Noch mehr Konflikte um die Ressource Wasser

Wasser, wohin das Auge blickt: Norwegen gehört in Europa weiterhin zu den wasserreichsten Ländern, Foto: Arndt

Der Autor des Artikels: Ludolf Baron von Löwenstern, Foto: privat
Viele Konflikte im 21. Jahrhundert drehen sich um knapper werdende Rohstoffe. Wasser ist einer davon. Eine steigende Weltbevölkerung, steigende Lebenserwartung und steigender Wohlstand ziehen eine Verdoppelung des weltweiten Wasserverbrauches bis 2050 nach sich, so die Einschätzungen. Weltweit liegt in über 90 Prozent die Wasserversorgung direkt oder indirekt in öffentlicher Hand. Der Handlungsbedarf ist als dringend zu bezeichnen, da die Folgen des Klimawandels die Wassersituation in den kommenden Jahrzehnten drastisch verschärfen wird.
Für viele ist Wasser längst zu einem Lifestyleprodukt avanciert. Die Konsumenten kaufen Wasser, das bei Mondschein abgefüllt, mit Vitaminen versetzt oder in den entferntesten Regionen dieser Erde gewonnen wird, weil es uns gesundheitliches oder spirituelles Heil verspricht. Die Nachfrage nach in Flaschen abgefülltem Wasser ist sprunghaft gestiegen – nicht nur in den industrialisierten Ländern Westeuropas, sondern auch in den Entwicklungsländern. Damit ist Wasser bereits heute der bedeutendste Rohstoff der Welt. Und seine Bedeutung wird weiter zunehmen!
Mit rund 80 Prozent hat die Landwirtschaft den größten Anteil am weltweiten Wasserverbrauch. Bio-Energie und Bio-Kraftstoffe haben die Nachfrage noch gewaltig gesteigert. Wasser versorgt uns nicht zuletzt mit Energie. Kein Rohstoff ist so bedeutend, nicht einmal das Rohöl. In der einen Weltregion ist Wasser knapp; in der anderen gibt es das Nass im Überfluss. Es werden bereits Kriege darum geführt – woanders wird es verschwendet.
Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Trotzdem haben etwa 2,6 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu einer organisierten Wasserver- und -entsorgung. 95 Prozent der Städte weltweit haben keine geregelte Abwasserentsorgung, wie wir sie in Deutschland kennen. Doch auch in diesem hochentwickelten Land ist die Verschwendung von Wasser immer noch groß: Experten schätzen, dass auch in den entwickelten Ländern sage und schreibe die Hälfte des eingesetzten Wassers im Versorgungsnetz verloren geht. In Deutschland liegt der Anteil „nur“ zwischen 5 und 10 Prozent, in Spanien sind es schon 25 Prozent und allein in London versickern täglich 800 Millionen Liter durch Lecks im Leitungssystem.
In Deutschland ist das Wasserrohr- und Kanalisationsnetz so lang, dass es die Erde 13 Mal umwickeln könnte.
Hinzu kommen zunehmende Rekord-Dürren wie zum Beispiel in Kalifornien oder Kapstadt, gewaltige Ernteausfälle aufgrund trockener Sommer wie zum Beispiel in Europa oder andere Umwelt- und Klimaveränderungen wie zum Beispiel in Syrien, Tschadsee-Region oder Mali, die bestehende Konfliktdynamiken bereits verschärft haben.
Bei höheren Temperaturen verdunstet Wasser auch schneller. Weltweit steigt das Wasserangebot und -nachfrage. Die Nachfrage aufgrund des Bevölkerungswachstums, denn mehr Menschen brauchen nun mal mehr Wasser, sei es zum Trinken, Kochen, Waschen und für die Landwirtschaft, um genügend Nahrung zu produzieren.
Der Zugang zum „blauen Gold“ erzeugt schon heute Konflikte, die sich mit dem Bevölkerungswachstum und dem Klimawandel vervielfachen werden. Wasser hat in den letzten 60 Jahren bei 37 Kriegen eine entscheidende Rolle gespielt. Bis ins Jahr 2030 wird es – so die Schätzung – zwei Drittel der Weltbevölkerung an Wasser fehlen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Konflikte im 21. Jahrhundert um Rohstoffe drehen werden und insbesondere um das blaue Gold „Wasser“, das überall knapper wird.
Es stellt sich damit also immer drängender die Notwendigkeit nach dem übergreifenden geopolitischen und geostrategischen Masterplan seitens der Regierungen zur Lösung einer möglichen globalen Wasserkrise. Und das müsste alles geschehen. Erstens: Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser ist nötig und wenn gewollt möglich. Zweitens: Zugang zu Wasser schaffen und gleichzeitig für ein effizientes Ressourcenmanagement sorgen, um die Wasserkrise zu bekämpfen. Erste Ansätze gibt es bereits: Mit dem integrierten Wasserressourcenmanagement (IWRM) wollen Staaten gewährleisten, dass oberirdische Gewässer, Grundwasserleiter und Küstengewässer nachhaltig bewirtschaftet und damit schonend genutzt werden. Drittens: Eine direkte Verbindung zwischen Europa und den weltweiten Wasserkrisen erscheint zwar nicht offensichtlich, aber es gibt sie. Staaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande sind nicht nur in hohem Maße von den globalen Wasserreserven abhängig, sie verstärken den Wassernotstand in den ohnehin schon trockenen Regionen durch den Import wasserintensiver Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao, Tomaten, Blumen und so weiter.
Mittlerweile ist also der akute Wassermangel schon längst nicht mehr nur das Problem weniger Regionen, sondern dieses Thema geht alle Europäer etwas an. EHA
Ludolf Baron von Löwenstern ist ein Familienunternehmer. Zudem ist er Co-Founder des European Strategic Institutes (Analysen & Think Tank), Mitglied des Wirtschaftsrats der CDU. Als Kapitän zur See der Reserve ist er Sonderbeauftragter beim Stellvertreter des Inspekteurs der Marine und Befehlshaber der Flotte und Unterstützungskräfte. Er fungiert ehrenamtlich unter anderem im DMI Deutsches Maritimes Institut als Experte. Er wirkt zudem für die Alsterdorfer Stiftung und ist in mehreren Unternehmensbeiräten vertreten. Der maritime Experte hat diverse Bücher, Studien, Trendreports und Beiträge verfasst.