Vorpommerns geflogen ist. Dem Verunglückten räumt Piper keine Chance mehr ein. Wir hoffen, dass in den nächsten Wochen die Leiche gefunden wird, damit die Angehörigen zur Ruhe kommen können. Acht Tage später ist Piper wieder in dem Suchgebiet unterwegs. Dieses Mal ruft kein Einsatz, sondern eine Übung. Pilot Piper hat die Hubschrauberkanzel mit einem Platz im Rettungsboot der Berufsfeuerwehr Greifswald und damit auch die Perspektive getauscht. Intensiv beobachtet er, wie seine Kollegen von der DRF und der Feuerwehr das Aussetzen von Rettungsschwimmer und Rettungsinsel aus dem Hubschrauber trainieren. Bis Donnerstag üben die Retter das immer gleiche Manöver in wechselnder Besetzung. Feuerwehrmann Jens Tessendorf mimt am Dienstag den Verunglückten im acht Grad kalten Wasser. Ein Spezial-Neoprenanzug mit Titaneinlage schützt ihn vor der Kälte. Rund 30 Minuten sei ein Verunglückter bei solchen Temperaturen ohne Schutzanzug handlungsfähig, dann werde es kritisch. Jede Minute zählt, berichtet Piper. Zum Kap Arkona bräuchte der am Greifswalder Uni-Klinikum stationierte Hubschrauber 17 Minuten, im südlichen Teil Rügens und an der Usedomer Ostseeküste ist er in zehn Minuten. Häufig sind wir schneller als ein Seenotkreuzer, erklärt Piper. Christoph 47 ist der einzige Rettungshubschrauber im Nordosten, der jeden Tag des Jahres auch für Rettungseinsätze vor der Ostseeküste bereitsteht. Die Seaking, ein in Kiel stationierter Marinehubschrauber, decke den Westen Mecklenburg-Vorpommerns ab, sei aber auch zugleich für die Nordseeküste verantwortlich, wie Piper erklärt. Wie wichtig eine funktionierende Wasserrettung vor der Küste ist, beweisen auch die Zahlen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): Allein im vergangenen Jahr rückte die DGzRS zu 350 Einsätzen in der Ostsee aus. 21 mal seien Menschen aus Seenot gerettet worden, wie Sprecher Andreas Lubkowitz in Bremen berichtet. Nicht einmal fünf Minuten nach der Alarmierung schwenkt der Hubschrauber über dem Bodden ein, verringert die Geschwindigkeit und kreist neben dem Verunglückten. Laut arbeiten die Rotoren in der Standschwebe, Wassernebel stiebt auf. Der als Rettungsschwimmer ausgebildete Feuerwehrmann Christian Genuttis wirft aus dem Hubschrauber aus fünf Metern Höhe die Rettungsinsel ab und springt hinterher. Dann geht alles ganz schnell: Der Hubschrauber dreht ab, Genuttis entfaltet mit einem Zug an der Reißleine die Rettungsinsel und bugsiert seinen Kollegen hinein. Geschafft. Die Einsätze allein reichen als Training nicht aus, berichtet später Feuerwehrschichtleiter Ralf Michaelis. Weil Feuerwehrleute, Rettungsassistenten, Notärzte und Piloten in Schichten arbeiten, ist nicht jeder für Wasserrettungseinsätze trainierte Helfer regelmäßig mit den Standardsituationen konfrontiert. Seit 2001 arbeiten Deutsche Rettungsflugwacht, Feuerwehr und Uni-Klinikum in diesem deutschlandweit einmaligen Modell zusammen. Allein 47 Wasserrettungseinsätze wurden seitdem geflogen, fünf Menschen - Surfer, Angler, Bootsführer - wurden gerettet, einer wurde tot geborgen. Es mag auf den ersten Blick wenig erscheinen, doch es sind fünf Leben, sagt Michaelis. Im Mai trainiert die DRF das Landen von Christoph 47 auf dem in Sassnitz stationierten DGzRS-Seenotkreuzer Wilhelm Kaisen.

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