Hohes Haftungsrisiko bei Falschangaben

Straddle-Carrier im Einsatz: Überladene Container können zu schweren Unfällen führen, Foto: owi/diasign
Das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) schreibt ab dem 1. Juli 2016 zwingend vor, dass der „shipper“ die Bruttomasse von Containern zu ermitteln und dem Verfrachter und dem Terminal rechtzeitig vor der Verladung auf das Schiff mitzuteilen hat. Wenn dies nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt, darf der Container nicht verladen werden.
Von Steffen Maelicke*
Hintergrund der Regelung ist, dass aus Sicherheitsgesichtspunkten die Erstellung eines zutreffenden Stauplans gewährleistet werden soll. Nicht zuletzt seit der Havarie des Binnenschiffs „Waldhof“ und dem Untergang der „MOL Comfort“ zeigt sich, dass fehlende oder nicht zutreffende Gewichtsangaben von Containern Einflüsse auf Schiffsunglücke haben könnten. Es können aber auch Ladungsschäden oder Verzögerungen entstehen, das Haftungsrisiko bei fehlenden oder falschen Gewichtsangaben von Containern ist beträchtlich.
Haben die SOLAS-Änderungen Einfluss auf die Haftung der Beteiligten?
Zwar hat das Bundesministerium für Verkehr erst das Rechtsetzungsverfahren zur Umsetzung der SOLAS-Änderungen eingeleitet und es bleibt abzuwarten, wie die entsprechenden Regelungen ausgestaltet werden. Nach § 482 HGB besteht aber ohnehin bereits die Pflicht des Befrachters, dem Verfrachter vor Übergabe des Gutes die für die Durchführung der Beförderung erforderlichen Angaben zum Gut zu machen. Insbesondere hat der Befrachter Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht und die Art des Gutes zu machen. Da laut Gesetz „Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht“ zu machen sind, ist nicht eindeutig geregelt, ob eine Verpflichtung zur Angabe des Gewichts besteht. Bei Ausstellung eines Konnossements ist die Mitteilung des Gewichts jedenfalls eine Rechtspflicht. Werden aber nur Seefrachtbriefe (Waybills) ausgestellt, ergibt sich aus dem HGB nicht zwingend eine entsprechende Pflicht des „shippers“ beziehungsweise Befrachters. Die Pflicht kann aber nunmehr durch die SOLAS-Änderungen konkretisiert werden. Ab dem 1. Juli 2016 muss von einer Pflicht des „shippers“ ausgegangen werden, das Bruttocontainergewicht des Containers festzustellen und dem Verfrachter/Terminal mitzuteilen.
Unbeschränkte Haftung für unzutreffende Gewichtsangaben
Grundsätzlich haftet der Befrachter unbeschränkt nach § 488 HGB für Schäden und Aufwendungen, die durch unrichtige Gewichtsangaben verursacht wurden, es sei denn, er kann nachweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wenn ein Konnossement ausgestellt wurde, haftet der Befrachter, auch wenn ihn kein Verschulden trifft.
Die Haftung des Befrachters kann nur durch einzeln ausgehandelte Vereinbarungen abbedungen werden. Eine Beschränkung der Haftung des Befrachters der Höhe nach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Wenn der Befrachter jedoch keine entsprechenden Vorkehrungen trifft, haftet er unbeschränkt für alle aufgrund der fehlerhaften Gewichtsangabe entstandenen Schäden am Schiff und auch an anderer Ladung.
Der Absender einer Land- oder Multimodalbeförderung wie auch ein Spediteur haftet grundsätzlich verschuldensunabhängig und unbeschränkt nach § 414 HGB. Wie im Seefrachtrecht kann von der Haftung allerdings durch einzeln ausgehandelte Vereinbarungen abgewichen oder die Haftung der Höhe nach durch Allgemeine Geschäftsbedingungen des Absenders beschränkt werden.
Auch Spediteur haftet für fehlende oder verspätete Gewichtsangaben
Bei einer fehlenden oder verspäteten Mitteilung darf nach den SOLAS-Änderungen der Container nicht an Bord des Schiffes verladen werden. Der „shipper“ hat dann nicht nur dem Verfrachter zusätzliche Kosten zu erstatten, er haftet auch für dadurch entstehende Verzögerungen gegenüber seinem Vertragspartner. Auch ein Spediteur kann sich gegenüber seinem Kunden für Verspätungsschäden ersatzpflichtig machen, wenn er dem Verfrachter keine oder nicht rechtzeitige Mitteilungen über das Gewicht macht.
Der zeitliche Rahmen, bis wann die Mitteilung zu erfolgen hat, ist in SOLAS nicht geregelt. Nach den Guidelines zu den SOLAS-Änderungen soll es jedenfalls die Verantwortung des Verfrachters sein, mit dem der „shipper“ den Seefrachtvertrag geschlossen hat, den „shipper“ über die Deadline für die Mitteilung zu unterrichten.
Haftungsrisiko auch für Verfrachter
Dadurch kann sich eine Haftung des Verfrachters ergeben, wenn er den „shipper“ nicht oder falsch über den benötigten Vorlauf unterrichtet und es deswegen zu einer Nichtverladung des Containers kommt.
Ebenso soll nach den SOLAS-Guidelines der Verfrachter dafür verantwortlich sein, dem Terminal die vom „shipper“ erhaltene Gewichtsmitteilung rechtzeitig weiterzuleiten. Kommt der Verfrachter dieser Pflicht nicht nach und kommt es hierdurch zu Verzögerungen oder zur Nichtverladung des Containers, kann sich hieraus eine Haftung des Verfrachters gegenüber dem „shipper“ oder auch gegenüber dem Terminal ergeben.
Die Guidelines eröffnen allerdings die Möglichkeit, dass der Kapitän oder der Terminal das Bruttocontainergewicht für den „shipper“ durch Wiegen des Containers ermittelt, wobei das ermittelte Gewicht bei der Erstellung des Stauplans verwendet werden soll. Für die zusätzlichen Kosten wird der Terminal den Verfrachter und der Verfrachter den „shipper“ ersatzpflichtig halten können.
Konkreter Handlungsbedarf
Zusammenfassend werden die Pflichten und die Haftung des „shippers“ wie auch des Verfrachters durch die SOLAS-Änderungen und voraussichtlich auch durch die deutschen Umsetzungsregelungen konkretisiert. Angesichts des nahenden 1. Juli 2016 empfiehlt es sich, nicht das innerstaatliche Rechtsetzungsverfahren abzuwarten, sondern bereits jetzt zwischen den Beteiligten zu klären, welche Vorlauffristen für die Mitteilung der Gewichtsangaben gelten sollen. Insbesondere sollten Verfrachter dies mit den Terminals abstimmen und dafür Sorge tragen, dass die „shipper“ rechtzeitig, richtig und nachweisbar unterrichtet werden. Spediteure sollten mit ihren Kunden nachweisbar abstimmen, dass das Bruttogewicht ermittelt und rechtzeitig dem Spediteur mitgeteilt wird. Ferner sollten Spediteure sicherstellen, dass eine rechtzeitige Weiterleitung an die Verfrachter erfolgt.
Für Absender/„shipper“ empfiehlt es sich, die Haftung für fehlerhafte Gewichtsangaben gegenüber dem Spediteur/Verfrachter zumindest der Höhe nach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beschränken.
* Steffen Maelicke, LL.M. (Shipping Law) ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht bei Dabelstein & Passehl Rechtsanwälte PartGmbB