Liebherr plant Musterbetrieb in Hamburg

iebherr-Leistungspalette: Der 2010 gebaute Schwergutfrachter „Palanpur“, inzwischen als „Amoenitas“ für SAL im Einsatz, im Hafen Rostock. Zur Ausrüstung gehören zwei 450-Tonnen-Schwergutkrane. Der Carrier nimmt am Liebherr-Werk Hafenmobilkrane an Bord (Foto: Arndt)

Expansionsfläche: Im Kuhwerder Hafen hat sich Liebherr ein 44.000 Quadratmeter großes Areal gesichert (Kreis) (Foto: Arndt)
Der Industriekonzern Liebherr-Gruppe verfolgt ehrgeizige Wachstumsziele im größten deutschen Seehafen.
Das gab Jörg Schmidt, Geschäftsführer der Liebherr-Nenzing Service GmbH, jetzt in Hamburg im Rahmen des 10. Themenabends des ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (SPC) vor rund 100 Teilnehmern bekannt.
Mit dem Stammsitz Bulle in der Schweiz sind aktuell unter der Dachmarke Liebherr mehr als 130 Einzelgesellschaften vereint. Der weiter inhabergeführte, 1949 gegründete Konzern kommt mit seinen weltweit gut 42.000 Mitarbeitern auf einen Gruppenumsatz von mehr als neun Milliarden Euro.
In Hamburg will der Konzern im Bereich des ehemaligen Mittleren Freihafens einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in ein neues Servicezentrum investieren (THB 21. April 2017). Damit soll dort ein Musterbetrieb als Ergänzung zu der bereits seit mehreren Jahren bestehenden Niederlassung im Süden des Stadtstaates entstehen. Der erste Spatenstich für das neue Zentrum ist noch für den Herbst dieses Jahres geplant. Die erste Ausbaustufe ist für das Frühjahr 2019 im Kuhwerder Hafen (Steinwerder-Süd) vorgesehen. Eine Kernaufgabe dieser Einrichtung: Alle weltweit eingesetzten Liebherr-Großgeräte, die technisch umfangreicher betreut werden müssen, sollen künftig nach Hamburg transportiert und dort servicetechnisch begleitet werden.
Lieferung per Schiff möglich
Das Besondere an diesem Standort mitten im Hafen: Die Komponenten können direkt per Seeschiff herangeführt und ebenso wieder abtransportiert werden. Dies macht im Übrigen auch den Erfolg des seit 2005 betriebenen Produktionswerkes in Rostock aus.
Liebherr hat in Hamburg ein Grundstück von 44.000 Quadratmetern von der Hamburg Port Authority (HPA) langfristig gepachtet. Außer der großzügigen Servicewerkstatt wird auch ein neues Verwaltungsgebäude errichtet. Die Belegschaft von aktuell rund 90 Mitarbeitern wird sich nach Einschätzung des Unternehmens in relativ kurzer Zeit bei rund 150 Beschäftigten einpendeln.
Liebherrs Investition fällt zeitlich mit der umfangreichen Neugestaltung des ehemaligen Mittleren Freihafens zusammen, nachdem zuletzt das Umschlagunternehmen BHT (Buss Hansa Terminal) seinen Standort am Travehafen geschlossen hatte, weil der Pachtvertrag ausgelaufen war. Anfang dieses Jahres startete die HPA ein internationales Markterkundungsverfahren mit dem Ziel, neue Investoren für den Bereich Steinwerder zu gewinnen. Die Ergebnisse sollen nach THB-Informationen Mitte Juni vorgestellt werden. HPA und der Hamburger Senat wollen, dass sich in diesem exponierten Teil des Hafens außer dem klassischen Umschlag vor allem hafenaffine Industrieunternehmen ansiedeln, die die Lage am seeschifftiefen Wasser benötigen. Ein Unternehmen wie Liebherr passt damit aus Sicht des Senats ideal in dieses Anforderungsmuster.
Blohm+Voss gibt Betriebsfläche auf
Interessant ist das Liebherr-Engagement nach Einschätzung von Marktbeobachtern noch vor dem Hintergrund einer anderen aktuellen Entwicklung: Die Werft Blohm + Voss, seit Herbst 2016 Teil der Lürssen-Gruppe, will einen Teil ihrer großen Betriebsfläche aufgeben, weil in Zukunft die Fertigungstiefe vor Ort reduziert wird. Dabei grenzen die Werftflächen auch an jene, die sich jetzt Liebherr für seine eigenen Pläne gesichert hat.
Der Industriekonzern setzt auf ein breit gefächertes Angebot an Techniklösungen für die unterschiedlichsten Bereiche: von hochwertiger Technik für die Luftfahrtindustrie über Haushaltsgeräte („weiße Ware“) bis hin zu Baumaschinen, Hafenumschlag und Schiffskranen reicht das Spektrum. Wichtig für das Unternehmen: eine durchweg hohe Fertigungstiefe, was ausdrücklich IT-Komponenten mit einbezieht.
Werner Gonsior, Verkaufsleiter Deutschland der Liebherr-Nenzing Service GmbH für den Bereich Hafenmobilkrane und Reach-Stacker, ging in seinen Ausführungen auf diese Produktlinie ein. Zu den Erfolgsprodukten zählt er dabei die Hafenmobilkrane, die in den zurückliegenden Jahren immer leistungsstärker wurden. Liebherr-Spitzenprodukt ist dabei aktuell der LHM 800, der für eine maximale Traglast von 308 Tonnen ausgelegt ist. Hafenmobilkrane erfreuten sich auch deshalb einer wachsenden Beliebtheit, weil sie den Terminal-Betreibern sehr viel Flexibilität böten, so Gonsior. So könnten beispielsweise Tragleistungen dadurch gesteigert werden, dass zwei Krane im Tandemhub gleichzeitig bedient werden. Das Besondere daran: Liebherr hat inzwischen IT-Strukturen entwickelt, die den Kranführer in seiner verantwortungsvollen Arbeit umfassend unterstützen und damit im Wortsinne entlasten. Das technische Zauberwort dazu lautet: „Sycratronic“ – ein Assistenzsystem, das die synchronisierte Bedienung zweier Liebherr-Hafenmobilkrane im Tandembetrieb ermöglicht.
Gedrosselte Antriebe
Und auch das zeichnet die Hafenmobilkrane aus: Ihre Antriebsmotoren sind sehr genügsam und werden zudem intelligent gesteuert. Im Wartemodus wird der Antrieb auf Sparfunktion gedrosselt, bei Lastbetrieb in Sekundenschnelle wieder hochgefahren. Das stärkt nicht nur die Wirtschaftlichkeit des Krans, sondern kommt auch der Umwelt zugute. Denn weniger Kraftstoff heißt auch weniger Emissionen. Außer den klassischen, weit verbreiteten Verbrennungsmotoren sind dabei auch E-Antriebskonzepte für Hafenmobilkrane vorhanden. Optionen, über die die Auftraggeber vor dem Hintergrund der geplanten Einsatzprofile zu entscheiden haben. Die Hafenmobilkrane sind zudem für ein breites Klimaspektrum ausgelegt, von Einsätzen bei minus 40 Grad bis hin zu 85 Grad plus. Interessant ist für Hafenbetreiber auch die Entwicklung „Liebherr Smart Grip“. Eine Lösung, die auf den Greifer einsatz zugeschnitten ist, für den besondere Anforderungen gelten. Erfolgreich ist das Unternehmen auch mit Containerbrücken. Auf dem Weltmarkt ist die Firmengruppe in diesem Marktsegment die Nummer zwei. Auf Jahresbasis werden zwischen 40 und 45 Umschlagbrücken gefertigt, und zwar in einem Werk in Irland. Im Hamburger Hafen setzt Liebherr derzeit einen Auftrag für die HHLA um: drei neue Brücken für den Container Terminal Tollerort (CTT). EHA