Auch die maritime Wirtschaft braucht Visionäre

Was wäre die Menschheit ohne Visionäre? Eine Antwort auf diese Frage könnte vielleicht so lauten: nichts. Denn erst Visionäre sind die „Treiber“ von Entwicklungen.

Als Visionär gilt ein Mensch, der dank seiner Ausbildung, seines großen Wissens und seines besonderen Denkvermögens dazu befähigt ist, „Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln“.

Der große französische Reeder Jacques Saadé, der im Frühsommer 2018 im Alter von 81 Jahren verstarb, gilt als ein solcher „Visionär“. Sein Lebenswerk ist nicht nur die von Marseille aus geführte Reederei CMA CGM, inzwischen die Nummer drei unter den führenden Containerreedereien, sondern auch die Einsicht, dass der Verkehrsträger Seeschiff in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zum weltweiten Klimaschutz zu leisten hat. Das anerkannt zu haben, veranlasste den maritimen Macher beizeiten dazu, das von ihm geführte Unternehmen zielstrebig so weiter zu entwickeln, dass es seine weltumspannenden Aktivitäten eines Tages klimaneutral entfalten kann. Die Reederei nennt als Zieldatum das Jahr 2050.

Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Erfüllung dieser Vision ist die Umstellung der eigenen Flotte auf neue, saubere Antriebstechnologien. Es war besagtem Jacques Saadé dabei nur ansatzweise vergönnt, diese Neuausrichtung noch erleben zu dürfen.

Dafür konnte und kann die maritime Welt das Ergebnis dieser Unternehmenspolitik jetzt eindrucksvoll erleben. Die neue, „grünere“ Zukunft – die Schiffsrümpfe der Neubauten sind bezeichnenderweise grün lackiert – durchpflügt das „Blauwasser“.

Das neue Flaggschiff der Reederei CMA CGM führt nicht nur den Namen des französischen Reeder-Visionärs. Es läutet zudem die neue Schiffs-Generation in dem Unternehmen ein. Wie das Flagg- und Typschiff werden auch die jetzt nacheinander folgenden Schwesterschiffe gigantische 23.000 TEU transportieren können und alle mit LNG-gespeisten Hauptmaschinen fahren. Flüssigerdgas, davon ist die Reederei überzeugt, ist für die kommenden Jahre der zukunftsweisende Treibstoff – wissend, dass derzeit weltweit an noch saubereren Kraftstoffen und auch Antriebskonzepten gearbeitet wird. Auch dafür gibt es Visionäre, die daran fest glauben.

Viel Vorstellungskraft wird indes auch in einem anderen Bereich der maritimen Wirtschaft benötigt. Es geht um die Betreiber der großen Terminals, an denen Containerschiffe im Rahmen von komplexen Umschlag- und Logistik-Abläufen punktgenau abgefertigt werden. Die Unternehmen haben in den zurückliegenden Jahren umfassend investiert, um mit der schiffstechnischen Entwicklung Schritt zu halten.

Gleichzeitig erleben sie, wie die Anzahl der Reedereien weltweit seit über 20 Jahren beständig abnimmt. Aus vielen Gründen. Jeder weitere Konzentrationsschritt auf der Reederseite führt dazu, dass der Wettbewerb auf der Seite der Terminal-Dienstleister und damit automatisch auch der Hafenstandorte weiter zunimmt. In der vergangenen Woche führte das dazu, dass einer der Großen unter den deutschen Hafendienstleistern, die Eurogate-Gruppe, so etwas wie eine Notrakete abfeuerte. Klartext statt hanseatischer Zurückhaltung vom Firmen-Management: 23 Millionen Euro Verluste bis Ende September für die Gruppe, „schmerzhafte Einschnitte“ oder auch „nächste Monate“, in den sich „die Zukunft“ des Unternehmens entscheide. 84 Millionen Euro gelte es dauerhaft einzusparen.

Arbeitsplätze stehen zur Disposition. Auch wenn offiziell keine Zahlen genannt werden, ist davon auszugehen, dass sich ein Personalabbau nicht im einstelligen Bereich bewegen dürfte. Damit das Unternehmen wieder in ruhiges Fahrwasser kommt, bedarf es nicht nur jeder Menge „Handwerk“, sondern auch „Visionen“. Heißt: Nur die Normkisten über die Kaikante zu bewegen, wird nicht ausreichen. „Vorstellungskraft“ von der Hafenlogistik von morgen zu entwickeln und freizusetzen, erfordert auch, dass an diesem Prozess möglichst mehrere kluge Köpfe beteiligt sind.

Dazu gehören auch Gewerkschaften und die Politik. Von den Gewerkschaften ist nach den akuten Warnmeldungen seitens des Eurogate-Managements nicht nur ein reflexhaftes „so nicht“ oder „ohne uns“ zu erwarten, sondern das Gegenteil: der Wille zum konstruktiven Mitwirken an einem schwierigen Umgestaltungsprozess. Gesucht also auch hier: Visionäre. Um das Bild rund zu machen: Es werden auch aus der Politik Menschen mit ausgeprägter Vorstellungs- und Gestaltungskraft benötigt, um neue Rahmenbedingungen in den Häfen zu schaffen und nötigenfalls auch unternehmensinterne Prozesse zu moderieren. Denn Hafenunternehmen sind nicht nur „systemrelevant“ für eine Volkswirtschaft. Sie sind es auch für einen Hafen „X“. Also: „Visonäre, vor!“

Ihre Meinung zum Beitrag: eckhard.arndtnoSpam@noSpamthb.info

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben