Streit um Ostsee-Schlick
Ein Streit zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und Naturschützern um 56 000 Kubikmeter Ostsee-Schlick im gesperrten Nothafen an der Nordspitze des Darß beschäftigt jetzt die Justiz. Nachdem am vorigen Freitag zwei Schwimmbagger nach monatelanger Verzögerung begonnen hatten, die versandete Hafeneinfahrt frei zu räumen, stehen die Zeichen nun abermals auf Stopp. Der BUND und die Umweltstiftung WWF machten ihre Drohung wahr, einen Eilantrag gegen die immer wieder auf die lange Bank geschobenen Arbeiten einzureichen. Kernpunkt des Sandstreits ist die Frage, wohin der Schlick gekippt werden soll.
Während die Umweltverbände ihn zur «Renaturierung» eines früheren Strandsees in der Nähe des Hafenbeckens einsetzen wollen, pochte das Verkehrsministerium zunächst auf eine Verklappung zehn Kilometer vor der Ostsee-Küste. Die Frage des Lagerortes scheint für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) indes völlig zweitrangig. Denn aus ihrer Sicht muss vor allem dringend ein Seenotrettungsschiff auf dem Darß Platz finden. «Wir haben die Hoffnung, dass an dem langen Teilstück zwischen Warnemünde und Rügen endlich wieder ein Kreuzer stationiert wird», meinte DGzRS-Sprecher Andreas Lubkowitz noch unmittelbar nach dem Baggerbeginn. Der umstrittene Nothafen in der Kernzone des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft ist dabei zurzeit die einzige Möglichkeit.
Doch der Zank um die Zukunft des Nothafens scheint nicht enden zu wollen. Während Seenotretter, Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) und die FDP-Landtagsfraktion zumindest für eine Übergangszeit an dem Provisorium festhalten wollen, stellen sich WWF und BUND quer.
WWF-Ostsee-Experte Jochen Lamp prangerte «Sandklau» an: «Wenn ihr für den Kreuzer eine Lösung finden wollt, muss der Sand in den ehemaligen Strandhafen kommen», forderte er an die Adresse der Landesregierung. «Ansonsten wird das hier bis zum Sankt-Nimmerleinstag dauern.»
Prinzipiell habe sein Verband nichts gegen einen Anlegeplatz für die Retter - der Eingriff ins Ökosystem sei jedoch zu groß, wenn der auf natürliche Weise eingespülte Schlick vollständig aus dem Hafenbecken entfernt werde. «Wenn das Land das so durchziehen will, müssen sie mit uns das gesamte juristische Verfahren durchlaufen.» Dass selbst im Fall einer Hochsee-Verklappung die westlichen Winde über kurz oder lang neuen Sand in das Becken treiben dürften, ficht den WWF nicht an. «Das ist ein natürliches Einspülen. Wenn man den Sand auf einmal aus dem System nimmt, fehlt er aber im Nationalpark.»
FDP-Innenexperte Gino Leonhard will diesen Einwand nicht gelten lassen. «Der Hafen wird ohnehin wieder von außen zugesandet». Nach Angaben des Greifswalder Verwaltungsgerichts müssen sich Befürworter und Gegner bis zum Wochenende einigen. «Bis dahin wird erstmal nicht weitergebaggert», sagte Sprecher Heinz-Gerd Stratmann. Eine formelle Klage gegen die Baggerei in der Nationalpark-Kernzone sei aber noch nicht eingegangen. «Vielleicht erledigt es sich, ohne dass wir aktiv werden müssen.» Das Schweriner Verkehrsministerium gab sich einstweilen kompromissbereit: «Wir versuchen eine außergerichtliche Einigung.»
Einen Landtagsbeschluss zur Entsandung des Hafenbeckens gab es schon Ende 2007. Todesfälle auf See hatten den Handlungsdruck zuletzt erhöht. Zwei Menschen waren gestorben, nachdem die Retter stundenlange Anfahrtwege von anderen Häfen aus absolvieren mussten. Einige Hafenbefürworter meinten, die Betroffenen hätten gerettet werden können, wenn ein DGzRS-Schiff in der Nähe gelegen hätte.
Falls «gar nichts mehr» gehe, müsse das Land gesetzliche Wege finden, um den Nothafen aus dem Nationalpark-Gebiet herauszutrennen, forderte Leonhard. «Wir werden das intensiv prüfen.» Eine Ankündigung, die BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag prompt als «undurchsetzbar» einstufte: «Das wäre eine Schande für Mecklenburg-Vorpommern.»