Rostock: Industrie-Cluster wächst weiter

Rostock und Liebherr: Das ist eine ganz besondere Erfolgsgeschichte. Vor zehn Jahren nahm das Unternehmen im Überseehafen seine neue Produktionsstätte unter anderem für Hafenmobilkrane in Betrieb – und wächst seitdem kontinuierlich.

Von Thomas Schwandt, Fachjournalist Verkehr/Wirtschaft

Als die Wirtschaftsförderer der Hansestadt Rostock zu Beginn der 2000er Jahre mit der Firmengruppe Liebherr einen renommierten Investor an den Haken bekamen, war nicht absehbar, wie sich das Engagement des Kranbauers an der Ostsee entwickeln würde. Damals war die Rede von bis zu 300 Mitarbeitern. Nach zehn Jahren sind daraus knapp 1400 Beschäftigte geworden.

Liebherr-Ansiedlung als Standortmagnet

Die Firmengruppe Liebherr hatte sich für Rostock als Standort zur Produktion maritimer Krane entschieden, weil das Areal im Seehafen unmittelbar an die Kaikante heranreicht. So können die Großgeräte direkt und endmontiert aufs Schiff verladen und anschließend zu den Kunden in Europa oder Übersee problemlos weitertransportiert werden.

Die Liebherr-MCCtec Rostock GmbH, so die offizielle Firmierung, startete 2005 zunächst mit der Produktion von Hafenmobilkranen (LHM). Später kamen Schiffs- und Offshore-Krane sowie Reachstacker für den Containerumschlag hinzu.Für den Seehafen bedeutete die Investition von Liebherr eine Art Initialzündung für weitere Ansiedlungen. So folgte mit der EEW Special Pipe Constructions GmbH, einer Tochter der Erndtebrücker Eisenwerk GmbH & Co. KG (Nordrhein-Westfalen), bereits kurze Zeit später ein weiteres metallverarbeitendes Unternehmen. EEW SPC fertigt Großrohre vor allem für die Offshore-Windenergie. In einem weiteren Schritt siedelte sich auch die mittelständische Hamburger Krebs-Gruppe in der Rostocker Ost-West-Straße an. Das Unternehmen mit inzwischen rund 450 Mitarbeitern gilt als Spezialist für Metall-Oberflächenbehandlung, also vor allem Korrosionsschutz. Es errichtete seine Produktionshalle direkt neben der von EEW. Sowohl für diesen Betrieb als auch für Liebherr ist Krebs als Systempartner tätig. Ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Cluster-Bildung ist damit gegeben.

Neue Montagehalle für Offshore-Großkrane

In den zurückliegenden zehn Jahren hat die Liebherr-MCCtec Rostock GmbH ihr Werk auf Pier III permanent ausgebaut. Zum Beispiel entstand die Liebherr-Akademie, in der mittlerweile nicht nur der eigene Fachkräftenachwuchs, sondern auch der von anderen Firmen aus der Region ausgebildet wird – das als gesonderte Dienstleistung. Markantester Neubau jüngeren Datums ist eine 740 Meter lange Montagehalle, in der auf einer Fläche von sechs Fußballfeldern Offshore- und Schiffskrane gefertigt werden. Die Halle ist mit modernen Bearbeitungszentren ausgestattet und mit Krananlagen, die bis zu 200 Tonnen Last heben können.

Derzeit wird im Liebherr-Werk erneut kräftig investiert. Unter anderem werden ein Trainingszentrum für Kranführer und ein zusätzliches Verwaltungsgebäude gebaut, das Anfang 2016 fertiggestellt sein soll. Doch geht es diesmal nicht allein um eine quantitative Erweiterung. Ende 2012 wurde ein Neustrukturierungsprozess innerhalb der Liebherr-Sparte Maritime Krane eingeleitet. „Der Standort Rostock trägt in Zukunft die Produktverantwortung für die maritimen Krane“, sagt Renate Gundlach, Sprecherin des Rostocker Liebherr-Werkes.

Zwar behält die Liebherr-MCCtec GmbH in Nenzing (Vorarlberg/Österreich) als Spartenobergesellschaft die operative Gesamtführung, doch wird sich die Fertigungsstätte in Nenzing künftig auf Baumaschinen fokussieren. Das Rostocker Werk gewinnt mit der Bildung eigener Vertriebs- und Konstruktionsstrukturen erheblich an strategischem Gewicht und „spielt für das weitere Wachstum und die Stärkung der internationalen Marktposition bei maritimen Kranen eine wichtige Rolle“, betont Gundlach. Der Fertigungsverbund der vier europäischen Sparten-Produktionsstandorte in Killarney (Irland), Sunderland (Großbritannien), Nenzing und Rostock bleibt erhalten.

Hafenmobilkrane von Rostock in die ganze Welt

Innerhalb des breiten Produktportfolios von Hafenmobilkranen sowie Schiffs- und Offshore-Kranen sorgte die Liebherr-MCCtec in Rostock zuletzt mit einigen Neuentwicklungen für Furore. Mit dem LHM 800 präsentierten die Rostocker unlängst den weltgrößten Hafenmobilkran. Die Hubkapazität von 308 Tonnen übertrifft den Vergleichswert des bisher stärksten Hafenmobilkrans, des LHM 600, um 100 Tonnen. Nach Darstellung von Liebherr kann der LHM 800 in der Ausstattungsvariante für den Containerumschlag dank eines 64 Meter langen Auslegers problemlos Frachter mit einer Breite von bis zu 22 Containerreihen be- und entladen.

Fast zeitgleich brachten die Kranbauer von der Warnow mit dem CBB 3800 einen neuen Schwerlastkran für das Segment Schiffskrane auf den Markt. Bereits im vorigen Jahr wurde bei Offshore-Kranen ein interessantes Kapitel aufgeschlagen. Der neu entwickelte Tiefseekran vom Typ RL-K 7500 ist mit Knick gelenk aus leger in der Lage, Lasten von bis zu 300 Tonnen maximal 3400 Meter tief in das Meer abzusenken. Die ersten drei RL-K 7500 wurden 2014 gebaut und an Kunden in Asien ausgeliefert.

Renate Gundlach weist dar auf hin, dass die umsatzstärkste Sparte am Standort Rostock die vielseitig einsetzbaren Hafenmobilkrane sind. An der Ostsee werden zudem die meisten Liebherr-Hafenmobilkrane gefertigt. Insgesamt 112 ausgelieferte Umschlaggeräte im vergangenen Jahr bedeuten einen Fertigungsrekord für die maritime Sparte von Liebherr. „Dies war die höchste je von einem Hersteller innerhalb eines Jahres ausgelieferte Stückzahl. Damit konnte die Marktführerschaft deutlich ausgebaut werden“, ergänzt Gundlach. Der Weltmarktanteil liege nun deutlich über 60 Prozent.

Gute Verkehrsanbindung begünstigt Werkslogistik

Im Offshore-Bereich sei nach erfolgreicher Absatzentwicklung 2014 aktuell eine Stagnation zu beobachten. Insbesondere der sinkende Ölpreis führte zu einem Rückgang der Aufträge. Gundlach weiter: „Der Bereich der Schiffskrane entwickelt sich seit Jahren eher verhalten, was vor allem auf die gegenwärtigen Flotten-Überkapazitäten zurückzuführen ist. Positive Signale gibt es indes für den Bereich Schwerlast-Schiffskrane.“

Neben der Entwicklung hocheffizient arbeitenden Umschlaggeräts werden im Rostocker Liebherr-Werk auch die Produktionsabläufe optimal organisiert. Dabei erweist sich die günstige Lage im Seehafen nicht nur bei der Kran-Verschiffung als Vorteil. Das Gelände ist auch bestens an das Hinterland angebunden. Die Autobahn A 19 (Rostock–Berlin) führt direkt bis in den Hafen hinein. Die neue 740 Meter lange Stahlbauhalle 4 verfügt über ein eigenes Anschlussgleis. Per Bahn werden rund 90 Prozent der benötigten Stahlbleche angeliefert. Nach Werksangaben werden wöchentlich 15 bis 20 Waggons von DB Schenker Cargo Rail mit Spezialhubtechnik in der Halle entladen. Das sind gut 500 Tonnen Stahl. Die Bleche gelangen aus Walzwerken in Niedersachsen und dem Ruhrgebiet, aus Österreich, Frankreich und Belgien über den Schienenweg an die Ostsee. Beinahe täglich öffnet sich das Rolltor in Halle 4 für die Einfahrt der mit dem Halbfertigprodukt bestückten Waggons. Darüber hinaus erreichen Baugruppen und Systemkomponenten das Werk zumeist per Lkw. Täglich rollen bis zu 35 Trucks auf das Firmengelände.

Auf einen blick

Liebherr-MCCtec in Rostock gehört zur internationalen Firmengruppe Liebherr. Diese beschäftigt weltweit etwa 41.000 Mitarbeiter. 2014 erreichte die Gruppe einen Gesamtumsatz von rund 8,8 Milliarden Euro. Dachgesellschaft ist die Liebherr-International AG in Bulle (Schweiz).

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