Reederei Rickmers stellt Antrag auf Insolvenzverfahren

Die Hamburger Charterreederei Rickmers Group hat am Donnerstag einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht eingereicht.

Das bestätigte ein Sprecher der Reederei. Der Insolvenzantrag war notwendig geworden, nachdem die HSH Nordbank am Vortag dem Sanierungskonzept für das Unternehmen die Unterstützung verweigert hatte. Der Vorstand der Bank hielt die Pläne für nicht tragfähig. Dar aufhin war das Konzept hinfällig und keine positive Prognose für die Reederei mehr möglich. Rickmers strebt nun eine Insolvenz in Eigenverwaltung an und will den Geschäfts- und Schiffsbetrieb fortführen. Die Gläubiger der 275-Millionen-Euro-Anleihe der Rickmers Group kamen unterdessen in Hamburg zusammen, um einen gemeinsamen Vertreter zu bestimmen. Die ursprünglich geplante Abstimmung über das Sanierungskonzept war mit der Absage der HSH Nordbank hinfällig. Die Entscheidung der Banken über das Sanierungskonzept war ursprünglich im Laufe dieses Monats erwartet worden. Rickmers selbst nennt die HSH-Nordbank-Absage unmittelbar vor der Gläubigerversammlung überraschend. Es war jedoch klar, dass die Zustimmung der Banken keineswegs sicher ist. Neben der HSH Nordbank gehören auch die Unicredit, die Deutsche Bank, die Nord/LB und weitere Institute zum Gläubigerkreis der Reederei Rickmers.

Auch die Zustimmung der Anleiheinvestoren zum Sanierungsplan schien im Vorfeld der Versammlung äußerst fraglich. Der erste Versuch seitens Rickmers, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, war gescheitert, weil sich an einer schriftlichen Abstimmung Anfang Mai lediglich 17,4 Prozent der Anleihe-Gläubiger beteiligt hatten und damit nicht das notwendige Quorum erreicht wurde. Im zweiten und letzten Versuch hätten auf der Präsenzveranstaltung mindesten 25 Prozent der Anleihegläubiger vertreten sein und dem Sanierungskonzept mit einer Mehrheit von 75 Prozent zustimmen müssen. Rickmers hatte bis zum Anmeldeschluss für die Versammlung die Investoren zweimal öffentlich aufgerufen, sich für die nicht öffentliche Veranstaltung anzumelden. Die Stimmungslage in der Branche spiegelte sich auch in der Frage der Woche des THB wider: 72 Prozent der THB-Leser vertraten in der Abstimmung vergangene Woche die Meinung, dass die Gläubiger der Rickmers-Anleihe dem Plan nicht zustimmen werden.

Anlegervertreter hatten im Vorfeld den Sanierungsplan aus mehreren Gründen kritisiert. Moniert wurden bereits vor der ersten Abstimmung eine „unverhältnismäßige Belastung“ der Anleihegläubiger, ein unzureichender Sanierungsbeitrag des bisherigen Alleingesellschafters der Reederei, Bertram Rickmers, und der unklar bleibende Sanierungsbeitrag der Banken (THB 3. Mai 2017).

Rickmers hatte das vergangene Geschäftsjahr mit einem Verlust von 341 Millionen Euro abgeschlossen, die Schulden liegen bei rund 1,5 Milliarden Euro.

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) reagierte enttäuscht auf die angekündigte Insolvenz der Rickmers Group. „Für den maritimen Standort Hamburg ist das natürlich sehr bedauerlich“, sagte Horch gestern dem Sender NDR 90,3. „Wir sind jetzt jahrelang schon auf einem Weg, dass wir viel maritime Kompetenz und viel maritime Aktivität verlieren.“ Er hoffe, dass für die Mitarbeiter ein Weg gefunden werde und dass der maritime Standort Hamburg „keinerlei weitere relevante Schwächungen“ mehr erfahre.

Die veränderte Entscheidung seitens der HSH Nordbank wirft viele Fragen auf, befindet Michael Kruse, parlamentarischer Geschäftsführer und wirtschaftspolitische Sprecher der Hamburger FDP-Fraktion. Sie lege den Verdacht nahe, dass die Bank nicht länger in der Lage sei, temporäre Einbußen aus langfristig angelegten Sanierungskonzepten hinzunehmen. Vielmehr müsse die HSH Nordbank mittlerweile „genau auf die Auswirkungen von Sanierungskonzepten auf ihre eigene Liquiditätsposition achten“, so Kruse. Die Entscheidung des Bankvorstandes habe große Auswirkungen auf die Auszahlungen aus der Ländergarantie. „Um den konkreten Einfluss auf die Vermögensposition der Länder zu beleuchten, meldet die FDP-Fraktion die HSH Nordbank zur Befassung im nächsten Ausschuss für öffentliche Unternehmen am 20. Juni an“, sagte Kruse. Die angekündigte Rickmers-Insolvenz sei ein weiterer schwerer Rückschlag für den Hafenstandort Hamburg. fab/lno

Hintergrund: Die Reederei Rickmers

Die Rickmers Group wurde von Bertram Rickmers 1996 gegründet.Zuvor hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Erck Rickmers das Investmenthaus Nordcapital geführt. Beide stammen in fünfter Generation aus einer traditionsreichen Familie von Reedern, Händlern und Schiffbauern, die seit mehr als 180 Jahren in Bremerhaven und Hamburg ihre Spuren hinterlassen hat. Stammvater war der Fischersohn Rickmer Clasen Rickmers, der 1807 auf Helgoland geboren wurde und 1834 in Bremerhaven eine Werft gründete.

Der 1896 gebaute Dreimaster „Rickmer Rickmers“, der als Museumsschiff im Hamburger Hafen liegt, ist nach seinem Enkel benannt. Er gehört einer Stiftung.

Ende 2016 hatte die Rickmers Group 114 eigene und fremde Schiffe unter ihrem Management und war in 13 Ländern mit 16 Standorten präsent. Neben zahlreichen technischen und finanziellen Dienstleistungen gehörte mit der Rickmers-Linie auch eine eigene Linienreederei für Stückgut, Schwergut und Projektladung zum Konzern, die inzwischen jedoch an die Bremer Zeaborn Gruppe aus dem Zech-Konzern veräußert wurde (THB 13. Februar 2017). Um sich von der defizitären Linienreederei zu trennen, musste die Rickmers Group sogar noch einen einstelligen Millionenbetrag hinzuzahlen.

Den in Singapur gegründeten Trust hatte Rickmers im vergangenen Jahr von der Unternehmensgruppe vollständig getrennt. Auch für den Rickmers Trust war eine Sanierung an mangelnder Zustimmung gescheitert. Der Gesellschaft bleibt nur noch die Abwicklung. Navios aus Grichenland hat sich die gesamte Containerschiffflotte des Unternehmens gesichert (THB 24. April 2017).
Der Versuch, die Rickmers Group mit Erck Rickmers Reederei E.R. Schiffahrt zu verschmelzen, war 2016 gescheitert. fab/lno

Von Wolfhart Fabarius

Auch wenn Rickmers von einer überraschenden Entscheidung der HSH spricht, den Sanierungsplan nicht mehr zu stützen – unerwartet kommt der Insolvenzantrag nicht. Über die Hintergründe lässt sich nur spekulieren. Stand die HSH tatsächlich nicht mehr hinter dem Termsheet, das sie mit den anderen Instituten ausgehandelt hatte? Zog sie die Notbremse, weil von den Anleihe investoren ohnehin keine Zustimmung zu erwarten war? Oder ist es der tiefere Blick auf Belastungen in den eigenen Büchern? Über Kunden wolle man sich nicht äußern, so der HSH-Vorstand bei der jüngsten Bilanzvorlage auf Nachfragen zur Fehlentwicklung bei Rickmers, verbunden mit dem Nachsatz, dass man manche Finanzierungen lieber gelassen hätte. Eine späte Erkenntnis – und teuer für die Steuerzahler.

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