LNG-Fähre „Helgoland“ wieder auf Probefahrt

Die „Helgoland“ kostet rund 30 Millionen Euro und wird von Wärtsilä-Motoren angetrieben, Foto: Lang

Die Übergabe der „Helgoland“ sollte ursprünglich schon im Juli dieses Jahres erfolgen, Foto: Eckardt
Die neue LNG-Fähre „Helgoland“ ist derzeit wieder auf Probefahrten im Außenweserbereich unterwegs.
Am Montag steuerte das Schiff vom nächtlichen Anleger an der Bremerhavener Seebäderkaje nun erstmals auch Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland an. Davor hatten bereits im Oktober Probefahrten stattgefunden. Die ursprünglich für Juli geplante Übergabe der Helgoland-Fähre sollte nach Planungen der Fassmer-Werft sowie der Reederei Cassen Eils in der zweiten Oktoberhälfte 2015 stattfinden, doch auch dieser Termin konnte nicht eingehalten werden. Aktuell wurde von beiden Vertragsparteien noch kein neuer Übergabetermin für das Seebäderschiff benannt. Fassmer erklärte kürzlich, das unterschiedliche Gründe für die verspätete Ablieferung der neuen „Helgoland“ verantwortlich sind, die im Wesentlichen mit der innovativen und komplexen LNG-Technik in Zusammenhang stehen. Anders als bei Schiffen mit herkömmlichen Antriebs- und Energieversorgungsanlagen gibt es bezüglich der hier installierten LNG-Technik noch keine Industriestandards. Deshalb sind in der Konstruktionsphase, der Bauphase und schließlich im Rahmen der Inbetriebnahmen immer wieder technische Fragestellungen aufgetreten, die sorgsam mit allen beteiligten Spezialfirmen und der Klassifikationsgesellschaft geklärt wurden.
Mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Sicherheit für Passagiere und Besatzung zu gewährleisten, sind für alle denkbaren und mit der LNG-Technik in Zusammenhang stehenden Eventualitäten automatisierte Sicherheitssysteme installiert worden. Die entsprechende schiffsspezifische Sensorik und Regelungstechnik dieser Systeme konnte erst im Rahmen der Inbetriebnahmen hinsichtlich der Programmierung und Einstellung abgeschlossen werden. Insbesondere dieser Vorgang hat zu baulichen Anpassungen und damit auch zu Verzögerungen geführt, die so nicht absehbar waren. „Das war für uns so nicht planbar“, erklärte Harald Fassmer, Geschäftsführer der Fassmer GmbH.
Darüber hinaus handelt es sich bei den mit flüssigem Erdgas betriebenen Bordstromaggregaten um Prototypen, die zum ersten Mal an Bord eines Schiffes zum Einsatz kommen und daher einen zeitaufwendigen Genehmigungsprozess durchlaufen. Dr. Bernhard Brons, Geschäftsführer von Cassen Eils, erklärt dazu: „Wir sind uns dessen bewusst, dass wir es mit einem Pilotprojekt zu tun haben. Die Unterstützung der EU für die LNG-Technik haben wir nicht ohne Grund erhalten.“
Fassmer und Cassen Eils, sind zuversichtlich, die umfangreichen Herausforderungen, die im Rahmen dieser Neuentwicklung zu meistern waren und sind, innerhalb der nächsten Wochen erfolgreich abschließen zu können.
Zu Fahrplaneinschränkungen im Seebäderverkehr von Cuxhaven nach Helgoland kommt es aber aufgrund der verspäteten Ablieferung der neuen „Helgoland“ aktuell nicht, da das über 40 Jahre alte Seebäderschiff „Atlantis“ von Cassen Eils weiter bis zu sechsmal wöchentlich im Einsatz ist.
Der auf der Hullkon Ship yard in Szczecin gebaute Stahlrumpf der neuen „Helgoland“ traf im Dezember 2014 bei Fassmer ein und wurde in den vergangenen Monaten an allen Gewerken von der Werft vollständig ausgebaut. Der Auftrag mit der Baunummer 1889 wird nach der Ablieferung der erste Neubau im Seebäderverkehr nach Helgoland seit 40 Jahren sowie der erste Passagierschiffsneubau unter deutscher Flagge mit der umweltfreundlichen Erdgastechnik sein.
Bei einer zugelassenen Fahrgastzahl von 1060 Passagieren verfügt die „Helgoland“ über 1180 Sitzplätze. Der Komfort auf dem Schiff wird durch ein dynamisches Stabilisatorensystem von Blohm + Voss mit einer Fläche von drei Quadratmetern je Stabilisator und einem Gewicht von elf Tonnen je Seite unterstützt.
Nach Tests bei der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) wurde das ursprüngliche Rumpfkonzept des Neubaus noch verändert: So ist die „Helgoland“ nun vier Meter länger, 20 Zentimeter breiter und mit einem Tiefgang von 3,60 Meter auch flacher als nach der ursprünglichen Planung. Dadurch hat das nun 83 Meter lange und 12,80 Meter breite Schiff nicht nur ein besseres Seegangverhalten, sondern auch eine höhere Energieeffizienz. Die Hauptmaschinen bestehen aus zwei Wärtsilä-Dual-Fuel-Motoren vom Typ 9L20 DF mit einer Leistung von je 1665 kW, wobei der Antrieb über ein Getriebe auf zwei Verstellpropeller erfolgt. Zusätzlich sind drei MAN-Stromgeneratoren mit einer Leistung von je 500 kW eingebaut. Durch Zuschaltung dieser Generatoren kann die „Helgoland“ dann beispielsweise im Tidenstrom auf der Elbe auch die maximale Geschwindigkeit von 20 Knoten erreichen.
Die Betankung des Neubaus mit LNG (Liquefied Natural Gas) durch Bomin Linde LNG erfolgt in einem von der Klassifikationsgesellschaft zertifizierten Bunkerverfahren und wird zunächst über Tanklastwagen in Cuxhaven erfolgen. Das Schiff verfügt über einen 54 Kubikmeter fassenden LNG-Tank, der dann vermutlich einmal die Woche am Liegeplatz in Cuxhaven gefüllt werden muss. Das von Bomin Linde LNG gelieferte Flüssigerdgas wird jährlich über 1,2 Millionen Liter Marinediesel ersetzen, die bei einem vergleichbaren konventionellen Schiff als Kraftstoff benötigt würden. Neben einem Zuschuss durch die Inselgemeinde Helgoland von 150.000 Euro für den Winterbetrieb erhielt die Reederei auch eine EU-Förderung von rund 4,2 Millionen Euro für die Pilotentwicklung eines LNG-Antriebssystems für den kombinierten Personen- und Frachtverkehr zur ganzjährigen Anbindung der Randlagenregion Helgoland für den rund 30 Millionen Euro teuren Neubau.
Nach Abschluss eines Verkehrsvertrages im Frühjahr 2013 mit einer Laufzeit von 15 Jahren stellt die Reederei künftig den regelmäßigen Winterdienst mit sechs Abfahrten je Woche zwischen Cuxhaven und Helgoland sicher. CE/FBi