Größtes Schiff startet ersten Einsatz

Die „Pioneering Spirit“ soll zunächst eine 13.500 Tonnen schwere Plattform aus dem norwegischen Ölfeld „Yme“ abbauen, Foto: Behling

Im Alexiahaven werden im Winter die letzten vier der insgesamt sechzehn Hubwerke installiert, Foto: Behling
In Rotterdam hat jetzt der erste Einsatz des größten Schiffs der Welt begonnen.
Das Offshore-Arbeitsschiff „Pioneering Spirit“ verließ am Wochenende bei Hochwasser ohne Schlepperhilfe seinen Ausrüstungsplatz im Alexiahaven in der Maasvlakte 2. Die erste Etappe der Fahrt des Neubaus führt in ein Seegebiet westlich von Texel. Dort soll in diesen Tagen die abschließende See-Erprobung absolviert werden, teilte die Reederei Allseas mit.
Noch im August soll die 382 Meter lange und 124 Meter breite „Pioneering Spirit“ dann vor Norwegens Südküste mit dem Abbau der ersten Bohrinsel vor Norwegen beginnen. Sechs Jahre nach der Auftragsvergabe beginnt damit der Dienst für den Giganten. Das einzigartige Schiff soll laut Allseas später Plattformen und Bauwerke mit einem Gewicht von bis zu 44.000 Tonnen heben können.
Die „Pioneering Spirit“ soll zunächst eine 13.500 Tonnen schwere Offshore-Plattform aus dem norwegischen Ölfeld „Yme“ demontieren. Es ist ein erster Auftrag, der nur einen Teil der gewaltigen Hubkräfte des Schiffes nutzen soll. Mit einer Vermessung von 403.342 BRZ ist die „Pioneering Spirti“ fünfmal also groß wie die „Color Magic“ oder doppelt so groß wie die heute größten Containerschiffe der Welt.
Für den Abbau kompletter Bohr- und Förderplattformen wurde das in Panama beheimatete Schiff mit gigantischen Hubwerken versehen. 12 der 16 Hubwerke wurden innerhalb des vergangenen Jahres in Rotterdam installiert, sie haben jetzt bei Tests Ende Juli laut Allseas ein Gewicht von 14.700 Tonnen gehoben.
In den nächsten Tagen stehen auf der Nordsee einige Erprobungen auf dem Programm, bevor die „Pioneering Spirit“ in der zweiten Augusthälfte das „Yme“-Ölfeld ansteuert. Nach dem Abbau der Plattform soll das Schiff im September wieder nach Rotterdam zurückkehren. In Europas größtem Hafen hat das Schiff seine Basis im Europort. Im Alexiahaven sollen im Winter die vier letzten Hubwerke installiert werden. Voraussichtlich im Frühjahr wird die „Pioneering Spirit“ zum nächsten Auftrag auslaufen. Das Schiff wird dann die Shell-Plattform „Brent Delta“ abbauen und zur Verwertung in einem Stück an Land bringen.
Der Eigner des Spezialschiffs, die Schweizer Firma Allseas Marine Contractors, hatte die Einheit 2010 bei der koreanischen Daewoo Werft unter der Baunummer 3401 in Auftrag gegeben. Im Januar 2013 kam der Neubau unter dem Namen des Allseas-Gründers „Pieter Schelte“ in Korea zu Wasser. Nach der Ablieferung nahm das Schiff im Herbst 2014 nach einer See-Erprobung Kurs auf Rotterdam, wo es im Januar 2015 eintraf (THB 13. Januar 2015). In Rotterdam waren im Alexiahaven innerhalb eines Jahres weitere Anlagen installiert worden, darunter auch die zwölf Hubwerke. So wurde eine erneute Probefahrt erforderlich.
Nach der Ankunft in Rotterdam entbrannte eine Diskussion über den Namen des Schiffes. Der Taucher und Ingenieur Pieter Schelte war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS der deutschen Armee. 1943 desertierte er zwar und schloss sich dem Widerstand gegen Deutschland an. Angesichts der SS-Vergangenheit des Firmengründers und der heftigen öffentlichen Diskussion in den Niederlanden wurde das Schiff im Februar 2015 in „Pioneering Spirit“ umgetauft (THB 25. Januar 2016). Die Gesamtkosten des Projekts sollen nach unbestätigten Meldungen bei drei Milliarden Dollar liegen.
Die Reederei Allseas hat das Schiff so konstruiert, dass es Förderplattformen, Bohrinseln und auch andere Bauwerke in einem Stück anheben kann. Dabei senkt sich das Schiff um fast 15 Meter ab und kann mit dem Bug und den Hubwerken unter die Plattform fahren. Dann werden die hydraulisch verfahrbaren Hubwerke in Position gebracht und an der Plattform befestigt. Ist das geschehen, werden die Ballasttanks der „Pioneering Spirit“ wieder geleert, das Schiff taucht auf und hebt die Plattform von ihrem Fundament. Mit dem Bauwerk auf dem Bug nimmt die „Pioneering Spirit“ dann Kurs auf den Verwertungsplatz.
Als Antrieb besitzt das Schiff zwölf Ruderpropeller des Typs Rolls-Royce 455 Azimuth Thruster mit jeweils 5500 Kilowatt Leistung. Diese Elektromotoren werden durch Energie versorgt, den neun MAN-Dieselgeneratoren erzeugen. Dabei handelt es sich um acht Motoren des Typs 20V32/44CR mit jeweils 11.200 Kilowatt und einen 9L32/44CR mit 5040 Kilowatt Leistung.
Nach einer Untersuchung der Reederei werden etliche der heute 600 Bohrinseln in der Nordsee bis 2040 zurückgebaut. Davon stehen allein 470 in der Wirtschaftszone Großbritanniens. Diese Aufgabe soll dann die „Pioneering Spirit“ übernehmen. Durch den Abtransport in einem Stück entfällt der aufwendige und auch riskante Rückbau durch Kranschiffe vor Ort auf See. Für den Abtransport einer Plattform benötigt die „Pioneering Spirit“ drei bis vier Wochen und nur ein kurzes Zeitfenster mit gutem Wetter. Der Rückbau durch große Kranschiffe dauert je nach Größe einer Plattform Monate. Besonders die Plattformen, die auf nicht schwimmfähigen Fundamenten stehen, sind sehr teuer beim Rückbau. Mit ihrer Hebekapazität von 44.000 Tonnen kann die „Pioneering Spirit“ im Vergleich zu den größten Kranschiffen der Welt mehr als dreimal so schwere Lasten heben.
Das heute größte Kranschiff der Welt ist die „Thialf“ der niederländischen Reederei Heerema und kann bis zu 14.000 Tonnen heben. Die Reederei hat ebenfalls einen Neubau in Korea bestellt. Das neue Kranschiff „Sleipnir“ soll 2018 in Fahrt kommen und 20.000 Tonnen heben können. FB/fab