Reges Werben um die Gunst der Verlader

Will für den seewärtigen Außenhandel in Nordrhein-Westfalen ein noch wichtigerer Partner werden: Hamburgs Hafen, Foto: Arndt

Spielt im Seehafen-Hinterland-Verkehr mit Nordrhein-Westfalen weiterhin eine große Rolle: der Güterkraftverkehr, Foto: Arndt
Die „Hinterland-Pflege“ gehört zu den Kernaufgaben der Hafen Hamburg Marketing (HHM). Neben den klassischen Regionen wie Süd- oder Mitteldeutschland gehört für HHM-Vorstand Axel Mattern zunehmend auch der Westen der Republik dazu: Nordrhein-Westfalen.
Das bevölkerungsreichste Bundesland (rund 17,6 Millionen Einwohner mit Stand 2014) hat weiterhin einen sehr starken industriellen Kern. Zwar sind der sogenannte Montansektor oder die Chemiesparte weiterhin prägend. Doch darüber hin aus bilden auch Branchen wie der Automobil- und Maschinenbau, Umwelttechnologie oder die Ernährungwirtschaft das stabile Industriefundament von NRW. „Für Deutschlands größten Universalhafen ist Nordrhein-Westfalen mit seiner vom Außenhandel geprägten Wirtschaft von sehr großer Bedeutung“, betont Mattern.
Auf Jahresbasis entfallen im Wechselverkehr mit dem Land an Rhein und Ruhr gut eine halbe Millionen TEU. Eine beachtliche Menge vor dem Hintergrund eines scharfen Wettbewerbs. Denn die Westhäfen, allen voran Rotterdam, Antwerpen, aber auch Amsterdam und Zeebrugge, konzen trieren einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Hinterland-Marketinganstrengungen auf Nordrhein-Westfalen, das sowohl für die Niederlande als auch für Belgien der direkte Nachbar ist. Der Rhein ist das große Transportband für den Seehafenhinterlandverkehr zwischen den Westhäfen und NRW, etwa für Massengüter wie Erz und Kohle, die in den deutschen Stahlschmieden an Rhein und Ruhr zu Qualitätsstahl- und Eisenerzeugnissen veredelt werden. Auch eilbedürftige Kaufmannsgüter nutzen diesen günstigen Transportweg. Container-Binnenschiffslinien pendeln in enger Taktfolge zwischen NRW und den Westhäfen.
Mit dem multimodalen Drehkreuz Duisburg, das in den zurückliegenden drei Jahrzehnten einen erfolgreichen Strukturwandel vom eher Massengut-orientierten Hafen zur intermodalen Drehscheibe für Bulkgüter, hochwertige Konsumwaren und vielschichtige Logistikaktivitäten durchlaufen hat, hält NRW einen starken Trumpf in Händen. Sowohl Rotterdam als auch Antwerpen bemühten sich in den zurückliegenden Jahren wiederholt um eine direkte Einstiegsmöglichkeit beim Hafen Duisburg. Bislang noch ohne Erfolg. Allerdings sind diese beiden Länder und ihre Kernhäfen Rotterdam und Antwerpen indirekt durch Logistik- und Hafenunternehmen in Duisburg verankert. Das schafft Nähe, die sich auch in entsprechenden Verkehrsströmen widerspiegelt. „Wenn Rotterdam oder Antwerpen eine Erkältung haben, bekommt Duisburg einen Husten“, lautet ein geflügeltes Wort an Maas oder Schelde.
Um diese engagierte Konkurrenz weiß man in Hamburg natürlich. Und das scheint auch der Ansporn für ein besonders engagiertes Werben um die Gunst der verladenden und transportierenden Wirtschaft in NRW zu sein. Seit Sommer 2014 gibt es eine eigene Hamburg-Repräsentanz in Dortmund. Das ist kein Zufall: Denn der Hafen Dortmund ist auch Mitglied von HHM. Vergleichbare Einrichtungen haben Rotterdam und Antwerpen zwar nicht in NRW. Sie betreuen „ihren“ Hausmarkt jedoch von ihren Häfen aus intensiv mit eigenen Spezialisten. Volker Hahn, Leiter der Hamburg-NRW-Dependance, spricht von einem „richtigen Schritt“ und einem „deutlichen Signal“. „Der Hamburger Hafen möchte seine Präsenz in Nordrhein-Westfalen stärken und ausbauen. Den Import- und Exportunternehmen in Nordrhein-Westfalen bietet Hamburg beste Verkehrsanbindungen durch Liniendienste in alle Teile der Welt“, so Hahn.
Für den Warenverkehr von und nach Hamburg spielen vor allem die beiden Landverkehrsträger Lkw und Bahn eine entscheidende Rolle, auch wenn der Elbehafen und NRW natürlich über das Kanalnetz auch den Verkehrsträger Binnenschiff einsetzen können. Aus HHM-Sicht soll in Zukunft Bönen im Kreis Unna eine starke Rolle spielen. Hier befindet sich das Logistikzen trum RuhrOst (LZR). Es wird von der Spedition Denninghaus, der Firma Alcotrans und den Kommunen Bönen und Unna gemeinsam betrieben. Zur Grundausstattung gehören in Bönen unter anderem rund 35 000 Qua dratmeter Umschlagfläche sowie zwei Portalkrane.
Hans Peter Wieland, Geschäftsführer Alcotrans Container Line GmbH – ein Unternehmen der neska intermodal Gruppe – kann auf starke, intermodal geprägte Verkehrsbeziehungen mit dem Hamburger Hafen verweisen.
Um die Region Ostwestfalen besser an die Westhäfen anzuschließen, wurde 2007 der sogenannte „OWX1“ gestartet. Eine Container-Ganzzug-Verbindung mit zunächst drei wöchentlichen Abfahrten. Der Zug pendelt inzwischen sechsmal pro Woche zwischen dem Rhein-Ruhr Terminal der neska intermodal im Hafen Duisburg und Bönen. Von Duisburg aus geht es mit dem Binnenschiff zu den Westhäfen und zurück. 2014 kam der „OWX2“ hinzu. Dieser Güterzug schließt die norddeutschen Seehäfen Hamburg und Bremerhaven über Bönen mit Zwischenstopp in Minden an Duisburg beziehungsweise die Westhäfen an. Inzwischen werden auf der Strecke drei Abfahrten in der Woche durchgeführt.
Kevin Gründer, General Manager des Rhein-Ruhr Terminals: „Wir wollen dieses Produkt weiter vorantreiben.“ Partner von neska intermodal sind dabei die Speditionen Denninghaus in Bönen und das Unternehmen Bobe in Minden. Von der ostwestfälischen Stadt aus kann Hamburg außerdem per Binnenschiff bedient werden.
Keine Frage: Hamburg hat sich mit seiner NRW-Offensive viel vorgenommen. Einmal mehr bewahrheitet sich hier ein Satz, den jeder Speditions- oder Schifffahrtskaufmann-Azubi irgendwann einmal zu hören bekommt: „Die Ladung sucht sich immer den günstigsten Weg“. Und der intensive Wettbewerb in der Nordwest-Range sorgt für die nötige Stimulanz in diesem Prozess.