Noch einmal tief Brückenluft geschnuppert

Ein letztes Mal auf der Brücke, ein letztes Mal dem Kapitän als „Berater“ zur Seite zu stehen, damit das Schiff sicher im Hamburger Hafen navigiert werden kann: Für den Hafenlotsen Jürgen Kloss ging dieser Wunsch am Montag dieser Woche in Erfüllung.

Das Abschlussschiff für seine Lotsen-Karriere war der 2017 gebaute ConRo-Frachter „Atlantic Sky“ (IMO 9670602) der zur Grimaldi-Group gehörenden Reederei ACL. Jetzt, mit 64 Jahren, will der gebürtige Hamburger sicher in das ruhige Fahrwasser seines ganz persönlichen Lebensmeeres versegeln.

Keine Frage: Jürgen Kloss hat in der Seefahrt seinen Lebensberuf, ja seine Berufung gefunden. Schon früh zog es ihn auf See. Das war bereits sein Ziel, als er noch das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium besuchte, auf dem er auch sein Abitur ablegte. Mit großer Beständigkeit steuerte sein nächstes großes Etappenziel an: den Erwerb des Kapitänspatentes.

Zugegeben, ein Weg, der durchaus fordernd war. Doch 1979 war es so weit. In seiner geliebten Heimatstadt Hamburg, die zu der Zeit noch Deutschlands älteste Seefahrtschule beherbergte – sie wurde 2005 geschlossen – , erwarb er an dieser Seemannsschule sein Kapitänspatent.

Er musterte sogleich bei der bekannten Hamburger Bugsier-Reederei an. Der Traum von der großen, weiten Welt, er ging für Kloss in den kommenden Berufsahrzehnten als Seemann in Erfüllung. Er lernte dabei Länder, Häfen und Städte kennen, die viele seiner ehemaligen Mitschüler aus Kinder- und Jugendtagen, aber auch Freunde und Familie, vielleicht gerade vom Hörensagen, aus Büchern, dem Fernsehen, am wenigsten aber aus persönlichem Erleben kannten.

Die Zeit draußen auf den Weltmeeren war prägend für Kloss. Doch irgendwann kommt auch für den eingefleischtesten Seemann der Zeitpunkt, da der Fernreise-Reiz seine Wirkung verliert und statt seiner der Wunsch nach mehr heimatlicher Nähe in den Vordergrund rückt.

So auch im Fall von Jürgen Kloss, der sich dazu entschlossen hatte, Lotse zu werden. Immerhin: Das ist ein Berufsstand, der im Besonderen auch auf den eigenen Berufserfahrungen als Nautiker aufbaut. Weltgewandtheit, sprachliche Fertigkeiten, Kenntnis vieler unterschiedlicher Menschentypen und Mentalitäten – das alles ist, neben dem reinen „Nautisch-Handwerklichen“ wichtig für die erfolgreiche Ausübung des verantwortungsvollen Lotsenberufes.

Rund 30 Jahre lang übte Kloss den Lotsenberuf aus und begleitete in der Zeit ungezählte Schiffe in einem Revier, das, so sagen es jedenfalls die Lotsen, zu einem der anspruchsvollsten der Welt gehört.

Und jetzt wird ein neuer Lebensabschnitt eingeläutet. Das steht für Jürgen Kloss fest, die Hände in den Schoß zu legen, ist seine Welt nicht. Das Gegenteil wird der Fall sein. Denn neben dem welterfahrenen Nautiker gibt es auch noch den eng mit seiner Heimat verbundenen Menschen Jürgen Kloss. Auf seinem gemütlichen Hof bei Tating auf der Halbinsel Eiderstedt züchtet der Wahl-Schleswig-Holsteiner seit vielen Jahren Haflinger. Dazu gesellen sich noch weitere Tiere.

Das Steuerruder tauscht der passionierte Hobby-Koch und Vater einer Tochter nun gegen den Kutschbock, spannt seine Haflinger vor und erkundet die herbe nordfriesische Küstenlandschaft. Dass er dabei jemals vom Kurs abkommen sollte …Höchst unwahrscheinlich für einen erfahrenen Lotsen.

Für Kapitän Tim Grandorff, Ältermann der Hamburger Hafenlotsen, stellt der Ruhestand des geschätzten Kollegen etwas Besonderes dar. „Durch sein jahrzehntelanges Engagement im Vorstand der Lotsenbrüderschaft hat er maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung der Hafenlotsenbrüderschaft beigetragen. Eine ganze Generation jüngerer Kollegen profitierte darüber hinaus von seinem enormen nautischen Wissen, das er stets bereitwillig weitergab. Dafür wird er nicht nur in der Lotsenbrüderschaft sehr geschätzt. Auch im Hafen kennt man ihn für seine kompetente, zuverlässige und zupackende Art.“

Für die Hafenlotsen in Hamburg stellt der Ruhestand eines so erfahrenen Kollegen schon eine kleine Zäsur dar, räumt Grandorff ein. Die langfristige Nachwuchssicherung wird eine immer schwieriger zu lösende Aufgabe, nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Revieren in Deutschland und vielen anderen Ländern. Aktuell stehen bei der Hafenlotsenbrüderschaft Hamburg 67 Kollegen in Diensten. Ältermann Grandorff: Mit Jürgen Kloss und den vielen Angehörigen seiner Generation, die demnächst bei uns in den wohlverdienten Ruhestand gehen, verliert der Hafen einen unglaublichen Wissensschatz. Das reißt eine große Lücke, zumal junge Nautiker vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen kaum noch für unseren anspruchsvollen Lotsenberuf zu begeistern sind.“

Eine Entwicklung, die keinen Hafen kalt lassen kann. Auch nicht Deutschlands weiterhin größten Seehafen: Hamburg. EHA

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