„Pallas“-Brand als Initialzündung

Jürgen Jungclaus steht auf der Aussichtsdüne von Wittdün. Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde auf der Nordseeinsel Amrum zeigt aufs Meer. Spiegelglatt und friedlich liegt es vor ihm, während am Horizont bei klarer Sicht das Wrack der „Pallas“ zu sehen ist. Der italienische Holzfrachter war vor 20 Jahren bei stürmischer See auf einer Sandbank gestrandet und verursachte eine der bis dahin größten Ölverschmutzungen im Nationalpark Wattenmeer.

Vorangegangen war eine mehrtägige Irrfahrt des 147 Meter langen Frachters – brennend antriebs- und führerlos auf der Nordsee treibend. Der Schiffskoch starb an einem Herzinfarkt, fünf Crewmitglieder wurden verletzt.

Die „Pallas“ ist auf dem Weg von Schweden nach Marokko, als die Holzladung am 25. Oktober 1998 kurz vor Mitternacht vor der dänischen Nordseeküste in Brand gerät. Der Besatzung gelingt es nicht, das Feuer zu löschen. Sie setzt einen Notruf ab und wird von deutschen und dänischen Rettungshubschraubern gerettet. Die Dänen unternehmen keine weiteren Bergungsversuche, wie im Bericht der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ zu lesen ist. Am 26. Oktober treibt das Schiff dann in deutsche Gewässer. Die hiesigen Behörden glauben zunächst, nicht zuständig zu sein. Das Seeamt kommt später zu dem Schluss, dass die deutschen und dänischen Behörden die Gefahrenlage falsch eingeschätzt haben.

Unter Deck tobt ein bis zu 1000 Grad heißes Feuer, das Schiff stampft und schlingert durch bis zu acht Meter hohe Wellen. Dennoch versuchen immer wieder Seeleute, Schleppleinen zu befestigen. Sie reißen alle. Auch der mühsam von Hand gelöste Notanker hält nicht. Die „Pallas“ treibt weiter auf Amrum zu.

Am Morgen des 29. Oktober 1998 ist die Irrfahrt vorbei – der Frachter strandet. Bis das Feuer endgültig gelöscht ist, vergehen noch mehrere Wochen. Öl läuft aus. Am 8. November werden erste Verschmutzungen auf den Inseln Amrum und Föhr gemeldet. Verölte Vögel werden gefunden. Letztlich sterben rund 16.000 Vögel an den Folgen der Ölkatastrophe. „Es war schwierig mitanzusehen, wie die ölverschmierten Vögel verendet sind“, erinnert sich Jungclaus. Doch er denkt auch an den Zusammenhalt zurück, mit dem die Insulaner ihre Insel vom Schweröl befreiten. „Jeder, der gesunde Hände hat, hat geholfen, die Strände zu säubern“, sagt Jungclaus.

Die „Pallas“ ist seither zu einem Symbol für die Forderung nach einem besseren und koordinierteren Schutz der Küste bei Schiffskatastrophen geworden. Nach dem Unglück wurde unter anderem 2003 das Havariekommando in Cuxhaven gegründet, das bei großen Vorfällen die Bergungseinsätze koordiniert. Jüngst berichtete die Einrichtung, seit ihrer Gründung 73 „komplexe Schadenslagen“ bewältigt zu haben. Dazu zählen etwa manövrierunfähige oder brennende Schiffe oder eine Vielzahl von Verletzten. Zudem seien in vielen anderen Fällen die zuständigen Behörden unterstützt worden.

Die Gründung des Haveriekommandos werde außerordentlich begrüßt, sagt Jungclaus, langjähriger Vorsitzender der Insel- und Halligkonferenz (IHKO). Das allein reiche aber nicht aus. Mehrere Verbände, darunter die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste sowie nautische Vereine, wiesen unter anderem 2017 darauf hin, dass die Vielzahl der vorhandenen Behörden und Organisationen mit teilweise überlappenden Zuständigkeiten ein koordinierten Handeln schwierig und kostspielig machen. Sie fordern wie die IHKO und einige norddeutsche Politiker eine nationale Küstenwache.

Hat sich die Insel selbst durch das „Pallas“-Unglück verändert? Jungclaus denkt einen Moment lang nach. „Das Inselleben ist ein besonderes Leben. Das galt vor der ‚Pallas‘, während der ‚Pallas‘ und auch nach der ‚Pallas‘.“ dpa/BvG/ger

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