„Baden-Württemberg“ auf Schnupperkurs
Für die Deutsche Marine stellt sie einen weiteren Meilenstein in der Flottenentwicklung dar: die Einführung der neuen Fregatten-Klasse 125 mit dem Typschiff „Baden-Württemberg“. Zu Wochenbeginn war es erstmals in seinem künftigen Heimatstützpunkt an der Jade.
Vier baugleiche Einheiten wird die Deutsche Marine in den kommenden Jahren erhalten. Das Gesamtauftragsvolumen beläuft sich auf etwa drei Milliarden Euro.
Die in Hamburg auf den Anlagen von Blohm + Voss (B + V) als Bauwerft im Unterauftrag für die „Arge Klasse 125“ – ihr gehören ThyssenKrupp Marine Systems sowie die Lürssen-Werft-Gruppe an – fertig gebaute F 222 lief Wilhelmshaven dabei noch unter Werftflagge an. Ende vergangener Woche lag die Einheit noch mit den im Bau befindlichen Schwesterschiffen „Sachsen-Anhalt“ (F 224) sowie „Nordrhein-Westfalen“ (F 224) in Hamburg. Die vierte Einheit trägt den Namen „Rheinland-Pfalz“ (F 225). Während die „Nordrhein-Westfalen“ im Dock 10 von B + V liegt, befindet sich die „Rheinland-Pfalz“ im Dock 5. Wenn die „Baden-Württemberg“ voraussichtlich 2017 in Dienst gestellt wird, bildet sie mit ihren dann zeitversetzt in den Flottendienst übernommenen Schwesterschiffen das 4. Fregattengeschwader.
Randnotiz: Während drei der vier Einheiten bislang noch nicht vergebene Namen deutscher Bundesländer tragen werden, gibt es für die „Rheinland-Pfalz“ bereits eine Namensvorgängerin: die seinerzeit bei B + V gebaute und später beim (ehemaligen) Bremer Vulkan endausgerüstete „Rheinland-Pfalz“ der Klasse 122, auch als „Bremen“-Klasse geläufig. Diese insgesamt acht Schiffe, echte Arbeitspferde der Flotte und weltweit im Einsatz, wurden und werden indes schrittweise außer Dienst gestellt. Die erste „Rheinland-Pfalz“, am 9. Mai 1983 in den Flottendienst aufgenommen, wurde am 22. März 2013 in den verdienten Ruhestand geschickt.
Funktionstests
Der „Baden-Württemberg“ wurde ein sehr freundlicher, marinespezifischer Empfang bereitet. Auf Schiff und Erstbesatzung warten in den kommenden Wochen in Nord- und Ostsee intensive Funktionstests. Die F 222 und ihre baugleichen Schwesterschiffe sind „für weit entfernte Einsätze gegen asymmetrische Bedrohungen“ ausgelegt und können bis zu 24 Monate am Stück im Einsatzgebiet verbleiben – und das bei deutlich reduzierter Besatzungsstärke. Denn die Stammbesatzung soll rund 120 Frauen und Männer umfassen, Unterbringungsmöglichkeiten bestehen jedoch für bis zu 190 Soldaten, zum Beispiel für zusätzliches Spezial personal. Vorgesehen ist, dass die Crews künftig nach vier bis sechs Monaten im Einsatzgebiet ausgetauscht werden, sozusagen Übergabe unter dem laufenden Kiel. Die lange Verweildauer ist allerdings nur deshalb möglich, weil das Schiff von vornherein für einen Mehrbesatzungsmodus bestimmt ist. Ein solches Konzept, das auch eine entsprechende Belastungsfähigkeit der Schiffstechnik erfordert, erprobt die Deutsche Marine bereits mit den modernen U-Booten der Klasse 212 sowie den Korvetten der Klasse 130. Die bislang gesammelten Erfahrungen sind ermutigend, schließlich wird mit einer sehr langen Tradition in der Marine gebrochen, wonach es stets „nur“ eine Besatzung gibt, die einer natürlichen Fluktuation als Folge des kontinuierlichen Personalaustauschs unterliegt.
Das Mehrbesatzungskonzept beinhaltet auch, dass neben der aktiven Einsatzcrew die Ersatzmannschaft im Marinestützpunkt, in diesem Fall in Wilhelmshaven, auf ihren künftigen Bordeinsatz vorbereitet wird. Dafür wird eine entsprechende Ausbildungsinfrastruktur an Land geschaffen. In der Marine spricht man auch gern vom „Steinschiff“.
Mit dem Mehrbesatzungskonzept stellt sich die Deutsche Marine auch auf gesellschaftliche Herausforderungen ein. Denn wie keine andere Teilstreitkraft (TSK) der Bundeswehr ist sie im weltweiten Dauereinsatz. Das führt gerade bei besonders wichtigen, aber in der Regel auch knapp besetzten Verwendungsreihen in der Besatzung – vor allem in den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und Informatik – teilweise zu Extrembeanspruchungen. Die Bundeswehr strebt jedoch mehr denn je die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an.
Hohe Verdrängung
Die Klasse-125-Schiffe sind im Vergleich zur „Bremen“-Klasse echte Riesen. 3680 Tonnen Verdrängung der „Hundertzweiundzwanziger“ stehen rund 7100 Tonnen Einsatzverdrängung der „Baden-Württemberg“ gegenüber. Selbst die vergleichsweise junge „Sachsen“-Klasse (Klasse 124), deren Typschiff (F 219) am 4. November 2004 in Dienst gestellt wurde und die mit ihren Schwestern „Hessen“ (F 221) und „Hamburg“ (F 220) dem 2. Fregattengeschwader in Wilhelmshaven zugeordnet ist, kommt „nur“ auf 5800 Tonnen Verdrängung bei einer Stammbesatzung von gut 255 Mann. Knapp 150 Meter lang und gut 19 Meter breit sind die mit neuartigen Sensor- und Waffensystemen ausgestatteten Schiffe. Bemerkenswert: Neben den unverzichtbaren Flugkörpern (FK) zur Bekämpfung von See- und Luftzielen verfügen die „Baden-Württemberg“ und ihre Schwestern auch über eine starke Artilleriekomponente: ein 127-mm-Bordgeschütz. Sowohl die Klasse-122-Einheiten als auch die erwähnte Klasse 124 haben als Artilleriehauptkomponente das in vielen NATO-Marinen verbreitete und bewährte Kaliber 76 mm. Ein 127-mm-Kaliber hat es zuletzt bei den ehemaligen Zerstörern der „Lütjens“-Klasse (Klasse 103, D 185, 1. Zerstörergeschwader) gegeben, von dem „Lütjens“ und „Rommel“ (D 187) inzwischen abgewrackt wurden. Insgesamt zwei Geschütztürme waren im Vor- und Achterschiff montiert. Die „Mölders“ (D 186) blieb von den drei in den USA gebauten Einheiten als Museumsschiff erhalten und ist seit 2005 im Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven als Großexponat zu besichtigen. Das 127-mm-Geschütz der neuen „Baden-Württemberg“ ist sowohl für die See- als auch die Luftzielbekämpfung vorgesehen. Die Klasse F 125 ist für eine Geschwindigkeit von bis zu 26 Knoten ausgelegt. Herzstück ist der sogenannte CODLAG-Antrieb, was für „COmbined Diesel eLectric And Gasturbine“ steht. Als erste größere Kampfeinheit verfügen die vier Einheiten der Klasse 125 über jeweils vier neuartige Einsatzboote für Boarding- oder Landeoperationen. Sie sind bis zu 35 Knoten schnell. Für den Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, sind die vier neuen Fregatten, aber auch neue, leistungsstarke Bordhubschrau ber oder die sechs angestrebten „Mehrzweckkampfschiffe“ der Klasse 180 (MKS 180) zentrale Leistungsträger einer modernen Flotte. Die Klasse 180 wird dabei europaweit ausgeschrieben – eine Entscheidung, die in der deutschen Schiffbauindustrie, aber auch bei der Gewerkschaft IG Metall Küste sehr kritisch gesehen wird. Vor welchen globalen Herausforderungen die Deutsche Marine steht, legte Admiral Krause in seiner „ Wilhelmshavener Erklärung“ vom 12. Februar dieses Jahres in der Jade-Stadt dar: „Die Weltmeere entfalten heute vollends ihren verbindenden Charakter. Deutschlands Wirtschaftskraft profitiert davon in hohem Maße. Die Seehandelswege sind jedoch gleichzeitig die Achillesferse unseres wirtschaft lichen Erfolgs.“ EHA/BÖ