Erste Fregatte für Mehrbesatzungskonzept


Die Marine geht mit der Zeit: Platz für 20-Fuß-Standardcontainer (o.) und ein 127-Millimeter-Geschütz gehören zu den Neuerungen (Fotos: Behling)



Die Deutsche Marine bekommt wieder Zuwachs, nachdem die Zahl der Flaggenstöcke immer kleiner geworden war. Die Klasse 125, deren Typschiff die „Baden-Württemberg“ ist, wird in den kommenden Jahren in Dienst gestellt.
Den Anfang macht voraussichtlich im Mai dieses Jahres der Namensgeber „Baden-Württemberg“ (F 222). Über das Fähigkeistprofil dieser Klasse, mit der die „Arbeitspferde“ der Flotte, die „Bremen“-Klasse (Klasse 122), ersetzt werden, informierte jetzt die Marine gemeinsam mit den zur ARGE 125 zusammengeschlossenen Werften sowie dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) bei einer Präsentationsfahrt. Die Schwesterschiffe werden in den kommenden Jahren als „Nordrhein-Westfalen“ (F 223), „Sachsen-Anhalt“ (F 224) und „Rheinland-Pfalz“ (F 225) in Dienst gestellt.
Und das sind die technischen Eckdaten der Klasse 125: Länge 149,5 Meter, Breite 18,8 Meter, Tiefgang je nach Ausrüstung bis maximal fünf Meter und Verdrängung 7200 Tonnen. Zum Vergleich: Die zwischen 1979 und 1990 in acht Exemplaren gebaute „Bremen“-Klasse, von der aktuell noch drei Einheiten aktiv sind, weist eine Länge von 130,5 Metern, eine Breite von 14,6 Metern, einen Tiefgang von 6,5 Metern und eine Verdrängung von 3680 Tonnen auf.
Mit der „Baden-Württemberg“, die seit dem Frühjahr 2016 zu umfangreichen Testfahrten unterwegs ist, wurde erstmals ein Schiff gebaut, das von Anfang an auf das sogenannte Mehrbesatzungsmodell der Marine ausgelegt ist. Was grob vereinfacht bedeutet: Statt ein Schiff mit seiner eigenen Stammbesatzung über lange An- und Abreisen in einen definierten Seeraum zu bringen, werden die Besatzungen nach einem genau festgelegten Zeitrahmen ausgetauscht. Ergebnis: Bis zu zwei Jahre könnte ein Schiff wie die „Baden-Württemberg“ dann zukünftig im Einsatzgebiet verbleiben.
Weltweit einsetzbar
Grundsätzlich soll die Fregatte der Klasse 125 weltweit einsetzbar sein, gewissermaßen von der Arktis bis in die Südsee.
Mit nur noch 130 Mann Besatzung kommt der neue Typ trotz der Größe mit weit weniger Soldaten aus. Zum Vergleich: Bei der „Bremen“-Klasse sind es rund 220 Solda ten.
Mehr Automation, aber auch Änderungen beim Bordbetrieb zeigen ihre Wirkung beim Umfang der Bordcrew. So gibt es beispielsweise in der Offiziersmesse keine Mannschaftsdienstgrade als Bedienpersonal (Marinesprache: „Pantry-Gast“) mehr. Die Offiziere holen sich ihr Essen selbst. Oder: Für die Reinigung ihrer Wohnbereiche und Kammern (Kajüten) sind die Offiziere ebenfalls selbst verantwortlich. Bei dem Küchenbetrieb („Kombüse“) wurde die Zahl der Köche („Smuts“) von zehn auf fünf reduziert, da neue Formen der Essenszubereitung Einzug halten. Künftig wir es mehr vorgefertigte Gerichte und Tiefkühlerzeugnisse geben.
Sprinkleranlage an Bord
Oder: Im Schiffsbetrieb konnte durch die Einführung einer Sprinkleranlage für alle Bereiche des Schiffes das Personal für mögliche Feuerlöschaufgaben (Schiffssicherungspersonal) reduziert werden. Alle Kammern haben jetzt Sprinkleranla gen.
Beim Antrieb wurde ähnlich wie bei Kreuzfahrtschiffen ein dieselelektrischer Strang genutzt. Vier Generatoren von MTU erzeugen den Strom für zwei Siemens-Fahrmotoren. Das spart ebenfalls Personal im zweistelligen Bereich, da die Motoren weniger Wartung benötigen. Für die Hochgeschwindigkeitsfahrt steht eine Gasturbine von General Electric zur Verfügung. Gerade beim Antrieb waren bei älteren, heute nicht mehr existenten „Dickschiffen“, als Fregatten oder gar Zerstörern die mit Abstand meisten Soldaten einer Besatzung anzutreffen.
Bei den zahlreichen Neuerungen bei der Klasse 125 fällt auch das auf: eine leistungsstärkere Artillerie-Komponente. Das Kaliber 127 Millimeter ist wieder da, zuletzt in der Deutschen Marine bei den inzwischen ausgesonderten, in den USA gebauten Zerstörern der Klasse 103 („Charles F. Adam“-Klasse) anzutreffen. Alle anderen Großschiffe der Flotte sind mit der 76-Millimeter-Kanone als Hauptgeschütz bestückt. Die aktuell genutzte Kanone ist eine Neukonstruk tion.
Platz für Standardcontainer
Und auch das findet sich an Bord der Klasse 125: Containerstellplätze auf der Grundlage der bewährten 20-Fuß-Boxen. Container sind ein ideales Transport- und Zwischenlagerungsmittel zum Beispiel für Zusatzausrüstung oder auch Verpflegung. Die Marine nutzt die Standardbox inzwischen auf vielfältige Weise, allen voran bei den Tendern oder den Einsatzgruppenversorgern (EGV).
Auch das Seeverhalten überzeugt die Besatzung. Während der jüngsten Fahrten, oft bei Sturm, bewährte sich das Schiff in der Nordsee sehr gut. Selbst bei fünf Metern Wellenhöhe und fast 20 Knoten Fahrt ließen sich alle Sensoren und Effektoren ohne Probleme einsetzen.
Jetzt schaut alles auf den Mai als potenziellen Übergabemonat an die Flotte. In den kommenden Wochen stehen unter anderem der Funktionsnachweis für das Führungs- und Waffeneinsatzsystem an.
Übergabe Ende Mai
Läuft alles nach Plan, dann könnte die „Baden-Württemberg“ am 31. Mai in Wilhelmshaven an das BAAINBw übergeben werden. Dieser Termin gilt zugleich für die Außerdienststellung der Fregatte „Karlsruhe“ der Klasse 122.
Bis dahin soll mit der „Nordrhein-Westfalen“ auch das zweite Schiff der Klasse 125 in die Erprobung gehen. Die Indienststellung für die Deutsche Marine soll dann im Spätsommer oder Herbst erfolgen.
Beim Kostenrahmen hat das neue Projekt aber den ursprünglichen Kurs klar verlassen. So waren 2007 im Bauvertrag 2,624 Milliarden Euro veranschlagt. Zuzüglich einer Preissteigerung von 414 Millionen Euro. Am Ende wird der Bau dieser vier Schiffe sowie die Schaffung der ergänzenden Landinfrastruktur in Wilhelmshaven gut 3,122 Milliarden Euro kosten. 341 Millionen Euro entfallen dabei auf die Preisanpassungen durch die üblichen Steigerungen. 157 Millionen Euro Mehrkosten wurden durch Anpassungen bei der Konstruktion oder den Vorschriften fällig.
Kommandant ist zufrieden
Als Kommandant der neuen „Baden-Württemberg“-ist Fregattenkapitän Markus Venker mit dem bislang Erfahrenen und Erreichten zufrieden: „Es macht einfach Spaß, mit diesem Schiff zur See zu fahren. Ich freue mich als Kommandant auf die nächsten Fahrten“, so Venker. Der erste Einsatz wird voraussichtlich Ende 2018 erfolgen.
Aus Sicht der ARGE F125 bestätigte Projektleiter Jörg Herwig von der Werft TKMS den Erfolg, den man bei der Realisierung dieses Schiffes verzeichnet habe.
Die Zusammenarbeit mit dem Partner Lürssen-Werft habe sich jedenfalls bewährt. Nur zu gern würde man diesen Schiffstyp auch gemeinsam weiterbauen. „Das hängt aber natürlich vom Auftraggeber ab“, so Herwig.
Hoffen auf Folgeaufträge
Derzeit bewirbt sich die ARGE um den Bau eines zweiten Loses, bestehend aus fünf Einheiten der Korvetten-Klasse 130 („Braunschweig“-Klasse) sowie um den Bau des Mehrzweckkampfschiffs MKS180. EHA/FB