Alle drei EGV außer Gefecht

Die angespannte Lage hinsichtlich der Verfügbarkeit von Booten und Schiffen der Deutschen Marine zeigt sich immer deutlicher.

So befinden sich aktuell die drei Einsatzgruppenversorger, „Berlin“ (A 1411), „Bonn“ (A 1413) und „Frankfurt am Main“ (A 14 12) in der Werft. Eine in der Geschichte dieser schwimmenden Logistikplattformen einzigartige Situation. Mitte vergangener Woche machte den Reigen der Werftlieger für die Versorger der Klasse 702 die „Bonn“ komplett. Sie liegt jetzt direkt neben ihrem Schwesterschiff, der „Berlin“ , in der zur Lürssen-Gruppe gehörenden Hamburger Norderwerft. Die am 11. April 2011 in Dienst gestellte „Berlin“, zugleich Typschiff der Klasse 702, befindet sich bereits seit mehreren Monaten in der Werft am Reiherstieg im Hamburger Hafen. Von größeren technischen Problemen an dem ursprünglich bei FSG gebauten, rund 200 Meter langen Versorger ist in Hamburger Hafenkreisen die Rede. Die Marine äußerte sich nicht zu technischen Details.

Knapp 100 Kilometer weiter nördlich, in Kiel, kümmert sich seit Mitte Juni die German Naval Yards (GNYK) um die „Frankfurt am Main“. Wie ihr Schwesterschiff „Berlin“, entstand auch dieser Versorger bei Flensburger FSG-Werft und wurde am 27. Mai 2002 in Dienst gestellt. Dem 15 Jahre alten Logistikschiff wurde ein Fahrmanöver zum Verhängnis, als es am 16. März dieses Jahres im Marinestützpunkt Wilhelmshaven mit dem Heck gegen eine Schleusenwand prallte und dabei erhebliche Beschädigungen in der Stahlkonstruktion erlitt. Von einem siebenstelligen Euro-Betrag ist die Rede (THB 20. Juni 2017).

Bei der im späteren Verlauf erfolgten Ausschreibung des Reparaturauftrages konnte sich GNYK durchsetzen. Die umfangreichen Stahlarbeiten sichern Lohn und Brot für rund 200 Beschäftigte. Die Rückkehr in die Flotte ist dem Vernehmen nach für den September in Aussicht gestellt. Bei der Marine hofft man dann auf eine erneute Einsatzverfügbarkeit spätestens zum Jahresende. Bis dahin werden wichtige Logistik-Aufgaben zur See durch die Tender der „Elbe“-Klasse (Klasse 401) übergangsweise erledigt, die die Marine – auch mangels Plattformen – schon seit Längerem mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraut.

Die „Bonn“, zugleich das jüngste Schiff des EGV-Trios, steuerte die Werft in Hamburg indes im Rahmen der „Planmäßigen Instandsetzung“ an. Sie vollzog kurz vor dem Verlegen in die Norderwerft noch einen Kommandantenwechsel (THB 24. Juli 2017). Die rund 174 Meter lange, 24 Meter breite und gut 20.240 Tonnen verdrängende „Bonn“ wurde am 13. September 2013 nach gut dreijähriger Bauzeit in Dienst gestellt. Sie soll Anfang November wieder einsatzklar sein.

Während die beiden Schwesterschiffe „Berlin“ und „Frankfurt am Main“ bei der FSG beim klassischen Stahlbau gewissermaßen aus einem Guss entstanden, waren am Entstehungsprozess der „Bonn“ gleich vier deutsche Werften beteiligt. So baute die Peene-Werft in Wolgast den Rumpf, die FSG produzierten die Aufbauten, ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) schweißte diese Großkomponenten auf ihrer Werft in Emden zusammen.

Alle drei EGV sind Bestandteil des in Wilhelmshaven beheimateten Trossgeschwaders. Ihm gehören insgesamt zehn Einheiten an, darunter auch die beiden nunmehr 40 Jahre alten Betriebsstofftanker „Rhön“ (A 1443) und „Spessart“ (A 1442).

Ursprünglich für eine dänische Reederei auf der Rendsburger Kröger-Werft gebaut, wurden die beiden Tanker durch den Bund 1976 aufgekauft und für die Marine-Aufgaben umgerüstet. Sie fahren im Friedensbetrieb mit einer zivilen Besatzung, während die EGV von Anfang an eine rein militärische Bordstruktur haben. Knapp 160 Mann Stammbesatzung fahren auf den EGV. Je nach Einsatzverwendung kann die Gesamtbesatzung durch das Einschiffen von Spezialkräften auf bis zu 260 Frauen und Männer anwachsen. Die beiden Flotten-Tanker, von denen die „Spessart“ (ex „Okapi“) am 5. September 1977 in Kiel und die „Rhön“ (ex „Okene“) am 23. September des gleichen Jahres in Kiel in Dienst gestellt wurden, werden mit einer knapp 50-köpfigen Besatzung betrieben. Jeder der beiden Einheiten kommt auf eine Einsatzverdrängung von knapp 14.200 Tonnen. Die Tanker sind im Verlauf ihrer 40-jährigen Einsatzgeschichte für die Marine sehr weit herumgekommen, da sie im Besonderen die „Dickschiffe“, als die für den Hochseeeinsatz konzipierten Fregatten auf deren Manöver, Operationen und Auslandseinsätze regelmäßig begleiten.

Die Intensivbeanspruchung hat indes auch für diese Schiffe eine Kehrseite. Denn bei beiden Einheiten gab es inzwischen Maschinenprobleme. Das ist aktuell der Fall bei der „Spessart“, die im Marinearsenal in Wilhelmshaven liegt. Für die „Rhön“ steht indes ein neuer Einsatz bevor. Wie es heißt, soll sie am Sonnabend den Jade-Hafen verlassen.

Was die beiden Tanker betrifft, kommt hinzu, dass deren technische Lebenszeit aufs Ende zuläuft. Ein Upgrading, um die Schiffe noch bis weit in die neue Dekade verfügbar zu haben, kommt für die Marine kaum in Frage. Der entscheidende Grund: Das Tanker-Duo hat noch einen Einhüllen-Rumpf. In der Handelsschifffahrt ist heute aus Sicherheitsgründen die Doppelhülle bereits der weltweit verpflichtende Standard. Denn ein Zweihüllenschiff bietet im Fall einer Havarie einfach mehr Sicherheit. Klar ist indes: Es soll im Zuge des politische gewollten Flottenaufbaus beziehungsweise der Ersatzbeschaffung für ältere Schiffe auch einen Ersatz für die beiden Tanker geben. Angesichts der aufwändigen Zulaufprozeduren ist aber nicht mit einem Ersatz vor 2020 zu rechnen, heißt es in Marinekreisen.

Die Materiallage im für die Marine wichtigen Trossgeschwader steht dafür durchaus stellvertretend für den Zustand auch anderer Teile der schwimmenden Flotte. Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur der Marine, ist über deren Dauerbeanspruchung jedenfalls besorgt und unterstreicht das auch bei den verschiedenen Gelegenheiten. „Unsere Material wird einsatzbedingt stark beansprucht und erfordert in Anbetracht der Nutzungsdauer einen hohen Instandsetzungsaufwand. Durch verdeckte Schäden und Nachträge laufen Werftliegezeiten sowohl zeitlich wie auch kostenmäßig zunehmend aus dem Ruder“, stellte Krause bereits Ende 2016 fest. EHA

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