„Es geht auch ohne Subventionen“

Euromar-Chefs Jörg Molzahn (l.) und Albrecht Gundermann , Foto: Euromar Management
Dienstleister des auf Madeira ansässigen portugiesischen Schiffsregisters MAR ist die von den deutschen Kaufleuten Dr. Albrecht Gundermann und Jörg Molzahn geführte Gesellschaft Euromar. Der THB sprach mit beiden.
THB: Herr Gundermann, Herr Molzahn, kann das portugiesische Register schon mit Liberia oder Panama mithalten?
Albrecht Gundermann: Das ist eine etwas provokative Frage. Aber dafür kriegen Sie eine klare Antwort: Wenn es nach Quantität geht, wird Portugal mit seinen 400 Schiffen und 16 Millionen DWT noch eine Weile hinter Panama mit 8000 Schiffen und 350 Millionen DWT sowie Liberia mit 4000 Schiffen und 200 Millionen DWT hinter herlaufen.
Jörg Molzahn: In allen anderen Bereichen kann Panama schon aus heutiger Sicht nicht mehr mit Portugal mithalten: Service, Gesetzgebung, Ranking bei Hafenstaatkontrollen und so weiter. Panama zum Beispiel ist „targeted flag state“, also schwarz gelistet. Wie übrigens Malta, Antigua und Zypern ebenfalls. Portugal hingegen ist jetzt als Ergebnis der zweijährigen Arbeit mit den Portugiesen auf allen Listen von Hafenstaatkontrollen „weiß“. Und wir können auch sagen, dass Portugal in der Zukunft weiß gelistet bleiben wird.
Gundermann: Liberia kann qualitativ mithalten. Wie Sie wissen, haben wir und unsere Mannschaft die liberianische Flagge in Deutschland über Jahre aufgebaut und alle sehr gerne für den amerikanischen Dienstleister dieser Flagge gearbeitet. Aufgrund von einigen Innovationen in Portugal gehen wir aber davon aus, dass Portugal Ende des Jahres auch im Vergleich mit Liberia die Nase vorn haben wird. Und Größe ist ja auch nicht alles.
Kann das portugiesische Register auch mit Lohnsteuereinbehalt locken?
Molzahn: Lohnsteuereinbehalt gibt es nur bei der deutschen Flagge. Portugal hat in den vergangenen zwei Jahren 280 Handelsschiffe und 14 Millionen DWT dazugewinnen können, ohne Subventionen zu gewähren. Auch wäre das Land aufgrund der schwierigen Haushaltslage überfordert mit besonderen Subventionen für die Schifffahrt. Es geht ja auch ohne.
Womit können Sie denn sonst locken? Wie sieht es aus mit Vorgaben zur Schiffsbesetzung?
Molzahn: Schiffe unter der Flagge Portugals müssen ähnlich besetzt sein, wie es unter den anderen EU-Flaggen der Fall ist, sofern man auf die Besatzungsanzahl schaut. Mindestens 30 Prozent der Mindestbesatzung – also des „Safe Manning“ – müssen europäische Seeleute sein. Wenn der Arbeitsmarkt dies jedoch nicht hergibt, ist unter bestimmten Umständen eine zeitlich befristete Befreiung möglich. Übrigens: Die Anzahl der Schiffe mit einem ITF-Vertrag hat sich erhöht. Und zwar durch Schiffe, welche vorher kein ITF-Cover hatten – auch nicht bei ver.di.
Das klingt ja auf den ersten Blick ähnlich wie die deutschen Vorschriften. Wer gilt denn als „Europäer“ – wie in Deutschland nur EU-Bürger, Isländer, Schweizer und Norweger?
Gundermann: Der Europa-Begriff des portugiesischen Registers ist breiter und umfasst auch die Ukraine und Russland. Für die Seeleute gelten selbstverständlich die Regeln für Arbeits- und Sozialrecht gemäß dem internationalen Seearbeitsübereinkommen.
Bis vor einiger Zeit war Luxemburg der Senkrechtstarter unter den Ausflaggungszielen deutscher Reeder. Was unterscheidet Portugal und Luxemburg?
Gundermann: Alles. Luxemburg ist ein sehr kleines europäisches Binnenland, das mit Erfolg sein Geschäftsmodell auf der Finanzwirtschaft aufbaut. Maßgebliche Anreize werden bekanntermaßen gesetzt, um international operierenden Firmen die Möglichkeit zur Steueroptimierung beziehungsweise Steuertotalvermeidung zu geben. Aufgrund dieser Politik haben sich manche Fondsgesellschaften in Luxemburg angesiedelt. Einige dieser Fondsgesellschaften haben in Schiffe investiert. Dadurch gab es einen Anknüpfungspunkt für die Registrierung von Schiffen. Ansonsten gibt es einfach keine Verbindung zwischen Luxemburg und der Schifffahrt. Wegen der geografischen Lage des Landes und der kleinen Bevölkerung gibt es in Luxemburg keine nennenswerte maritime Kompetenz. Das steht einem weiteren Wachstum im Wege.
Was sind die aus Ihrer Sicht wichtigsten Unterschiede zum deutschen Register?
Gundermann: Wir vergleichen uns nicht mit dem deutschen Register, denn wir respektieren in jedem Land die jeweiligen nationalen Interessen. Aus unserer Sicht ist das Fortbestehen eines deutschen Schiffsregisters und der deutschen Flagge ein großer Mehrwert für den Schifffahrtsstandort Deutschland, dessen Teil wir auch sind. Mit den deutschen Behörden sind wir in freundlichem und regelmäßigem Kontakt. Wir haben großen Respekt vor den Modernisierungsbestrebungen der deutschen Behörden.
Mit welchen Maßnahmen wäre Deutschland als Flaggenstaat in der Lage, Ihnen das Wasser abzugraben?
Gundermann: Das wird Deutschland sicher wissen. Deutschland hat eine starke Verwaltung und exzellente Politiker. Und Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber: Wir würden uns manchmal eine mehr europäische Betrachtung der Dinge wünschen. Die anderen 27 europäischen Staaten haben sicher wenig Verständnis für die in der EU mit Abstand höchsten Ausflaggungsgebühren. Uns ist kein anderer Fall bekannt, in dem eine Verwaltungsgebühr mit einem Schlag – wie in Deutschland 2012 – von 450 Euro auf 12.000 Euro heraufgesetzt wurde, ohne dass sich die Leistung verändert hat. Mindestens verfehlt ist, dass zwischen der Ausflaggung innerhalb der EU und außerhalb der EU keine Unterscheidung getroffen wird. Das ist aus unserer Sicht mit europäischem Recht nicht in Einklang zu bringen und dringend reformbedürftig. Insbesondere deshalb, weil Deutschland nach wie vor den geringsten Anteil an EU-Flaggen in der Handelsflotte hat.
Wie sieht es denn bei Ihnen mit den Gebühren aus?
Molzahn: Gebühren sind nahezu zweitrangig, sofern der Service stimmt. Flaggenstaatgebühren machen in der Regel nur etwa ein Prozent der Schiffsbetriebskosten aus. Für die gesamte Kostenbilanz entscheidend sind die Auswirkungen auf die Betriebskosten, die mit der jeweiligen Flagge verbunden sind. Beispielsweise ob zusätzliche Versicherungen über den normalen P&I-Schutz hinaus geschlossen werden müssen, ob es bestimmte Anforderungen bezüglich Audits und Inspektionen durch den Flaggenstaat gibt, oder ob sich eine Flagge bei der Anzahl der benötigten Zertifikate für Schiff und Crew an das vorgegebene Minimum der IMO hält oder diese Vorgaben erweitert und somit zusätzliche Umsätze generiert.
Bekannt ist die Madeira-Flagge vor allem als Ausflaggungsziel für Frachter. Gehen Sie auch an Kreuzfahrtschiffe heran?
Gundermann: Wir haben schon Kreuzfahrtschiffe im Register und halten die Branche für einen interessanten Zielmarkt. Madeira ist ja nicht nur ein guter Flaggenstaat, sondern auch eine populäre Destination für Kreuzfahrer.
Herr Gundermann, Herr Molzahn, vielen Dank für das Gespräch.
roe/pk/FBi
Exklusiver Dienstleister
MAR (portugiesisch „Meer“) ist das internationale portugiesische Schiffsregister. Es besteht seit 1989. Daneben gibt es das nationale Regis ter, das aber nur eine untergeordnete Rolle spielt. Euromar ist exklusiver Dienst leis ter für den Konzessionär des Registers, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft S.D.M. (Sociedade de Desenvolvimento da Madeira, S.A.). Für Albrecht Gundermann ist Euromar bereits die dritte Schiffsregister-Station. Zuvor arbeitete der 48-Jährige nach Tätigkeiten in der Politik als persönlicher Referent des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf auch im Bereich Schiffsfinanzierung und für das Liberia-Register. 2012 wollte er eigentlich im Auftrag der rumänischen Regierung mit einem Hamburger Büro die Registrierung, Überwachung und Betreuung internationaler Handelsschiffe unter rumänischer Flagge übernehmen. Dafür hatte er das Unternehmen Rifa gegründet. Doch das Projekt scheiterte laut Gundermann, weil sich die Rumänen nicht an Absprachen gehalten hätten. roe/pk/FBi