„Norden kann jetzt dichter zusammenrücken“

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am Dienstag formell den Weg für eine Weiterführung des aus dänischer Sicht als Jahrhundertprojekt eingestuften „Fehmarnbelttunnels“ freigemacht.

Das Leipziger Gericht wies sechs Klagen gegen den geplanten Bau des Ostseetunnels zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland ab. Damit kann das umstrittene Milliardenprojekt jetzt auch auf deutscher Seite weiter verfolgt werden. Der Planfeststellungsbeschluss habe der Überprüfung standgehalten, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier bei der Urteilsbegründung. Auf deutscher Seite war der Planfeststellungsbeschluss am 31. Januar 2019 von der zuständigen Planfeststellungsbehörde in Schleswig-Holstein erlassen worden.

Gegen das im Besonderen von Dänemark vorangetriebene Milliardenprojekt hatten unter anderem Naturschützer und mehrere Fährunternehmen geklagt (Az.: BVerwG 9 A 7.19 u.a.). Gegner protestierten noch am Dienstag vor der Urteilsverkündung in Leipzig gegen den Bau des Tunnels.

Im September und Oktober dieses Jahres hatten die Leipziger Richter mehrere Klagen verhandelt. Gegner zweifelten die Verkehrsprognosen für den Auto- und Eisenbahntunnel an und rügten, dass Umweltauswirkungen – etwa auf Schweinswale und Riffe – nicht korrekt eingeschätzt worden seien.

Das 18 Kilometer lange, als sogenannter Absenktunnel für Autos, Lkw und Bahnzüge konzipierte Bauwerk stellt aktuell eines der größten Verkehrsinfrastruktur-Vorhaben in Europa dar. Nach bisheriger Planung sollte der Tunnel voraussichtlich von 2029 an Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland miteinander verbinden.

Dänemark wird den auf eigene Kosten von geschätzt 7,1 Milliarden Euro Tunnel planen, bauen und betreiben. Die Bauzeit soll insgesamt sechseinhalb Jahre betragen. In Dänemark besteht seit 2015 Baurecht. Deutschland muss für die Kosten der Straßen- und Schienenanbindung auf schleswig-holsteinischer Seite in Höhe von 3,5 Milliarden Euro aufkommen. Darin enthalten ist auch ein Risikopuffer von 1,1 Milliarden Euro.

In dem aktuellen Verfahren geht es aber nur um den deutschen Abschnitt des Ostseetunnels. Die deutsche Hinterlandanbindung ist Gegenstand gesonderter Genehmigungsverfahren. Mehrere Gemeinden verlangen einen besseren Lärmschutz.

Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz (FDP) ist erleichtert: „Das ist ein großer Tag für Schleswig-Holstein und unsere dänischen Nachbarn.“ Mit dem 3. November 2020 sei eine wichtige Weichenstellung dafür getan, dass die boomenden Regionen Kopenhagen-Malmö und Hamburg dichter zusammenrücken könnten. Kein vergleichbares Projekt wurde nach seiner Einschätzung „so intensiv und umfangreich untersucht wie dieses. Der Umfang des Planfeststellungsbeschlusses sowie der Umfang der von den Klägern auf 4000 Seiten vorgebrachten Klagepunkte zuzüglich eines intensiven Schriftwechsels stellten eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar“, führte er weiter aus.

Søren Poulsgaard Jensen, CEO der Reederei Scandlines, die sich seit Jahren gegen das Bauvorhaben unter Hinweis auf ein gut funktionierendes Fährverkehrssystem ausgesprochen hatte, erklärte im Anschluss an die Entscheidung in Leipzig unter anderem: „Wir sind erleichtert, dass das große und bürokratische Verfahren nun zu Ende geht. Wir sehen nun der schriftlichen Urteilsbegründung durch das Bundesverwaltungsgericht entgegen.“ Dieses werde in spätestens fünf Monaten vorliegen, erwartet die Reederei.

Poulsgaard Jensen betonte auch, dass das von ihm geführte Unternehmen erwartet, dass weiterhin „eine gleichberechtigte straßenseitige Anbindung des Fährhafens in Puttgarden“ gebaut wird. Die bislang geplante Anbindung sei für die Reederei aber „nur eine marginale Anpassung“ und stelle weiterhin eine signifikante Herabstufung im Vergleich zu der aktuellen Anbindung dar. Scandlines könne diese Lösung daher nicht akzeptieren.

„Mit großer Erleichterung“ haben die IHK Schleswig-Holstein und die Wirtschaft im nördlichsten Bundesland die höchstrichterliche Entscheidung über den Bau des deutschen Teils der Fehmarnbelt-Querung aufgenommen. „Endlich kann das wichtigste Infrastrukturvorhaben in Norddeutschland mit den erwarteten positiven Ausstrahlungseffekten auf Skandinavien und ganz Europa uneingeschränkt starten“, stellte IHK- Schleswig-Holstein-Präsidentin Friederike C. Kühn nach Bekanntwerden der Entscheidung der Leipziger Richter fest.

Auch die Handelskammer Hamburg „begrüßt“ die Entscheidung zu Leipzig. Willem van der Schalk, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, sagte weiter: „Für eine enge Kooperation mit unseren nördlichen Nachbarn sind gut ausgebaute Schienen- und Straßenanbindungen allerdings ebenfalls unabdingbar.“ EHA/dpa

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