Neue Marktchancen am Persischen Golf


Durch die schrittweise Lockerung des Embargos wachsen im Iran die Hoffnungen, auf den internationalen Handelsrouten künftig eine Schlüsselrolle einzunehmen. Große Linienreeder steuern wieder iranische Häfen an.
Nachdem der Containerumschlag der iranischen Häfen 2015 um 8,4 Prozent auf 2.183.610 TEU (2014: 2.382.870 TEU) zurückging, sind die Prognosen für die Zukunft aufgrund der Anfang des Jahres gelockerten Handelsbeschränkungen wieder positiv. In den nächsten fünf Jahren könnte der Container umschlag des Landes jährlich um 25 Prozent zulegen und auf acht Millionen Standardcontainer steigen, so die Erwartungen von Mehdi Rastegary, Head of Research and Development der Sina Ports & Marine Services. Der Umschlagspezialist ist in vier iranischen Häfen vertreten und managt in Shahid Rajaee Port den 2013 fertiggestellten Containerterminal CT2, der auch für Großcontainerschiffe ausgelegt ist. Künftig könnte beispielsweise die Eurogate Gruppe im Verbund mit Sina im Iran aktiv werden. Eine entsprechende Absichtserklärung haben beide Unternehmen bereits formuliert.
Derzeit läuft eine Ausschreibung für den Betrieb des 1984 gebauten Containerterminals CT1. Die Konzession ist auf fünf Jahre befristet. Der Terminal 1 verfügt bei einer Kailänge von 957 Metern und 12 Metern Wassertiefe über eine Kapazität von 1,2 Millionen TEU. Bislang liegt das Umschlaggeschäft noch in den Händen der Beta Port and Marine Services Development Company. Ob sich daran etwas ändert, soll sich noch in diesem Jahr entscheiden.
Hub für Containerumschlag
Shahid Rajaee Port ist der größte Hafen des Landes und liegt 30 Kilometer westlich von Bandar Abbas. Etwa 90 Prozent der ein- und ausgehenden Containerverkehre und rund die Hälfte aller Im- und Exporte laufen allein über den im Süden des Iran, am Persischen Golf gelegenen Knotenpunkt. Im vergangenen Jahr gingen in Shahid Rajaee mit insgesamt 1.703.449 Standardboxen (2014: 1.766.645 TEU) deutlich weniger Container über die Kaikante. Laut Statistik der Ports & Maritime Organization lag der Anteil der beladenen Importboxen bei 846.663 TEU, während die Containerausfuhren mit 404.328 TEU (beladen) nur rund die Hälfte ausmachten. Für dieses Jahr wird aber mit Steigerungs raten gerechnet.
Insgesamt liegen die derzeitigen Containerkapazitäten in Shahid Rajaee bei einem Jahresumschlag von vier Millionen TEU. Daher gibt es Pläne für einen dritten Terminal. Nach der Projektbeschreibung des iranischen Verkehrsministeriums (Ministry of Roads) soll die neue Anlage über eine Größe von 55 Hektar, 1100 Meter Kailänge, 16 Meter Wassertiefe und eine Jahreskapazität von 1,4 Millionen Standardboxen verfügen. Dafür müssen zunächst 1,7 Millionen Kubikmeter Sand ausgebaggert werden. Für das Operating sind neun Containerbrücken und 22 RTG geplant. Das Ministerium hat für diese Basisausstattung ein Investment von 280 Millionen US-Dollar und eine Bauzeit von zwei Jahren berechnet. Im Rahmen eines sogenannten Build-Operate-Transfer-Kontraktes (BOT) ist vorgesehen, die Realisierung und den Betrieb (für 20 Jahre) privaten Investoren zu überlassen. Diese scheinen auch nicht abgeneigt, sich am Persischen Golf zu engagieren. Der wachsende Markt mit rund 80 Millionen Konsumenten im Iran sowie die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit der EU, China, den USA, Russland und Indien gelten als Treiber für die zu erwartende Konjunkturbelebung. Iran sieht sich zudem selbst als Tor zu den weniger entwickelten Nachbarstaaten, einschließlich Afghanistan und Irak.
Betreiber aus dem Ausland
Weltweit stehen die Akteure aus Handel, Industrie und der maritimen Wirtschaft in den Startlöchern, um von dem prognostizierten Boom zu profitieren. So unterzeichnete der Hafen Antwerpen ein Memorandum of Understanding (MoU) mit der Shahid Rajaee Port Authority über die Zusammenarbeit bei Hafenentwicklungsprojekten.
Mit der indischen Regierung wurde im Mai 2016 eine Vereinbarung über den Ausbau des Hafens und der Freizone von Chabahar am Golf von Oman unterschrieben. Indien will 500 Millionen US-Dollar investieren, um Chabahar als Hub für Exporte nach Afghanistan und Zentralasien zu nutzen. Damit entfiele einerseits die Landroute über Pakis tan, andererseits sollen über Chabahar auch indische Gas-Importe geroutet werden.
Wichtiges Bindeglied bei diesen Überlegungen ist die 1400 Kilometer lange Schienenstrecke zwischen Chabahar und Zahedan (nahe der Grenze zu Afghanistan) beziehungsweise Mashad, mit Anbindung Richtung Zen tral asien. Das Projekt ist seit 2012 im Bau. Unterdessen sind die Chinesen dabei, in Pakistan den Tiefwasserhafen Gwadar auszubauen. Er soll Ende des Jahres in Betrieb gehen. In diesem Zusammenhang gibt es Vermutungen, dass Indien sich mit dem Projekt in Chabahar von einem allzu starken chinesischen Einfluss in der Region unabhängig machen möchte.
Entwicklungspotenzial
Mit Blick auf internationale Verkehre stehen laut Irans Ports and Maritime Organization fünf der elf Handelshäfen besonders im Fokus. Neben dem Containerhafen Shaheed Rajaee und Chabahar sollen die Häfen Imam Khomeini, Anzali und Amirabad weiter ausgebaut werden. Imam Khomeini Port, der zweitgrößte Hafen des Landes in der Nähe von Bandar-e Mahshahr, ist als Umschlagplatz für Getreide und Öl von großer Bedeutung. Für Anzali gibt es Pläne, den Hafen zur Hauptdrehscheibe für Im- und Exporte zu entwickeln, während Amirabad Port als Transportknotenpunkt für Verbindungen nach Zentralasien, Europa und den übrigen Mittleren Osten fungieren soll. Darüber hinaus entstehen auf der Insel Negin Island in Bushehr neue Kapazitäten für den Umschlag von Containern (600.000 TEU pro Jahr) und Flüssigladung sowie ein Multipurpose-Terminal.
Wieder im Fahrplan
Wesentlicher Motor für die erwartete Belebung im iranischen Hafenumschlaggeschäft ist die Schifffahrt. Die Mediterranean Shipping Company (MSC) hat seit Ende vergangenen Jahres ihren 2012 eingestellten Asien-Mittelost-Dienst „Falcon“ wieder aktiviert. Neben der United Arab Shipping Company (UASC) bedient auch die koreanische Reederei Hyundai Merchant Marine (HMM) im Rahmen des umstrukturierten Korea-Middle East Express (KME) sowie mit dem neuen China-Middle East Express (CME) den größten iranischen Hafen in Bandar Abbas. Evergreen und CMA CGM laufen schon seit Mitte vergangenen Jahres mit ihren Schiffen den Iran an. CMA CGM hat zudem mit der staatlichen iranischen Reederei IRISL (Islamic Republic of Iran Shipping Lines) ein Vessel-Sharing-Agreement verein bart.
Die IRISL Gruppe nahm im Februar den regelmäßigen Vollcontainerdienst (Europe Container Line/ECL) zwischen Bandar Abbas und Hamburg durch das Tochterunternehmen Safiran Payam Darya Shipping Company (SAPID) auf. Als erstes Schiff kam im März die „Azargoun“ (2478 TEU) nach Hamburg. Die 1967 als Aria Shipping Lines gegründete IRISL verfügt nach eigenen Angaben über eine Flotte von 155 Schiffen, darunter 41 Containerfrachter mit einer Kapazität von insgesamt 120.000 TEU. Dem seit September 2015 amtierenden neuen IRISL-Chef Mohammad Saei di zufolge will die Staatsreederei in den nächsten Jahren stark expandieren und in fünf Jahren zu den weltweit zehn größten Reedereien gehören. Bei chinesischen und südkoreanischen Werften sollen vor allem Großcontainerschiffe bestellt werden. Mit den Neubauten will die Reederei bis 2020 ihre Transportkapazitäten um 570.000 TEU aufstocken.