Entlastung für Häfen

Michail Stahlhut steht auf einem Bahndamm zwischen Winsen (Luhe) und Soltau. «Hier könnten jeden Tag 20 Containerzüge fahren», sagt der Manager und beschreibt mit dem Arm einen vagen Halbkreis über Felder und Viehweiden. Stahlhuts Firma gehört das Gleis auf dem Bahndamm. Er ist Vorstand der Osthannoverschen Eisenbahnen AG (OHE) in Celle und damit Herr über 294 Gleiskilometer im nordöstlichen Niedersachsen, das zweitgrößte deutsche Schienennetz in privater Hand. Zu seinem Bedauern fahren darauf nur wenige Züge. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern.

Einige Kilometer nordwestlich, im Hamburger Hafen, stößt der Schienenverkehr sichtbar an seine Grenzen. Zwar wird 2009 kein gutes Jahr für den Containerumschlag im Hafen; die Exporte brechen ein. Weniger Maschinen werden in die bunten Kisten verladen und in alle Welt verschifft, weniger Hosen, Spielsachen und Videorekorder aus Asien angeliefert. Doch selbst wenn der Containerumschlag des Hafens um zehn Prozent zurückgehen sollte, wäre das immer noch das Niveau des Jahres 2006 - damals ein Boomjahr.

Alle Experten erwarten, dass der Containerumschlag nach einer Delle wieder auf den alten Wachstumspfad zurückfindet. «Es ist nicht denkbar, dass wir wieder selbst Kleidung herstellen, statt sie aus China einzuführen», sagt der auf Transportwirtschaft spezialisierte Hamburger Unternehmensberater Thomas Rössler. Auch Rohstoffe wie Kohle bleiben billiger, wenn sie aus Südafrika importiert werden. Deshalb werde der Güterumschlag im Hafen wieder steigen.

Heute werden rund 1,9 Millionen Standardcontainer (TEU) aus dem Hamburger Hafen auf der Schiene transportiert. In einigen Jahren, 2015 oder vielleicht auch erst 2018, werden es aller Voraussicht nach mehr als drei Millionen TEU sein. «Das wird nicht aufgehen; wir brauchen mehr Kapazitäten», warnt Rössler.

Auf einer besonders belasteten Strecke wie zum Beispiel in Winsen verkehren heute schon 346 Züge täglich, in einigen Jahren sollen es mehr als 500 sein. «Das Schienennetz ist in manchen Abschnitten zu mehr als 130 Prozent ausgelastet; das heißt, es geht nicht ohne Verspätungen», sagt der Verkehrswissenschaftler Thomas Siefer von der Leibniz Universität Hannover. Das Problem sind die Häfen Hamburg und Bremen und der Knotenpunkt Hannover; je weiter sich die Transporte von der Küste entfernen, desto mehr verteilen sie sich in die Verästelungen des Bahnnetzes.

Hier kommen nun Stahlhut und die OHE ins Spiel, die freie Kapazitäten anzubieten haben. Zunächst allerdings sind Investitionen notwendig. Die Bahnschwellen auf den angejahrten Gleiskörpern müssen ausgetauscht, Bahnübergänge mit Schranken versehen und die gesamten Strecken «ertüchtigt» werden, wie die Fachleute sagen. Neben der OHE gibt es in Niedersachsen ein zweites Bahnunternehmen, das nicht zum Konzern der Deutschen Bahn gehört: die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser-GmbH (EVB) in Zeven. Sie nennt 261 Schienenkilometer rund um Bremen ihr eigen und könnte Entlastung für den Containerhafen Bremerhaven anbieten, wo die Probleme grundsätzlich die gleichen sind wie in Hamburg.

Die niedersächsische Landesregierung hat insgesamt 20 Millionen Euro bis 2010 mobilisiert, damit die privaten Eisenbahnen mit den Investitionen in Lärmschutz und Sicherheit beginnen können. 15 Millionen Euro davon kommen aus dem Konjunkturpaket II. «Wir erwarten, dass auch der Bund sich am Ausbau des Netzes beteiligt», sagt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Hannover, Christian Budde. «Die Infrastruktur ist keine Angelegenheit des Nordens allein, sondern dient auch dazu, dass die Waren aus den Häfen pünktlich nach Süddeutschland kommen.» Um viel bewirken zu können, seien insgesamt rund 130 Millionen Euro notwendig. Wie viel von den Firmen kommt und aus Berlin, ist gegenwärtig noch offen. Die Gespräche zwischen den Beteiligten laufen.

Die Deutsche Bahn hat das Problem auch seit langem erkannt. In einem Sofortprogramm investiert die Bahn 305 Millionen Euro in den Ausbau der Hafen-Hinterlandanbindungen, einen Teil davon allerdings weit entfernt im Binnenland. Die Bahn verspricht sich zudem Entlastung von der umstrittenen Y-Trasse, die Bremen und Hamburg mit Hannover verbinden soll. Fachleute halten davon wenig: «Zu spät, zu teuer und bringt nicht das, was sie sollte», meint Rössler. Das Projekt, dessen Kosten mittlerweile auf rund vier Milliarden Euro geschätzt werden, kommt vermutlich nicht vor 2020.

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