"Das war Psychoterror"
Der Kapitän der „Hansa Stavanger", Krzysztof Kotiuk, hat über die extremen Zustände während der Geiselhaft berichtet.
Kotiuk sprach in einem Telefoninterview mit dem ARD-Magazin „Panorama" von massivem psychischem Druck, unter dem die Crew litt: „Nonstop waren schwere Maschinenpistolen auf uns gerichtet. Das war Psychoterror rund um die Uhr". Immer wieder sei es zu Scheinhinrichtungen gekommen. Ihm selbst sei zweimal gesagt worden, dass er erschossen werden solle. „Ich stand kurz vor einem Herzinfarkt", so Kotiuk weiter. Ein Offizier sei bei einer solchen Aktion zusammengebrochen. Die Piraten seien besonders nervös gewesen, wenn Helikopter über dem Schiff kreisten. „Sie haben uns als menschliche Schutzschilde missbraucht."
Der Kapitän berichtete weiter, dass die Versorgung an Bord sehr schlecht war. Seit Ende Mai hätten die Seeleute kein normales Essen mehr gehabt und Reis bekommen, den die Piraten aus den geladenen Containern gestohlen hätten. Wasser habe es an Bord gegeben, allerdings von schlechter Qualität. „Wir haben das Schwitzwasser aus der Klimaanlage gesammelt". Das habe aber nicht zum Duschen und Putzen gereicht. Kotiuk weiter: „Alles war sehr dreckig. Wir mussten uns mit 40 Personen eine Toilette teilen, die ständig verstopft war."
Die Absage der GSG9-Befreiungsaktion bewertete der Kapitän positiv: „Das hätte keinen Erfolg gehabt. Im Gegenteil, es hätte ein Blutbad mit vielen Toten gegeben. Unsere ganze Mannschaft war ja auf der Brücke verteilt." Seiner Crew gehe es den Umständen entsprechend gut. Alle seien froh, dass es vorbei ist. Das habe alles einfach zu lange gedauert.
Gut vier Monate nach der Geiselnahme durch Piraten im Indischen Ozean wird das Containerschiff «Hansa Stavanger» am heutigen Samstag im Hafen von Mombasa in Kenia erwartet.
Der Frachter der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg mit 24 Mann Besatzung war am Montag nach Zahlung eines Lösegeldes von angeblich 2,1 Millionen Euro von den somalischen Seeräubern freigegeben worden. Die Besatzung, unter ihnen fünf Deutsche, wird in Mombasa von Angehörigen und einem Team der Reederei empfangen. Auch sieben Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) warten auf das Schiff. Sie wollen unmittelbar nach Ankunft des Frachters ihre Ermittlungen aufnehmen.
Die «Hansa Stavanger» war am 4. April rund 400 Seemeilen vor der Küste zwischen Kenia und den Seychellen entführt worden. Danach lag das 170 Meter lange Schiff im somalischen Hafen Haradhere. Nach der Freigabe war der Frachter von zwei Fregatten der deutschen Marine eskortiert worden. Die Crew wurde von den Soldaten mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt und medizinisch betreut. «Es gibt keine Verletzten und keine medizinische Notlage», hieß es.
Was nach der Ankunft in Mombasa mit dem Schiff und der Besatzung geschieht, stand am Freitag noch nicht fest. Das hänge von den Wünschen der Crew sowie der ermittelnden Behörden aus Deutschland und Kenia ab, sagte ein Sprecher der Reederei. Die BKA-Beamten sollen die Besatzungsmitglieder vernehmen, den Tatort untersuchen und Spuren sichern. Spezialisten werden das Schiff auf Schäden überprüfen. Von den 542 Containern an Bord seien einige geöffnet und kleinere Waren geraubt worden, berichtete die Reederei.
Ein Großteil der Container sei für Mombasa und Tansania bestimmt und könne vermutlich im Hafen gelöscht werden.
Die Freigabe der «Hansa Stavanger» nach Zahlung von angeblich über zwei Millionen Euro hatte in Deutschland eine Debatte über die Zulässigkeit solcher Lösegelder ausgelöst. Während einige Politiker davor warnten, somalische Seeräuber auf diesem Weg zu weiteren Geiselnahmen zu ermutigen, sahen andere keine Alternative. Für den Kriminologen Christian Pfeiffer blieb der Reederei keine andere Wahl. Es habe nur die Alternative gegeben, die Seeleute gewaltsam zu befreien, sagte Pfeiffer dem ZDF. «Die Chancen für eine gewaltsame Befreiung waren allerdings nahe Null.»