Deutsche Marine bleibt der „Primärkunde“

Vorstoß in eine neue Leistungsklasse: die Fregatte „Baden-Württemberg“ der Klasse 125. Vier Einheiten fahren künftig für die Deutsche Marine, Foto: Tony Zech
Für die deutsche Werft- und Schiffbauzulieferer-Industrie ist und bleibt die Deutsche Marine mehr als nur ein Abnehmer von Schiffen und Booten: Die kleinste Teilstreitkraft (TSK) der Bundeswehr sei so etwas wie ein „Primärkunde“.
Dieser sei damit zugleich Garant dafür ist, dass Produkte des deutschen Marineschiffbaus auf dem hart umkämpften Weltmarkt nicht nur anerkannt sind, sondern auch international nachgefragt werden. Auf diesen Sachzusammenhang weist der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM, Hamburg) in seinem jetzt vorgelegten Jahresbericht 2019/2020 hin. Der Branchenverband hat in dem sowohl optisch als auch inhaltlich anspruchsvoll gestalteten, rund 150 Seiten starken Gesamtwerk auch zahlreiche Handlungsempfehlungen in puncto Marinerüstung klar formuliert.
Die an die Marine ausgelieferten Schiffe und Boote fänden „starke Beachtung bei ausländischen Regierungen“, so der VSM weiter. Sie bildeten damit „vielfach die wesentliche Referenz für das Beschaffungsinteresse“. Zudem würde über solche Spitzenprodukte aus deutscher Fertigung auch das Interesse ausländischer Firmen an einer Zusammenarbeit mit vergleichbaren Anbietern aus Deutschland begründet. Die hohe Exportquote bei Marineschiffen Made in Germany ist für den VSM ein klarer Beleg für „die internationale Wertschätzung der deutschen Marineschiffbauindustrie“ und zugleich „Beweis für ihre Wettbewerbsfähigkeit“.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist die U-Boot-Kooperation zwischen Deutschland und Norwegen. Als Industriepartner, die das Milliardenprojekt realisieren werden, treten die deutsche Schiffbau-Gruppe TKMS sowie der norwegische Kongsberg-Konzern an. Sie gründeten mit ausdrücklicher Zustimmung der Regierungen des skandinavischen Königreichs und Deutschlands Ende Oktober 2017 das Gemeinschaftsunternehmen KTA Naval Systems. Beide Partner halten an diesem Unternehmen jeweils 50 Prozent der Anteile.
Die Einstufung der deutschen Seestreitkräfte als „Primärkunde“ zeigt sich in einer Vielzahl von aktuellen Rüstungsvorhaben. Nach einem seit Mitte der 1990er-Jahre kontinuierlichen Abbau des Schiffbestands der Deutschen Marine und dem Erreichen eines historischen Tiefpunkts der Flotte vor gut zwei Jahren, wird es in den kommenden Jahrzehnten wieder deutlich mehr Plattformen geben.
Zugleich steht die Flotte vor einer umfangreichen technischen Erneuerung. So sind zum Beispiel die beiden Flottentanker „Rhön“ (A 1443) und „Spessart“ (A 1442) inzwischen über 40 Jahre alt, zudem noch als Einhüllentanker gebaut. Sie sollen bis spätestens 2024 ersetzt werden. Die Neubauten der Klasse 707 werden dabei zudem über noch weitere logistische Möglichkeiten verfügen als die beiden inzwischen störanfälligen Oldtimer.
Für die Deutsche Marine liefern die heimischen Werften im laufenden Jahr beziehungsweise bis 2021 unter anderem die beiden letzten Fregatten der Klasse 125 („Baden-Württemberg“-Klasse) aus. Zudem befindet sich das zweite Los der Korvette Klasse K 130 im Bau. Die fünf darin enthaltenen Einheiten sollen bis 2026 ausgeliefert und in Dienst gestellt sein. Einen konkreten Ersatzbedarf hat die Deutsche Marine zudem für ihre betagten Minenjagdboote und die ebenfalls stark in Anspruch genommenen Tender aus den 1990er-Jahren sowie die sogenannten Flottendienstboote.
Bemerkenswert in dem Jahresbericht ist, dass der VSM zu einem Rüstungsvorhaben Stellung bezieht, über das seit vielen Jahren nicht nur in der Flotte, sondern auch bei jenen Politikern kontrovers diskutiert wird, die sich in ihrer Arbeit mit Verteidigungspolitik beschäftigen. Es geht um Spezialschiffe für die sogenannte „militärische Seeverlegungsfähigkeit“. Also Schiffe, die etwa zur Evakuierung von einer größeren Anzahl von Menschen aus Krisenregionen benötigt werden oder die größerer Material- und Truppenkontingente aufnehmen und transportieren können. Solche Plattformen hat die Deutsche Marine nicht. Die drei Einsatzgruppenversorger (EGV) der Flotte sind dafür nicht ansatzweise konzipiert und ausgelegt.
Erfahrungen und damit auch Anregungen im und für den Umgang mit solchen Spezialschiffen sammelt die Deutsche Marine mit dem Nato-Partner Niederlande. Der westliche Nachbar hat traditionell eine sehr starke amphibische Komponente mit großen Docklandungsschiffen wie etwa der „Rotterdam“. Im Bericht des VSM heißt es zu diesem Top-Thema klar: „Die temporäre Mitnutzung niederländischer Unterstützungsschiffe schließt nur vorübergehend eine Fähigkeitslücke. Sie genügt realen Anforderungen an schnelle unbeschränkte Einsatzfähigkeit nicht.“
Sehr politisch wird der Verband dann mit der Empfehlung an die deutsche Politik, in dem er in seinem Jahresbericht empfiehlt, sich mit der Beschaffung von sogenannten „Logistic Command Ships“ zu beschäftigen. Wörtlich heißt es weiter: „Dies sollte in konkrete Planungen für die Deutsche Marine überführt werden“, meint der VSM. EHA