Dritter Bergungsversuch ist wegweisend (+ Video)

Der Elbgrund um die „CSCL Indian Ocean“ ist in den vergangenen Tagen für die Bergung des Megaboxers abgetragen worden. Im Einsatz waren dafür unter anderem die Bagger „Barent Zanden“ und „Njörd“ sowie der Schwimmgreifer „Razende Bol“. Peilschiffe zeichneten die Lage des Frachters neben der Fahrrinne auf, Foto: Havariekommando

Auch der zweite Bergungsversuch mit sieben Schleppern (37.000 PS und 580Tonnen Zugkraft) scheiterte, Foto: Havariekommando

Ausschnitt einer elektronischen Seekarte der Trenz AG mit Daten und Revierinformationen zur „CSCL Indian Ocean“ (Kreis und kleiner Kasten) sowie dem Schiffsverkehr vor Ort, Karte: TRENZ AG

Die „CSCL Indian Ocean“ war Mittwochabend (3.2.) in der Elbe bei Stade auf Grund gelaufen

Das Bunkerschiff „Dresden 2“ pumpte das Schweröl ab, Foto: Havariekommando
In der Nacht zum Dienstag soll der dritte Bergungsversuch der in der Elbe auf Grund gelaufenen „CSCL Indian Ocean“ (19.000 TEU) erfolgen.
Die Befreiungsaktion ist gegen 2 Uhr angesetzt und soll bis etwa 6 Uhr dauern. Ein Koordinator leitet die Maßnahme von Bord des bundeseigenen Mehrzweckschiffs „Neuwerk“. Die Elbe ist für die Dauer des Manövers auf der Höhe des Frachters gesperrt. Die „CSCL Indian Ocean“, die mit 400 Meter Länge zu den größten Containerschiffen der Welt gehört, war am vergangenen Mittwoch nahe Stade nach einem Ausfall der Ruderanlage auf Grund gelaufen. Seitdem steckte der Megaboxer rund 30 Kilometer elbabwärts vom Hamburger Hafen fest. Zwei Versuche, den Riesen abzuschleppen, waren gescheitert. Sieben Schlepper mit insgesamt 37.000 PS und 465 Tonnen Zugkraft, die stärksten im Hamburger Hafen, hatten es nicht geschafft, das Riesenschiff wieder freizubekommen. Jede Menge Experten, Nautiker und Techniker rätselten und rechneten danach, wie sie vorgehen sollten.
Im Video: Die „CSCL Indian Ocean“ in Elbe auf Grund gelaufen
<iframe src="https://www.youtube.com/embed/Y4m1dlKLmU4?rel=0" frameborder="0" height="478" width="637"></iframe>Quelle: Havariekommando
Danach ist das mit Containern rund 200.000 Tonnen schwere Schiff für den dritten Abschleppversuch beweglicher gemacht worden. Dazu sind die 2000 Tonnen Schweröl und fast 4000 Tonnen Ballastwasser und 400 Tonnen Gasöl abgepumpt worden, so ein Sprecher des Havariekommandos. Darüber hinaus war am Wochenende Elbgrund um den Frachter abgetragen worden. Dabei waren unter anderem die Bagger „Barent Zanden“ und „Njörd“ sowie der Schwimmgreifer „Razende Bol“ im Einsatz.
Den Planungen zufolge soll für den dritten Bergungsversuch der „CSCL Indian Ocean“ das vom Neumond begünstigte höhere Hochwasser um 4.32 Uhr und möglicherweise ein weiteres am Nachmittag um 17.02 Uhr genutzt werden. Der Mond ist verantwortlich für Ebbe und Flut, und er zieht bei Springtide mehr und bei Nipptide weniger Wasser in die Elbe.
Für die nächtliche Bergungsaktion haben Experten der niederländischen Reederei Smit Salvage die stärkste Schlepperflotte zusammengeholt, die je bei einer Havarie in Deutschland zum Einsatz kam. Am Montag war als letztes Schiff dieser Flotte der niederländische Bergungsschlepper „Fairmount Expedition“ in der Elbmündung eingetroffen. Die chinesische Reederei des in Hongkong beheimateten Frachters hat nach dem Unglück die niederländische Reederei Smit mit der Bergung beauftragt. Sie gehört zu den erfahrensten Unternehmen auf diesem Gebiet in der Welt.
Die Niederländer hatten als erste Maßnahme am Wochenende bereits den Hochseeschlepper „Union Manta“ zum Havaristen geholt. „Fairmount Expedition“ und „Union Manta“ haben jeweils über 200 Tonnen Zugkraft. Sie bildeten den Kern der Schlepperflotte, die in der Nacht zum Dienstag den entscheidenden Befreiungsversuch wagt. Insgesamt sollten bis zu zwölf Schlepper aus Hamburg und Rotterdam zum Einsatz kommen. Darunter auch die stärksten Schlepper aus Hamburg. Klappt dieser Versuch bei der Springtide am Dienstag nicht, muss das Schiff durch das Umladen von Containern geleichtert werden. Eine Aktion, die Tage, vielleicht sogar Wochen dauern würde. Deshalb wollten die Berger mit dem Schleppversuch am Dienstag alles „auf eine Karte“ setzen, wie aus dem Umfeld der Niederländer zu erfahren war.
Am Wochenende hatte die Bergungsmannschaft von Smit einen Plan ausgearbeitet. Außerdem sind Vertreter der Klassifikationsgesellschaft DNV GL aus Hamburg beteiligt. Die Einsatzleitung liegt beim Havariekommando in Cuxhaven. Mit dem Morgenhochwasser wollen die Berger den Frachter rückwärts ins Fahrwasser ziehen. Bei dem Versuch kommen Schlepper mit einer Gesamtzugkraft von 1085 Tonnen zum Einsatz. Zum Vergleich: Bei der Bergungsaktion am vergangenen Donnerstag waren Schlepper mit einem Gesamt-Pfahlzug von 580 Tonnen gescheitert.
Das Kommando bei den Niederländern hat Kapitän Wytse Huisman. Er ist Experte für schwere Fälle und kam bereits bei vielen Bergungen zum Einsatz. Mit dem Schlepper „Fairmount Expedition“ ist ein bekanntes Schiff vor Ort. Der 2007 in Japan gebaute Schlepper hatte 2012 bereits den havarierten Containerfrachter „MSC Flaminia“ vom Atlantik nach Wilhelmshaven gebracht. Auch damals hatte Smit den Auftrag zur Bergung bekommen.
Sollten der aktuelle und weitere Versuche ebenso erfolglos bleiben wie die ersten beiden, dann müsste ein Teil der rund 6000 Container entladen werden, mindestens 1000. Das wäre eine Premiere auf der Elbe, echtes Neuland. Noch nie war ein so großes Schiff gestrandet. Die Container stehen in 50 oder 60 Meter Höhe. Ein großer Schwimmkran könnte sie auf eine schwimmende Insel, einen so genannten Ponton, ein Transportschiff ohne Motor, eine Barge, oder aber ein kleineres Containerschiff umladen.
Einen Kran mit 70 Meter Hakenhöhe gibt es aber in Hamburg nicht. Er müsste zunächst aus Rotterdam herbeigeholt werden. „Das ist eine sehr spezielle Her ausforderung“, sagte ein Experte einer Bergungsfirma. Die einfachste Lösung sei es, eine Hubinsel, wie sie zum Beispiel beim Bau von Offshore-Windparks verwendet wird, die Elbe hinauf zuschleppen.
Dann gibt es immer noch genug Probleme, etwa die Verankerung im fließenden Gewässer, ohne den Schiffsverkehr auf der Elbe zu beeinträchtigen. Eine weitere Möglichkeit wäre es, ein zweites Schiff mit einem eigenen Ladegeschirr längsseits der „CSCL Indian Ocean“ zu legen. Das wären allerdings meistens recht kleine Schiffe, die vielleicht die Container gar nicht erreichen können.
Auf einem Schiff sind die leichtesten Container oben gestapelt, werden also zuerst entladen. Müsste der Frachter um die bereits erwähnten mindestens 1000 Container – so die Schätzungen – erleichtert werden, würde viel Zeit vergehen, auch je nachdem, wie schnell das nötige Equipment herbeigeschafft werden kann. Für die Reederei und ihre Kunden, deren Ladung an Bord ist, bedeutet jeder Tag Verzug hohe Verluste. Der bislang entstandene Schaden ist noch nicht zu beziffern, geht aber auf jeden Fall bereits in den zweistelligen Millionenbereich.
Wie inzwischen auch bekannt wurde, hat die aus Felixstowe kommende „CSCL Indian Ocean“ wenige Stunden vor der Einfahrt in die Elbmündung in der Nordsee ihren Steuerbord-Anker verloren. Das Schiff musste auf der Tiefwasserreede vor Helgoland auf ein Zeitfenster für das Einlaufen in die Elbe warten. Dabei gingen der zehn Tonnen schwere Anker und mehr als 100 Meter Ankerkette verloren. Die Umstände sind noch unklar. Die Position des verlorenen Ankers ist in den Nachrichten für Seefahrer als Warnhinweis durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bekannt gemacht worden. Zugleich hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg ihre Arbeit zur Ermittlung der Havarie-Ursache der „CSCL Indian Ocean“ aufgenommen.
Kapitän Klaus Schroh von der „Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz“ in Cuxhaven stellt in diesem Zusammenhang fest: „Es widerspricht internationalen Regelungen, dass ein Schiff mit nur einem Anker ohne Auflagen ein Revier befahren darf. Hier ist jetzt die WSV gefragt und möglicherweise die Wasserschutzpolizei gefordert.“
FDP fordert: Hamburg braucht Havariekonzept
„Der Hamburger Hafen benötigt endlich ein Havariekonzept, mit dem schnell und sicher dem Auflaufen von Schiffen im Elbstrom begegnet werden kann.“ Das fordert jetzt Michael Kruse, wirtschaftspolitischer Sprecher und parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion in der Hansestadt. Wie bei der „CSCL Indian Ocean“ müssten Schiffe im Fall einer Havarie schnell geleichtert werden können. Deshalb sollte der Senat in Abstimmung mit der Hamburg Port Authority (HPA) und der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) die Anschaffung einer Port Feeder Barge prüfen. Nur so könnten Container bei einer Havarie rasch entladen werden, um das verunglückte Schiff zu leichtern. „Das sollte im Ernstfall sehr schnell geschehen können, denn nicht immer wird es möglich sein, ein Schiff mit technischem Defekt noch aus der Fahr rinne zu manövrieren“, so Kruse. FBi/FB/lno