Gericht verhandelt über Bundeswehrklage

Im juristischen Streit um den Verlauf der Ostseepipeline durch ein militärisches Übungsgebiet fordert das Bundesverteidigungsministerium einen besseren Schutz der Erdgasleitung. "Uns geht es nicht um die Stilllegung der Pipeline", sagte Rechtsanwalt Carsten Bethke am Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald. Vielmehr solle die Genehmigungsbehörde Regelungen zum Schutz der Leitung treffen, um auch künftig einen uneingeschränkten Übungsbetrieb der Marine und Luftwaffe zu ermöglichen.

Das Ministerium hatte in seiner Klage von März 2010 zunächst eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangt. Es gehe der Bundeswehr jedoch um eine risikolose Koexistenz von Pipeline und Übungsbetrieb, sagte Bethke jetzt.

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald verhandelt seit Mittwoch über die Klage des Bundesverteidigungsministeriums gegen das Bergamt Stralsund. Das Bergamt hatte im Dezember 2009 den Bau der Pipeline in den deutschen küstennahen Gewässern und damit auch in dem Artillerieschießgebiet "Pommersche Bucht" und in einem sogenannten Luftwarngebiet östlich von Rügen genehmigt. Im August 2010 wurde der Investor Nord Stream mit einem Ergänzungsbeschluss beauftragt, die Pipeline auf zusätzlichen 20 Kilometern einen halben Meter dick mit Sand zu bedecken. Lediglich 1,5 Kilometer der Pipeline liegen in dem beklagten Abschnitt noch auf und nicht im Meeresboden.

Durch die insgesamt 1200 Kilometer lange Pipeline strömt seit vier Monaten russisches Erdgas nach Deutschland. Der zweite Leitungsstrang der insgesamt 7,4 Milliarden Euro teuren Trasse soll im Herbst 2012 in Betrieb gehen.

Das Gericht hinterfragte am Vormittag die mangelnde Abstimmung unter den Bundesbehörden. In einem Gestattungsvertrag hatte das Bundesverkehrs-ministerium dem Pipeline-Betreiber Nord Stream Bau und Betrieb der Pipeline im Bereich der Bundeswasserstraßen erlaubt. Obwohl die Bundesrepublik ein Rechtsträger sei, trete das Verteidigungsministerium nun als Kläger auf. Eine ressortübergreifende Abstimmung der einzelnen Bundesressorts "möglicherweise am Kabinettstisch" hätte zuvor Klärung bringen können, sagte Richterin Hannelore Kohl.

Die Bundeswehr greift mit ihrer Klage ein der Genehmigung zugrunde gelegtes Gutachten des Germanischen Lloyd an. Diese im November 2009 verfasste und von Nord Stream in Auftrag gegebene Risikoanalyse kommt zu dem Schluss, dass die von der Bundeswehr verwendeten Geschosse kein Risiko für die Pipeline darstellen. Belange der Landesverteidigung seien nicht beeinträchtigt, resümiert das beklagte Bergamt.

Nach Ansicht des Bundesverteidigungsministeriums handelt es sich um ein "Parteigutachten", das nicht mit einem unabhängigen Sachgutachten vergleichbar sei. Die Bundeswehr beruft sich auf eigene Simulationen und Untersuchungen, die am Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und der Universität der Bundeswehr München durchgeführt wurden. Danach sei ein Bruch des Stahlrohres durchaus "wahrscheinlich", wenn ein 76 mm-Geschoss ohne Explosion auf die Pipeline treffe. Auch reiche die derzeitige Sandabdeckung nicht aus, um die kinetische Energie aufzunehmen. Ebenfalls sei ein Durchschlagen der Pipeline "nicht unrealistisch", wenn das Geschoss senkrecht auf die Trasse treffe. Die Wahrscheinlichkeit wird mit drei Fällen in 1000 Jahren angegeben.

Die Bundeswehr beklagte zudem, dass sie durch die Ausweitung von Offshore-Windparks immer stärker in ihrer Übungstätigkeit in der Nord- und Ostsee beschränkt sei.

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