BLG-HV ohne Senator

Wenn ein mehrheitlich einem Stadtstaat gehörendes Unternehmen seine Hauptversammlung (HV) abhält, dann spielt Politik, und sei es nur im Hintergrund, immer eine gewisse Rolle.

So auch bei der jüngsten „HV“ der BLG Logistics Group in Bremen. Ein Unternehmen, mit dessen Entwicklung und Geschichte weiterhin viele Menschen im Zwei-Häfen-Stadtstaat nicht nur vertraut, sondern auch von ihr direkt betroffen sind. Das Unternehmen gilt weiterhin als ein guter Arbeitgeber.

Die aktuelle HV fand in diesem Jahr im Grunde genommen zum falschen Zeitpunkt statt. Denn knapp zwei Wochen zuvor war die Bremer Stadtstatik im Zuge der Bürgerschaftswahl grundlegend erschüttert worden: Nach mehr als 70 Jahren an der politischen Spitze hatte die quasi auf den Bürgermeister abonnierte SPD in der Wählergunst massiv verloren. Sie rutschte hinsichtlich der Stimmen auf Platz zwei ab – nach der CDU, aber noch knapp vor den Grünen. Inzwischen wissen wir: Nicht die CDU darf über einen künftigen Senat verhandeln, sondern es sind die SPD mit den potenziellen Partnern, den Grünen und – ein Novum – der Linken. Die Verhandlungen über „Rot-Grün-Rot“ begannen just am Tag der HV 2019. Was sie hervorbringen werden, wird auch außerhalb von Bremen mit einiger Spannung erwartet.

Die große Politik im Hintergrund im kleinen Bremen – das zeigte dann doch Wirkung, nämlich diese: So blieb der seit fast zehn Jahren als Häfen- und Wirtschaftssenator wirkende SPD-Mann Martin Günthner der HV fern, da er zur selben Zeit am Auftakt der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken teilnahm. Für BLG-Vorstandschef Frank Dreeke war damit klar: Keine Forderungen in Richtung Politik, weil man nicht weiß, mit wem man sich als stadteigener Konzern künftig im Rathaus zu arrangieren hat.

Die Politik des Landes ist für das einstige Umschlag- und heutige Logistikunternehmen nach wie vor eine wichtige Größe. Auch wenn BLG-Vorstand Frank Dreeke in der Hauptversammlung mehrfach die Unabhängigkeit des Konzerns vom Mehrheitseigner Bremen betonte, ist die „Bremer Lagerhaus-Gesellschaft“ immer noch das einflussreichste Unternehmen im Zwei-Städte-Staat. Daran ändert sich auch nichts, dass Dreeke längst andere Betätigungsfelder als den Hafenumschlag als wichtig für sein Unternehmen reklamiert: „Die Kontraktlogistik ist unser stärkster Geschäftsbereich sowohl in den Umsätzen als auch in den Erlösen“, betonte Dreeke in seinem Referat über das Geschäftsjahr 2018.

Ganz sorgenfrei ist die Kontraktlogistik aber nicht, berichtete Dreeke eher beiläufig. In den USA bleibt das Geschäft mit einem Großkunden aus der Automobilbranche weit hinter dessen Ankündigungen zurück. Die BLG hält aber still, man sei mit dem Kunden ansonsten weltweit im Geschäft und sehr zufrieden. Auf die besonderen Risiken und Probleme sowohl im Containerumschlag als auch in der Automobillogistik machte Dreeke da schon deutlicher aufmerksam. Die Containersparte befindet sich in einer „anhaltenden Seitwärtsbewegung“, wie Stillstand mit leichter Abwärtstendenz in der Aktionärssprache heißt. Die Automobildrehscheibe Bremerhaven dreht sich zwar nach wie vor schnell. Aber dass die Terminalflächen zum Dauerlager für die Automobilindustrie werden, die ihre Neufahrzeuge nur schleppend durch die neuen Genehmigungs- und Zulassungsverfahren bekommt, engt zunehmend den Bewegungsraum für die BLG-Autologistiker ein.

Dass solche Entwicklungen im Gegensatz zu den Hauptversammlungen anderer Unternehmen bei der BLG nicht zu hitzigen Debatten der Aktionäre mit dem Vorstand führen, liegt an der traditionell kühlen Atmosphäre der Bremer Veranstaltung. Die klassischen Vorstandskritiker aus den Kleinanleger-Schutzgemeinschaften – in Bremen kamen nur zwei zu Wort – verkündeten neben den pflichtgemäß kritischen Worten nur ihre Zustimmung zu den Beschlussvorschlägen.

Allein der aus Bremerhaven stammende Finanzunternehmer Bernd Günther, seit 49 Jahren BLG-Aktionär, machte seinem Unmut Luft. Die BLG sei „eine lahme Börsenente“ schimpfte Günther über den wenig dynamischen Aktienkurs. Aber, so lenkte er ein, der Gewinn der BLG käme ja dem Land Bremen zugute, dann sei das akzeptabel.

Im Gegensatz zu Häfen- und Wirtschaftssenator Martin Günthner hatte sich die Grünen-Politikerin Karoline Linnert für den Besuch der Hauptversammlung und gegen die Teilnahme an den Koalitionsverhandlungen entschieden. Nachdem die Grünen bereits vor Jahrzehnten den Turnschuh auch bei offiziellen Anlässen salonfähig gemacht haben, dürfte Linnert von einem Appell Dreekes begeistert gewesen sein. „Tragen Sie Turnschuhe“, gab er den Aktionären als Pflicht für die Hauptversammlung 2020 mit auf den Weg, „und zwar von Puma“. Der Sportartikelhersteller ist jüngster Kontraktlogistik-Großkunde, für den die BLG die komplette Multichannel-Logistik übernimmt. Das soll sich bereits im kommenden Geschäftsbericht positiv bei Umsatz und Gewinn bemerkbar machen. WH/EHA

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