Taucher sprengen sich Weg frei

Die Suche nach Vermissten geht weiter, die letzten Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls aus den Schiffstanks auch: Am zehnten Tag nach der Havarie der "Costa Concordia" sprengten sich Taucher auf dem Schiff den Weg zu unzugänglichen Bereichen frei. Die Einsatzkräfte der italienischen Marine öffneten sich so zwischen dem vierten und fünften Deck einen leichteren Zugang zu den Restaurants, um weiter nach Vermissten suchen zu können, teilte die Küstenwache am Montag auf der Insel Giglio mit. Auf Hochtouren liefen an der Unglücksstelle die Arbeiten, um das Schweröl aus den Tanks des 290 Meter langen Kreuzfahrtschiffes sicher abpumpen zu können.

Das gekenterte Kreuzfahrtschiff war in der Nacht zum Sonntag erneut abgerutscht. Befürchtet wird, dass es auf der terrassenartig in die Tiefe führenden Meeresoberfläche noch weiter absinken könnte. Auf der toskanischen Insel beriet der wissenschaftliche-technische Krisenausschuss weiter, wann mit dem Abpumpen des Schweröls auf der "Costa Concordia" begonnen werden kann. Eine mögliche Entscheidung sollte am Nachmittag in Grosseto bekanntgegeben werden, berichteten italienische Medien. Ursprünglich hatten die Experten am vergangenen Wochenende damit anfangen wollen. Wegen der Suche nach Vermissten auf dem Kreuzfahrtschiff verschoben sie die Arbeiten dann noch einmal.

Um die Gefahren einer Ölpest vor der toskanischen Küste einzudämmen, ist das niederländische Spezialunternehmen Smit von den Behörden zu zusätzlichen Vorsichtsmaßnahmen aufgefordert worden, teilte Smit am Montag mit. So solle die bisher geplante schwimmende Barriere gegen auslaufendes Öl verdoppelt werden.

Zudem kam am Montag ein Öltanker mit Spezialausrüstung nahe der Havariestelle an, der im Notfall Öl mit Absauggeräten und Barrieren auffangen soll. In den Tanks des 290 Meter langen Schiffes sind etwa 2300 Tonnen Treibstoff, überwiegend Schweröl. Dieses muss erwärmt werden, bevor es abgepumpt werden kann. Es gilt als weitaus umweltschädlicher als Diesel. Die Aktion dürfte einige Wochen dauern.

An der Unglücksstelle wurde am Montag das mit Spezialinstrumenten ausgestattete ozeanographische Marineschiff "Galatea" erwartet. Es soll mit einem Echolot den Meeresgrund südlich des Wracks nach Vermissten und Trümmern aus dem havarierten Schiff absuchen.

Als Reaktion auf den Untergang der "Costa Concordia" machen die beiden Reedereien Aida und Tui Cruises die Seenotrettungsübungen ab sofort vor dem Auslaufen der Kreuzfahrtschiffe. Künftig werde kein Schiff mehr auslaufen, ohne das die Passagiere an einer solchen Übung teilgenommen haben, sagte eine AIDA-Sprecherin dem dpa-Themendienst. Auch eine Sprecherin von TUI Cruises bestätigte die neue Praxis. Laut Gesetz sind Kreuzfahrtveranstalter verpflichtet, innerhalb der ersten 24 Stunden mit den Passagieren den Ernstfall zu üben.

Am Sonntag hatten Taucher in der "Costa Concordia" eine 13. Leiche entdeckt. Unter den bereits identifizierten Opfern sind nach Angaben von Carabinieri-Kommandant Rocco Carpenteri ein Deutscher, vier Franzosen - darunter ein Ehepaar - und je ein Mann aus Italien, Spanien und Ungarn. Die Behörden gehen von noch mindestens 24 Vermissten aus.

Es wird vermutet, dass mehrere blinde Passagiere an Bord gewesen sein könnten. Zu viele Unbefugte habe es in der kritischen Zeit auf der Kommandobrücke gegeben, zitierten italienische Zeitungen am Montag aus den Verhörprotokollen der Offiziere. "Der Kapitän wurde von dem Gerede abgelenkt", soll die Offizierin Silvia Coronika den Ermittlern gesagt haben. Die Personen seien mit dem Kapitän auf die Brücke gekommen und hätten dann beim Manövrieren "gestört".

Gesucht werde von der Polizei noch ein Laptop, den der schwer beschuldigte Kommandant Francesco Schettino von Bord gebracht haben soll. Der Computer sei nicht zu finden, möglicherweise habe Schettino ihn nach der Havarie auf Giglio an eine blonde Frau weitergegeben, berichtete der Mailänder "Corriere della Sera". Offen ist, ob auf dem Computer für die Ermittlungen wichtige Daten sein könnten.

   Schettino steht weiter unter Hausarrest. Ihm werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen seines Schiffes während der Evakuierung vorgeworfen. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.

Der Kapitän hatte die Reederei Costa Crociere für sein riskantes und misslungenes Manöver verantwortlich gemacht. Sein Anwalt Bruno Leporatti sagte am Montag, die Ermittlungen seien noch im vollen Gange, sie könnten sich auch noch gegen andere richten. Die Staatsanwaltschaft hatte bisher betont, nur Schettino im Visier zu haben.

Die Vernehmungsprotokolle der Offiziere auf der Kommandobrücke zeigen Medienberichten zufolge, dass es für Schettino wie für die Reederei Costa Crociere öfter Praxis gewesen sei, die "Verbeugung" genannte Route dichter an der Insel Giglio vorbei zu wählen.

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