China sucht Führungsrolle in Welt - "Seidenstraße" als Einbahnstraße?

Die Welt pilgert nach China. "Das Land ist so reich an Schönheit", dichtete einst der Revolutionär Mao Tsetung. "Es bringt zahllose Helden dazu, sich in Ehrerbietung zu verneigen." Die "Helden" der "Neuen Seidenstraße" versammelten sich vor einer riesigen Landschaftsmalerei mit einer roten Sonne und der Kalligraphie dieses Gedichts zum "Familienfoto". Aber weniger die Schönheit als vielmehr die vielen Milliarden aus Chinas Kassen üben die ungeheure Anziehungskraft aus, die 28 Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter aus mehr als 100 Ländern zum Gipfel nach Peking brachte.

Die Zahlen machen schwindelig. Mehr als 100 Milliarden Euro stellte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping allein auf dem Gipfel in Aussicht. 900 Projekte mit einem Volumen von rund 900 Milliarden Euro sind für die ehrgeizige Initiative identifiziert. Insgesamt ist es Chinas Ziel, dass vier Billionen US-Dollar für Wirtschaftskorridore entlang der antiken Handelsstraßen investiert werden: In Häfen, Straßen, Zugstrecken, Pipelines und andere Infrastruktur.

Gerade kleine Länder haben große Hoffnungen. Überhaupt, für viele ist China der "Rettende Engel" oder "Kreditgeber der letzten Instanz". Zwei Drittel der Länder entlang der "Neuen Seidenstraße" sind international nicht gerade kreditwürdig. Auch gibt es gute Gründe, warum internationale Geldgeber bisher nicht in diesen Staaten investiert haben. Doch für das "Jahrhundertprojekt" von Staats- und Parteichef Xi Jinping spielt das vorerst kaum eine Rolle.

Für seinen "chinesischen Traum" einer "Wiederauferstehung" der chinesischen Nation knüpft Xi Jinping an die "goldenen Zeiten" der Tang-Dynastie (618-907) an. Mit mehr als der Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung war China damals eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Supermacht. Großen Anteil daran hatte die mythische "Seidenstraße", die damals von Chang'an (heute Xi'an), der Hauptstadt der Tang-Kaiser, über Zentralasien nach Europa führte.

Anspruch auf Führung

"Der Seidenstraßen-Gipfel soll Chinas Entschlossenheit untermauern, eine konstruktive globale Führungsrolle zu übernehmen und die internationalen Beziehungen nach seinen Vorstellungen zu formen", sagt Jan Gaspers vom China-Institut Mercis in Berlin. Zudem wolle China fragile Nachbarn wie Afghanistan oder Pakistan durch wirtschaftliche Entwicklung politisch stabilisieren. "Investitionen dienen aber auch vermehrt dazu, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu erzeugen, die die Regierung in Peking dann in politische Unterstützung ummünzen kann."

Die Milliarden sind auch nicht unbedingt geschenkt, sondern meist Finanzierungen, die mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Viele Länder könnten da in eine Schuldenfalle tappen. Einige Experten rechnen damit, dass vielleicht 80 Prozent der Geldmittel für Pakistan und 50 bis 60 Prozent bei anderen abgeschrieben werden müssen. "Im Westen nennen wir das Entwicklungshilfe", meint der frühere Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke.

"Die neue Seidenstraße ist eher eine politische Vision", sagt Wuttke. Es gehe um die Sicherung der Nachbarschaft und der Lieferwege für Energie und Material nach China. Er wünschte sich mehr Chancen für ausländische Unternehmen, um Geschäfte in China zu machen. "Ich hoffe, dass es nicht eine Einbahnstraße wird."

Handelsungleichgewicht

Bestes Beispiel seien die Zugverbindungen aus dem Südwesten Chinas bis nach Europa. "Fünf Züge voll mit Fracht verlassen Chongqing nach Duisburg jede Woche, aber nur ein voller Zug kommt zurück." Für eine Milliarde Euro am Tag kaufen die Europäer von den Chinesen, die nur die Hälfte davon aus Europa importieren. Für mehr Handel in Gegenrichtung müsste China aber Marktzugang schaffen.

Hier setzt auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) an, die den Gipfel nutzte, um fairen Wettbewerb anzumahnen. Doch waren die Chinesen nicht gerade zum Zuhören geneigt und legten einfach fertige "gemeinsame" Abschlusserklärungen zum Abnicken vor. So hatten sich die Europäer die "Neue Seidenstraße" nicht vorgestellt. Gemeinsam verweigerten sie ihre Unterschrift unter ein Papier zum Handelsdialog, das parallel zur Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs angenommen werden sollte. Der Grund: China wollte nicht über ihre Anliegen verhandeln.

Warum die Chinesen die Europäer auflaufen ließen, blieb unklar, weil freier Handel und "offene, transparente und nicht diskriminierende Beschaffung" am Ende sogar im Papier der Staats- und Regierungschefs standen. Von einem "Eklat" wollte Zypries nicht sprechen, obwohl sie das Vorgehen schon geärgert hatte. Das Papier tat sie dann ab als so etwas "wie eine gemeinsame Presseerklärung, die dann eben nicht zustande kommt". Ihr Mantra im Umgang mit China ist: "Man muss auch mal sagen, wo die Differenzen sind, und versuchen, sie zu lösen." Überhaupt: "Harmonie und Kleisterei alleine bringen ja gar nichts." (dpa/pk)

Der deutsche Geologe und Geograf Ferdinand von Richthofen gab der alten Handelsroute zwischen China und Europa 1877 den Namen "Seidenstraße". Der Forscher revolutionierte mit den Berichten von seinen Reisen zwischen 1860 und 1872 das Wissen Europas über China. Der Name stammt von einem der wichtigsten Handelsgüter - der Seide, die schon im alten Rom sehr beliebt war.

Der Handel von Asien nach Europa begann vor mehr als 2000 Jahren. Die weite und gefährliche Karawanenreise über Zentralasien dauerte einst mehrere Jahre, auch der Seeweg wurde immer wichtiger für das antike Handelsnetz. Handelsschiffe knüpften im 8. Jahrhundert erste Verbindungen zwischen China und der arabischen Region. Mit der zunehmenden Seefahrt verlor der Landweg langsam an Bedeutung. 

Gehandelt wurde außer mit Seide und anderen Textilien auch mit Gewürzen, Pelzen, Holzarbeiten, Porzellan, Edelsteinen, Jade oder Tee. Die Händler brachten Gold, Silber, Glas, Elfenbein, Wein, Feigen oder Walnüsse zurück. Getauscht wurde auch Gedankengut. So verbreiteten sich Religionen wie Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus oder Hinduismus über die Handelswege. (dpa/pk)

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