"Goethe" fährt bald ohne Dampf
In diesem Herbst geht auf dem Rhein eine Ära zu Ende: Der letzte Schaufelraddampfer auf dem Fluss, die «Goethe», bekommt in der Winterpause einen diesel-elektrischen Antrieb. Die Dampfmaschine, die die zwei Schaufelräder des Nostalgieschiffes bislang antreibt, wird der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG aus Köln zu teuer. Zugleich geht der langjährige Kapitän der «Goethe», Peter Zöller, in den Ruhestand. Er gehört zu den wenigen Schiffsführern, die noch mit der Dampftechnik aufgewachsen sind.
«Mit Sicherheit wird hier auf dem Rhein nie mehr ein Schiff mit einer Dampfmaschine fahren», sagt der 64-Jährige. Er ist eher dafür, die «Goethe» zu verkaufen, als ihr die Dampfmaschine aus dem Rumpf zu reißen. Doch die Entscheidung ist gefallen. Wie der Vorstand der Köln-Düsseldorfer (KD), Norbert Schmitz, erklärt, gibt es einen Riss im Maschinenblock der «Goethe». Eine Reparatur wäre nach seinen Worten zu teuer. Zudem sehe eine Vorschrift für den Rhein vor, dass alle Schiffe bis zum Jahr 2015 von zwei Maschinen angetrieben werden müssen, die unabhängig voneinander arbeiten.
Mehr als 600 000 Liter Diesel verbrauche die «Goethe» in einer Saison von Frühling bis Herbst. «Das sind 4000 Liter am Tag», rechnet der Vorstand vor und verweist auf die steigenden Dieselpreise. Mit der neuen Maschine lasse sich der Verbrauch etwa halbieren. Zudem seien für die «Goethe» drei Maschinisten im Einsatz - zwei von ihnen würden dringend woanders gebraucht. «Wir kennen natürlich den PR-Wert der "Goethe"», sagt Schmitz. «Aber wir können sie nicht finanzieren.» KD verzeichnete im vergangenen Jahr laut Bilanz einen Umsatz von 24 Millionen Euro und einen Gewinn von 557 000 Euro.
Die «Goethe» hat eine wechselvolle Geschichte: Sie lief 1913 in Köln vom Stapel, wurde im Zweiten Weltkrieg versenkt, dann gehoben,
1989 außer Dienst gestellt, umgebaut und 1996 wieder auf die Fahrt geschickt. Heute ist sie täglich von Koblenz nach Rüdesheim und zurück unterwegs - vorbei an romantischen Tälern und Burgen des UNESCO-Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal. Für Zöller, der schon viel herumgekommen ist, ist das die schönste Strecke des Rheins überhaupt. «Bei St. Goar muss man nach wie vor am meisten aufpassen», sagt er zu den Untiefen am sagenumwobenen Loreley-Felsen.
Seit 1962 fährt Zöller auf KD-Schiffen. Die «Goethe» fällt aus dem
Rahmen: Bei modernen Schiffen hat der Kapitän zum Beispiel selbst Zugriff auf die Maschine. Auf der «Goethe» gibt Zöller den Maschinisten über einen Maschinentelegrafen Anweisungen. «Wenn der Maschinist Laune hat, führt er sie aus», sagt der 64-Jährige. Auf dem Nostalgiedampfer haben mehrere hundert Passagiere Platz. Stehen sie jedoch auf der Suche nach Sonne oder Schatten auf einer Seite, bekommt die «Goethe» leicht Schlagseite, weiß Zöller.
Bekannt ist das 86 Meter lange Schiff für das lautes Tuten der Dampfpfeife. In den Zeiten ohne Funkverkehr war dies ein Signal für die anderen Schiffsführer. Die Schaufelräder bleiben auch nach dem Umbau erhalten. Ob es weiter ein Tuten geben wird, ist noch offen. Laut KD-Vorstand Schmitz wird nach Möglichkeiten gesucht, das Pfeifen auch ohne die Dampfmaschine zu erzeugen - vielleicht mit einer Art Wasserkocher auf der Brücke.