Vor 75 Jahren: Das Drama um die „Blücher“

Der Schwere Kreuzer „Blücher“ wurde 1937 bis 1939 bei den Deutschen Werken Kiel AG erbaut, Foto: Bundesarchiv
Die „Blücher“ war ihr Schicksal: Vor 74 Jahren betraten Hunderte junger Matrosen das damals modernste deutsche Kriegsschiff. Bereits ein Jahr später, nach seinem ersten Einsatz im Zweiten Weltkrieg, sank der Schwere Kreuzer auf den Grund des Oslofjords, getroffen von norwegischen Granaten und Torpedos.
Viele der 1400 Besatzungsmitglieder und 800 eingeschifften Heeressoldaten schwammen im eiskalten Wasser um ihr Leben und retteten sich mit letzter Kraft ans Ufer. Bei dem Drama um den Untergang der „Blücher“ heute vor genau 75 Jahren – am 9. April 1940 – gab es innerhalb von 50 Minuten fast 1000 Tote, erinnerte sich später der überlebende Maschinengefreite Alexander Dietzsch aus Emden an das blutige Gefecht. „Wir krochen über Leichen an Deck – solche Anblicke vergisst man nie.“ Danach rutschte er die Bordwand des gekenterten Schiffes hinab. „Das eiskalte Wasser traf mich wie ein Schlag.“
Ranghöchster „Blücher“-Überlebender war nach dem mysteriösen Tod des Kommandanten Heinrich Woldag der damals 41-jährige 1. Offizier Erich Heymann. Er wurde am 1. Juli 1940 zum Kapitän zur See befördert. Sein Enkel Frank Binder ist Autor des erstmals am 9. April 1990 zum 50. Jahrestag des Untergangs erschienen Buches „Schwerer Kreuzer Blücher“ und seit 2006 Chefredakteur der deutschen Schiffahrts-Zeitung THB Täglicher Hafenbericht.
Der Mythos „Blücher“ beschäftigte außer Dietzsch auch andere Überlebende der Besatzung, Historiker und viele Norweger: Für sie war die Versenkung des deutschen Kriegsschiffes eines der wichtigsten Ereignisse der neueren Geschichte. Die Schüsse der Festung Oscarsborg stoppten den Überfall Hitlers auf das neutrale Norwegen zwar nur für wenige Stunden. Doch das reichte für die Flucht des Königs Håkon VII. und der Regierung ins Exil nach England. Zugleich war diese erste Aktion gegen die Invasion ein Signal für den späteren Widerstand gegen die nationalsozialistischen Besatzer.
Ironie des Schicksals: Die Norweger schossen von der 1836 erbauten Festung auf der Insel Håøya im Oslofjord mit 47 Jahre alten Geschützen der deutschen Firma Krupp auf das in Kiel gebaute 206 Meter lange und 21,3 Meter breite Schiff. Auch die Torpedos waren antiquiert. Den folgenschweren Befehl zum Feuern gab ein einsamer norwegischer Offizier – der damals 65-jährige Oberst Birger Kristian Eriksen. Er war aus Oscarsborg von seinen Vorgesetzten abgeschnitten und handelte auf eigene Faust.
Minuziös dokumentierte Dietzsch jahrzehntelang alle Details der Tragödie. Bis heute gibt es offene Fragen. Warum wurde das Schiff durch diese Enge mit der schwer bewaffneten Festung geschickt? Es wird vermutet, dass die Deutschen den Überraschungsmoment nutzen und möglichst schnell die norwegische Hauptstadt besetzen wollten. So waren etwa Militärmusiker an Bord, ebenso Bahn- und Post-Fachleute sowie Gestapo-Beamte. Seine Dokumentation über den Untergang übergab Dietzsch vor sechs Jahren dem Ostfriesischen Landesmuseum in Emden (THB 14. April 2009).
„Blücher“ als E-Book
75 Jahre nach der Versenkung ist die spannende Geschichte der „Blücher“ auch als E-Book erschienen, das der Hamburger Koehler/Mittler Verlag auf den Markt gebracht hat. Damit erfährt der Titel von Binder und Mitautor Hannes Schlünz aus Wedel bereits seine sechste Auflage. Der im Jahr 2000 verstorbene Schlünz war damals als Zeitzeuge dabei.
Das Werk ist eine Mischung aus Reportage und Dokumentation, die das Schicksal des Schweren Kreuzers von der Kiellegung über die Vorgänger, den Namensgeber, das Ende im Oslofjord bis hin zur „Operation Blücher“ im Jahr 1994 erzählt. Auf 321 Seiten mit über 60 Abbildungen, darunter Unterwasser-Aufnahmen von dem kieloben liegenden Wrack in rund 90 Metern Tiefe, kommen auch viele Beteiligte und Überlebende der Katastrophe zu Wort.
Das E-Book kostet 13,99 Euro und wird in allen gängigen Onlineshops angeboten. FBi/pk