Traditionswerft Sietas meldet Insolvenz an

Weiterer Schlag für die maritime Wirtschaft in Deutschland: Die Hamburger Traditionswerft Sietas ist zahlungsunfähig. Die Geschäftsführung stellte am Donnerstag einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung beim Amtsgericht Hamburg. Das teilte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Sietas Gruppe, Rüdiger Fuchs, am Freitag in der Hansestadt mit. Zur Stammbelegschaft der 1635 gegründeten Werft zählen zurzeit rund 700 Mitarbeiter. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Hamburger Rechtsanwalt Berthold Brinkmann eingesetzt. Der Hamburger Senat und die Sietas-Führung zeigten sich zuversichtlich, dass das Unternehmen gerettet werden kann.

Ziel sei es, die fünf im Bau befindlichen Schiffe - darunter drei Fähren - fertigzustellen und so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten, sagte Fuchs. Er räumte aber ein: "Es wird sicherlich einen nicht unerheblichen Arbeitsplatzabbau geben." Auch beim Tochterunternehmen Neuenfelder Maschinenfabrik, wo derzeit 250 Mitarbeiter beschäftigt sind, werde es einen Stellenabbau geben. Die Maschinenfabrik und die ebenfalls zur Sietas Gruppe gehörende Norderwerft seien aber nicht von der Insolvenz betroffen, betonte der Unternehmenschef. Wie viele Stellen insgesamt gestrichen werden müssten, könne er derzeit noch nicht sagen.

"Es besteht ein großes Bemühen, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten", betonte auch der vorläufige Insolvenzverwalter Brinkmann. Am Wochenende will er sich zu Gesprächen mit möglichen Kreditgebern treffen, um über einen sogenannten Massenkredit für das insolvente Unternehmen zu verhandeln. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird laut Sietas nicht vor Ende Januar 2012 gerechnet.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zeigte sich optimistisch, das Unternehmen erhalten zu können. Er sehe eine "große Chance", die Traditionswerft zu retten. Das Potenzial dazu sei vorhanden. Nun müssten alle Anstrengungen unternommen werden, sich nachhaltig für die Zukunft aufzustellen. "Wir werden alle Anstrengungen aufwenden, um Sietas hier am Standort unterstützend unter die Arme zu greifen", sagte Horch. Mit dem Insolvenzantrag werde die Suche nach möglichen Investoren leichter.

Die Werft war bereits vor Jahren ins Trudeln gekommen. Erst im März 2009 hatte Firmeneigner Hinrich Sietas das Management an den früheren Airbus-Manager Fuchs und den Betriebswirt Rüdiger Wolf abgegeben. Zu lange hatte Sietas am Bau kleinerer Containerschiffe und überholten Produktionsmethoden festgehalten, was dem Unternehmen in der Finanz- und Wirtschaftskrise zum Verhängnis wurde. Der von Airbus stammende Fuchs stellte auf moderne Produktionsverfahren und Spezialbauten wie Schwergutschiffe, Fähren und Spezialschiffe für die Offshore-Windindustrie um. Insgesamt beschäftigt die Gruppe derzeit rund 1040 Mitarbeiter.

Hamburg hatte schon im Jahr 2009 mit einer Bürgschaft von 34 Millionen Euro der ins Schlingern geratenen Werft unter die Arme gegriffen. Horch sagte, er gehe nicht davon aus, dass diese Bürgschaft in voller Höhe verloren sei. Der Senator zeigte sich überzeugt, dass das Konzept der Werft, auch Spezialschiffe etwa für die Offshore-Windenergiebranche zu bauen, zukunftsfähig ist. "Wir sehen ganz klar, dass es eine Nachfrage am Markt gibt", sagte Fuchs. "Das Vertrauen der Kunden ist da."

Die IG Metall Küste forderte für den Fortbestand der Werft die gemeinsame Schlagkraft aller Beteiligten. "Insolvenzverwalter, Unternehmen und Senat müssen alles dafür tun, um die Zukunft der Werft und damit der Arbeitsplätze zu sichern", sagte der IG-Metall-Bezirksleiter Küste, Meinhard Geiken. "Sietas hat das Know-how für eine Neuausrichtung auf den Spezialschiffbau. Jetzt kommt es darauf an, dass die Banken mitziehen und das Unternehmen Zeit bekommt, weitere Aufträge einzuwerben."

Spektakuläre Pleiten großer und traditionsreicher Schiffbau-Unternehmen wie jetzt der Hamburger Sietas-Werft haben in Deutschland mehrfach die Wirtschaft erschüttert. Tausende Beschäftigte verloren bei den Firmenzusammenbrüchen ihre Arbeit.

Mai 1996: Der Bremer Vulkan geht als größter deutscher Werftenverbund in Konkurs. Der Konzern hatte umgerechnet mindestens 435 Millionen Euro Subventionen zweckentfremdet, um Finanzlöcher zu stopfen. Das Geld war ursprünglich für Tochterfirmen in Ostdeutschland bestimmt.

Der im Herbst 1995 zurückgetretene Vorstandschef Friedrich Hennemann und zwei weitere Mitarbeiter werden später wegen Untreue zu Bewährungsstrafen verurteilt. Mit dem Konkurs verlieren knapp 2000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

Februar 2004: Die Lloyd Werft Bremerhaven mit rund 500 Beschäftigten beantragt Insolvenz. Die finanziellen Probleme entstanden vor allem durch die Havarie des neuen Kreuzfahrtschiffes «Pride of America», das im Sturm an der Pier kenterte und wochenlang mit Schlagseite im Hafenbecken lag. In der Folgezeit gelingt die Sanierung des Unternehmens, 2006 steigen die italienische Staatswerft Fincantieri und eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Bremen als Gesellschafter bei Lloyd ein. 1996 hatte der Zusammenbruch des Mutterkonzerns Vulkan das Unternehmen erstmals in die Krise geführt.

September 2008: Die Kieler Traditionswerft Lindenau stellt wegen erheblicher Finanzierungsprobleme Insolvenzantrag. Die auf Doppelhüllen-Tanker spezialisierte Werft mit gut 370 Beschäftigten verfügt nach eigenen Angaben über Aufträge von zusammen 225 Millionen Euro. Zuletzt fehlten rund neun Millionen Euro, um den Bau eines Tankers zu finanzieren.

Januar 2009: Die Bremerhavener Schichau Seebeck Werft meldet Insolvenz an. Offene Verbindlichkeiten bei Lieferanten konnten trotz eines gutgefüllten Auftragsbuches nicht beglichen werden. Auf der Werft arbeiten mehr als 300 Beschäftigte. Der Zusammenbruch des Vulkan-Verbundes 1996 hatte damals auch die Pleite für die Schichau Seebeckwerft gebracht. Daraus war die SSW Fähr- und Spezialschiffbau GmbH hervorgegangen, die wiederum 2002 zahlungsunfähig war. Nach dieser Insolvenz ging das operative Geschäft dann auf die Schichau Seebeck Werft über.

Juni 2009: Für die Wadan-Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde wird trotz staatlich verbürgter Kredite in dreistelliger Millionenhöhe Insolvenz beantragt. Es scheitern zunächst alle Versuche, vorhandene Aufträge zu sichern und neue Investoren zu finden. Im August stimmt der Gläubigerausschuss dem Verkauf an den russischen Investor Igor Jussufow zu, der mit 40,5 Millionen Euro einsteigt. Die später in Nordic Yards umbenannten Werften beschäftigen derzeit 966 Mitarbeiter. Vor der Wadan-Insolvenz waren es rund 2400 Beschäftigte.

Mehr: Im "THB Täglicher Hafenbericht"

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