Schwergutfrachter als „XXL-Haus“-Boot

Schwergutfrachter wird „XXL-Haus“-Boot: Was wie ein Modell-Ablauf aussieht, fand in Bremerhaven wirklich statt, Foto: Scheer

Gerollt, nicht gehoben: Mit dem SPMT gelangt das Modul an Bord, Foto: Scheer

Ansichtssache: Aus der Vogelperspektive wirkt das Großprojekt „normal“, Foto: H. Lang
The sky is the limit: Wenn heute eine Fabrik oder sonstige Industrieeinrichtung über den Seeweg verschifft werden soll, dann werden die zu verladenden Ladungskolli immer größer, schwerer und in sich vollständiger.
Vereinfacht gilt der Grundsatz: So komplett wie möglich im Verschiffungshafen vormontieren, auf Spezialtonnage verladen und so dicht wie möglich zum künftige Einsatzort transportieren.
So oder ähnlich könnte die Vorgehensweise beim Großanlagenbauer ThyssenKrupp Industrial Solutions geplant gewesen sein, um eine sogenannte Sieb- und Brecheranlage für eine Erzmine im fernen Kanada punktgenau vorzumontieren und danach zu verschiffen. Nur diese beiden Zahlen seien genannt: 1800 Tonnen schwer ist allein die Siebanlage, die vollständig in einer Großkonstruktion „eingehaust“ ist. Diese ist rund 34 Meter hoch und 30 Meter breit.
Mit anderen Worten: Die Ingenieure und Logistikexperten der verschiedenen Projektpartner mussten sich schon einiges einfallen lassen, um den Fabrikgiganten über den großen Teich, also den Nordatlantik, bis hin zum Zielort zu transportieren. Dafür steht als Spezialschiff die erst 2016 gebaute, unter niederländischer Flagge fahrende „Biglift Barentsz“ (IMO 9710464) zur Verfügung. Der 173 Meter lange und 42 Meter breite Gigant hat eine Tragfähigkeit von 20.200 Tonnen. Einer seiner besonderen Vorteile: die gewaltige, besonders verstärkte Decksplattform, auf die Schwerstlasten im RoRo-Verfahren bewegt werden können.
Dass solch eine Anlage komplett und gewissermaßen „schlüsselfertig“ vormontiert wird, ist auch in der langen Geschichte von ThyssenKrupp keine Alltäglichkeit. Die jetzt von Bremerhaven aus zu verschiffende Minen-Anlage, die seit dem Frühjahr 2018 von der BLG Logistics Group im Bereich der sogenannten ABC-Halbinsel aufgebaut und weitgehend endmontiert wurde, ist ein solcher Fall. Für die umfassende Vormontage entschieden sich die Projektbeteiligten auch deshalb, weil das Gesamtkonstrukt in einer unwirtlichen Umgebung, bei Extremtiefsttemperaturen, aufgestellt wird.
Die Mary River Mine auf Baffinland befindet sich nämlich rund 600 nördlich des Polarkreises. Das Zeitfenster, das die Natur dem Menschen einräumt, ist kurz: Frühling und Sommer sind gewissermaßen einen Wimpernschlag lang, dafür hat der Winter einen ziemlich langen und auch eiskalten Atem.
Aufgrund der Komplexität des Gesamtprojektes wurde die Verladung in Phasen gegliedert. Die erste begann am Sonnabend. Rund 150 Mitarbeiter, die für die verschiedenen Projektbeteiligten tätig sind, kümmerten sich am Sonnabend um das erste Großmodul. Dabei musste unter anderem für den Seetransport das Ladungsgut besonders stabilisiert und gesichert werden. Es gilt nicht nur, die zu erwartenden natürlichen Roll- und Stampfbewegungen des Spezialfrachters aufzufangen, sondern auch die als Folge der hohen Aufbauten erhebliche Windangriffsfläche im Wortsinne sturmfest zu machen. Die Ladungssicherungsmaßnahmen können sich sehen lassen: So wurden allein bei der Siebanlage 400 Tonnen Stahl zusätzlich zur Stabilisierung verbaut. Bei der getrennt verbauten Brecheranlage kamen noch einmal rund 300 Tonnen zusätzlicher Sicherungsstahl hinzu.
Das Verlasten der Großbauteile auf das Hauptdeck des Frachters erfolgte mit hochmobilen Spezialplattformen,den SPMTs (Self-Propelled Modular Transporter). Sie wurden unter anderem durch die BLG gestellt, Insgesamt zwei Wochen sind für den Seetransport veranschlagt. Bis das Werk seine Arbeit aufnehmen kann, werden noch mehrere Monate vergehen. EHA/CE