Marine gräbt Schleusern das Wasser ab
Die Europäische Union (EU) sieht in der systematischen Bekämpfung der kriminell agierenden Menschenschleuser in den nordafrikanischen Staaten einen wichtigen Hebel, um den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer zu verringern.
Seit dem 7. Oktober gilt die Stufe 2 der EU-Mission „EUNAVFOR Med“. Dabei liegt der Fokus auf dem Seeraum vor der libyschen Küste. Vom nordafrikanischen Staat aus brechen die meisten Flüchtlingsboote mit Ziel Italien auf. In der offiziellen Marinediktion ist von der „Operation „Sophia“ die Rede. Das Flaggschiff dieses internationalen Verbandes stellt die italienische Marine. Der Name hat einen konkreten Bezug zum aktuellen Geschehen im Mittelmeer: Denn auf „Sophia“ wurde am 24. August das Mädchen einer somalischen Mutter getauft, das nach einer geglückten Rettungsaktion an Bord der deutschen Fregatte „Schleswig-Holstein“ zur Welt kam. Die Besatzung kam auf diesen Namen, da die „Schleswig-Holstein“ im deutschen Marinejargon auch den Nicknamen „Sofie X“ führt. Neben dieser Einheit stellt die deutsche Marine noch den Einsatzgruppenversorger „Berlin“ (EGV). Das Bundestagsmandat für diesen Einsatz vom 1. Oktober erlaubt bis zu 950 Marinesoldaten.
Die „Berlin“ hat sich bereits von Anfang Mai bis Anfang Juni – im Rahmen der Rückreise von der EU-Operation „Atalanta“ – aufgrund einer kurzfristigen Entscheidung der Bundesregierung an der rein nationalen „Seenotrettung Mittelmeer“ beteiligt, bevor die Besatzung wieder Kurs auf den Heimatstützpunkt Wilhelmshaven nehmen konnte. In dieser Zeit hat allein die „Berlin“ in drei Einsätzen 991 Menschen aus Seenot gerettet.
Das große Versorgungsschiff löste den Tender „Werra“ ab, der am vergangenen Sonnabend mit seiner 66-köpfigen Besatzung im Marinestützpunkt Kiel einlief. In den zurückliegenden Monaten seit Anfang Juni hatte die „Werra“ bei sechs Rettungsaktionen 1186 Menschen aus sieben Schlauch- und zwei Motorbooten gerettet und nach Sizilien in Sicherheit gebracht. Die Besatzung hat diese Leistung durch eine besondere „Maling“, wie der Mariner sagt, dokumentiert: Am Brückenaufbau sind sechs Rettungsringe aufgemalt, versehen mit einem Datum und der Zahl der Geretteten. Korvettenkapitän Stefan Klatt (46), Kommandant der „Werra“: „Ich bin stolz auf meine Besatzung. Sie hat wirklich Großartiges geleistet.“ So sah es auch Fregattenkapitän Stephan Haisch, Chef des Stabes der Einsatzflottille 1, nachdem das Schiff an der Kieler Tirpitzmole festgemacht hatte: „Es war eine großartige Leistung, die Sie für Deutschland erbracht haben. Jeder von Ihnen ist ein Held.“
Auch Fregattenkapitän Tobias Voß, Kommandeur des 5. Minensuchgeschwaders, zu dem die „Werra“ gehört, stellte fest: „Es hat gezeigt, was ein tolles Team mit einer vergleichsweise kleinen Einheit leisten kann.“ Die „Werra“ sei mit der erneut bewiesenen Vielseitigkeit so etwas „wie das Schweizer Taschenmesser der deutschen Marine“.
Indes wurde bekannt, dass auf der Flucht über das Mittelmeerin den vergangenen Tagen erneut fast 50 Menschen umkamen. Allein an der Küste Libyens spülte das Meer bis zum Samstagabend 45 Leichen von Flüchtlingen an. EHA/FB/dpa