Knoten-Experten im Sielhafenmuseum
Vor der Internationalen Knotengilde ist kein Tau sicher: Von «A» wie Ankerstek bis «Z» wie Zimmermannsschlag kennen ihre Mitglieder unzählige Varianten, mit denen sich kunstvolle Knoten knüpfen lassen. Am Freitag haben die Knoten-Experten ihre jahrhundertealte Kunst im Deutschen Sielhafenmuseum im niedersächsischen Carolinensiel (Kreis Wittmund) gezeigt. Seefahrer ließen die Knotenherstellung zu einer wahren Wissenschaft werden. Und herrschte Flaute, knüpften sie an Deck halt Zierknoten wie den Türkenbund, der einem Turban ähnelt.
Peter Willems kennt fast alle Knoten. Der 64-Jährige aus Flensburg steht Freitagmittag vor einem der drei Museumsgebäude in Carolinensiel. Auf den Ausstellungstischen liegen unzählige Knoten.
Die «Englische Trompete» gehört beispielsweise dazu oder der «Bootsmannsstuhl». «Weltweit gibt es 3200 Knoten», sagt Knotengilden- Mitglied Willems. «Aber mit Varianten kommt man auf 7200.» Knotenmacher sei kein Lehrberuf, es habe früher zum Handwerkszeug jedes Seemannes gehört.
Willems erklärt Besuchern ein paar Anfängerknoten. Etwa den Palstek, den er selber im wahrsten Sinne des Wortes im Handumdrehen knüpfen kann. «Knoten sterben ja aus», sagte der Fachmann, der seine ersten Profi-Knoten 1963 bei der Marine lernte. Noch zähle seine Gilde zwar mehr als 2000 Mitglieder. Aber der Nachwuchs fehle. «Es gibt zumindest noch dicke Bücher, in denen die Knoten verewigt sind.»
Früher an Bord seien Knoten überlebenswichtig gewesen - bei Sturm banden sich die Matrosen an Deck fest. «Dieselben Knoten nutzt heute noch die Feuerwehr bei Rettungseinsätzen», sagt Willems. Außerdem seien die hunderte Meter Tauwerk, die Segel und Masten verbanden, ohne gescheite Knoten wertlos gewesen. Die Wissenschaft der Knoten zeige genau, wie Enden mit unterschiedlichem Durchmesser verbunden werden können oder welche Verknüpfung auch stärksten Reibungskräften bestens widersteht. «Doch heutzutage gibt es ja elektrische Winden, die Technik hat viele Knoten überflüssig gemacht», berichtet Willems.
Nebenan sitzt Dick Hollander aus dem niederländischen Den Helder.
Er hat eine Werkzeugbank vor sich, auf der dutzende Gerätschaften für das Knotenhandwerk liegen. Spitz zulaufende Kegel gehören dazu, mit denen sich die Seile spleißen lassen. Auch eine «Kleedkeule» hat Hollander. Mit ihrer Hilfe wird ein Schutzmantel aus Garn um ein Tau gewickelt, um es vor Wind und Wetter zu schützen. Trotz der neugierigen Besucher, die sich auch bei Hollander tummeln, fürchtet der 65-Jährige ebenfalls, dass seine Gilde weiter schrumpft. «Viele junge Leute wollen heute ja nicht mehr mit den Händen arbeiten, immer nur mit dem Computer», sagt er und werkelt weiter an seinem geknoteten Fender, der später eine Bordwand als Puffer schützen soll.
Willems hat inzwischen Besuch von Annika Henning aus Burg (Sachsen-Anhalt) bekommen. Die Neunjährige lernt den Achterknoten. «Vielleicht brauche ich den mal bei der Gartenarbeit», sagt Annika. Dann erklärt Knoten-Fachmann Willems: «Bereits jeder Laie kann mindestens fünf Knoten.» Wenn jemand sich den Schuh zubinde, mache er erst eine Bucht, dann ein Auge, habe nach dem folgenden Überhandknoten eine Variante des Kreuzknotens und schließlich eine Schleife. «Denn jede Schleife ist auch nur ein Knoten», sagt Willems. Doch Vorsicht: Kreuzknoten könnten leicht «kentern» - so die Fachsprache. Dann ist der Schuh offen.
(Internet: www.igkt.net, www.seemannsknoten.de)