Leise, aber beharrlich an die Weltspitze
Die heutige Stellung Chinas im Spitzenfeld der weltweiten Schifffahrts- und Schiffbaunationen ist nicht das Ergebnis weniger Jahre, sondern eine auf Jahrzehnte angelegte und vollzogene Hinwendung zur See – getrieben von der Überzeugung, dass nur der Weltstellung besitzt, der Zugriff auf die Seewege hat.
Der Wiesbadener TV-Journalist und promovierte Politikwissenschaftler Dr. Ingo Herbst hat sich diesem spannenden Kapitel der Schifffahrt der Neuzeit in einer Dokumentation angenommen, die er gemeinsam mit seinem Kameramann Ulrich Andrée im Verlauf von mehr als drei Monaten erstellte.
„Chinas Macht auf dem Meer“ lautet das jüngste Werk des wiederholt preisgekrönten Dokumentarfilmers, das am Freitag, den 5. Juni um 21 Uhr auf 3Sat ausgestrahlt wird. Für ZDFinfo gibt es darüber hinaus eine 45-minütige Version des Films, die aber zu einem späteren Zeitpunkt über den Sender geht.
Den Impuls zu diesem Film gab dabei eigentlich ein anderes Projekt: die Recherchen zum geplanten neuen Kanal in Nicaragua, dem „Gran Canal“. Denn Herbst fand heraus: Das Milliardenvorhaben, das eine neue, in Teilen künstlich angelegte Wasserstraße in relativer Nachbarschaft zum rund 100 Jahre alten Panamakanal darstellt, wird maßgeblich auf Betreiben chinesischer Geldgeber forciert.
Doch Chinas Spuren fanden sich auch anderswo auf der Welt. Etwa auf Kuba, das, nach Jahrzehnten der politischen Isolation durch die USA, jetzt auch von den Vereinigten Staaten als potenzieller Länderpartner rehabilitiert wird. Auf der Insel verfolgen die Chinesen konkrete maritime Interessen. Es geht um die Sonderwirtschaftszone sowie den Hafen Mariel. Unternehmen aus dem Reich der Mitte wollen hier massiv investieren.
Damit war der China-Ball ins Rollen gekommen. Die Idee zum Erstellen eines Films um die groß angelegten maritimen Ambitionen war geboren. Im Rahmen ihrer umfangreichen Recherchen reisten die Beiden rund um den Globus in Länder und Häfen, die für die Industrie- und Seefahrtnation China von strategischer Bedeutung sind. Spannendes entdeckte Herbst auf Sri Lanka, wo ein gewaltiger Tiefwasserhafen im Wortsinne aus dem Boden gestampft wird – mit maßgeblicher chinesischer Unterstützung.
Doch auch dieser Filmstopp gehörte für das Team Herbst & Andrée zum umfangreichen Recherche-Programm: ein Besuch beim Täglichen Hafenbericht (THB) in Hamburg. Der Autor, der eine eigene Filmproduktionsfirma hat, stieß nämlich im Rahmen seiner umfangreichen Vorrecherchen zum Film auf den THB. Es folgten ein erstes, sehr ausführliches Telefonat und schließlich die Vereinbarung eines konkreten Drehtermins kurz nach Ostern in den Räumlichkeiten des THB im Hamburger Verlagsgebäude an der Nordkanalstraße 36.
Mit THB-Redakteur Eckhard-Herbert Arndt arbeitete Herbst einen umfangreichen Fragenkatalog ab. Ein interessantes Erlebnis für beide Journalisten. Beim THB-Gespräch ging es vor allem darum, über globale Entwicklungen in der Schifffahrtsindustrie zu sprechen. Aussagen aus diesem Austausch verwob Herbst in der Dokumentation mit Statements und Erläuterungen anderer maritimer Experten aus verschiedenen Ländern.
In Deutschland gehörte neben Hamburg auch ein Abstecher nach Wilhelmshaven zum Rechercheprogramm. Der im September 2012 eröffnete Tiefwasserhafen setzt auch auf den Faktor China, nicht zuletzt deshalb, weil in Wilhelmshaven die Großcontainerschiffe mit 13.000 TEU-plus ohne Tiefgangsbeschränkungen abgefertigt werden können. Für Europas weiterhin führenden China-Hafen, Hamburg, stellte sich für Herbst schnell diese Erkenntnis heraus: Die Elbvertiefung ist für den Hafen von zentraler Bedeutung, um weiterhin seinen Spitzenplatz im China-Trade zu behaupten. Folglich sind es nach seiner Analyse auch vor allem chinesische Interessen, die auf die erneute Fahrrinnenanpassung drängen.
Während die Interviewsituation beim THB in Hamburg, die um einen ausführlichen Besuch im Hafen ergänzt wurde, recht entspannt verlief, stellten andere Reiseziele sowohl hohe psychische als auch physische Belastungen dar. Neben klimatischen Faktoren war es immer wieder eines: der Riesenaufwand, um Dreh- und Sondergenehmigungen zu erhalten. Oftmals drohten gemachte Zusagen aus unerfindlichen Gründen wieder zu zerfallen. Einmal mehr galt die Erkenntnis: „Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.“
Beharrlichkeit, Glück und auch Zufall waren somit ständige Begleiter im Rahmen dieser Produktion. Doch nur so konnte Herbst alle Bilder und Fakten für die Dokumentation sammeln, die bislang noch über keinen deutschen Sender in dieser Konzentration ausgestrahlt wurden. Sein Resümee: „Der Weg des Drachens über die Meere ist zwar leise, aber er wird in wenigen Jahren seine Wirkung zeigen.“