Binnenschiff in Logistikketten eingliedern

Im Kielwasser: In den Niederlanden – hier Amsterdam – spielt das Binnenschiff traditionell eine große Rolle, Foto: Arndt
Die Binnenschifffahrt soll durch die verladende und auch die transportierende Wirtschaft künftig verstärkt als „eine ernsthafte Alternative“ insbesondere zur Straße genutzt werden.
Dafür sprachen sich am Mittwoch in Bremerhaven verschiedene Experten auf der Fachveranstaltung und Konferenz „#IWTS 2.0 – Innovation and Competence Delivered“ aus. Die englische Abkürzung IWTS steht dabei für „inland waterway transportation system“, also das deutsche Wort „Binnenschifffahrt“. Auf der Tagung standen Fragen wie zum Beispiel „Wie lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt verbessern?“ oder „Welche technischen Möglichkeiten bringt die Digitalisierung, um das umweltfreundliche Transportsystem zu stärken?“ auf der Agenda.
Von welchen internationalen Modellprojekten lässt sich lernen? Zum Teilnehmerkreis gehörten Experten aus Deutschland, den Niederlanden und Schweden. Sie erläuterten gemeinsam vor den Entscheidern aus Speditions- und Logistikwirtschaft, mit welchen Praxis-Ansätzen die Binnenschifffahrt in Zukunft wieder mehr Bedeutung erlangen kann. In seiner Einleitung in die Tagung erläuterte Jörg Peters, verantwortlich für Hafenentwicklung beim Bremer Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, die Zielsetzung des Senats unter anderem so: „Binnenschifffahrt ist nicht nur ein Thema für den Rhein, sondern gerade auch für die Nordhäfen.“
So berichtete zum Beispiel Dr. Vendela Santén, Projektleiterin am schwedischen Forschungsinstitut SSPA mit Sitz in Göteborg, über den erstmaligen Einsatz von Binnenschiffen im Container-Hinterlandverkehr des westschwedischen Hafens Göteborg. Entlang des Göta Alv, des Flusses der Göteborg mit seinem nordöstlichen Hinterland verbindet, finden derzeit Pilotprojekte statt. Dabei werden Container per Binnenschiff transportiert. Was in anderen Häfen schon seit Jahr und Tag Standard ist, war bis in Schweden bis 2014 wirtschaftlich kaum darstellbar: Erst in jenem Jahr trat ein nationaler Rechtsrahmen für die Binnenschifffahrt in Kraft mit der Folge, dass Binnenschiffe auf vielen Seen und Flüssen des Landes eingesetzt werden können. Damit stehe der verladenden und transportierenden Wirtschaft in Schweden jetzt auch eine Alternative zum Seeschiff zur Verfügung, natürlich auch zum Lkw oder auch zur Bahn.
Dr.-Ing. Marius Brinkmann, Geschäftsführer des ZDIN OFFIS e. V. (Institut für Informatik, Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen) erläuterte in seinem Referat, wie in der Seeschifffahrt der Austausch zwischen den Partnern einer Lieferkette im digitalen Zeitalter erfolgen soll. Das vom OFFIS entwickelte Tool „Maritime Connectivity Platform (MCP)” könne dabei auch für die Binnenschifffahrt von Nutzen sein, meinte Brinkmann.
Auf die insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen in der Binnenschifffahrt ging Christopher Beplat, Geschäftsführer der Norddeutsche Wasserweg-Logistik GmbH (NWL) ein. Er beklagte, dass große Teile der Infrastruktur nach wie vor zu wünschen übrig ließen. Darüber hinaus mache der Binnenschifffahrt auch die zunehmende Konzentration auf Seite der Containerlinienschifffahrt zu schaffen. Beplat erkennt erhöhten Aufklärungsbedarf über die Transportmöglichkeiten auf den Binnenwasserstraßen. Er erlebe es immer wieder, dass Disponenten in den Speditionen oftmals nicht über die Möglichkeiten der Binnenschifffahrt als alternativer Verkehrsträger Bescheid wüssten.
Im Rahmen des INTEREGG-Projektes soll auch diesem Mangel begegnet werden. So kommt bremenports die Aufgabe zu, junge Entscheidungsträger in Speditionen und bei Logistikdienstleistern entsprechend zu schulen. Projektleiter Dr. Lars Stemmler: „Neue Technologien bieten auch für die Binnenschifffahrt neue Chancen. Wir wollen unter dem Motto „modal shift is mind shift“ dem Logistik-Nachwuchs durch eine internetbasierte Trainingsplattform die Möglichkeiten aufzeigen, die die inländischen Wasserwege und die Binnenschifffahrt bieten.“
Für die MAH, die Maritime Akademie Harlingen (MAH), ein führender Anbieter von Berufsausbildung für die Binnenschifffahrts-Industrie, stellte Jörn Boll verschiedene Projekte vor. Dabei geht es vor allem darum, auch kleinere Binnenwasserstraßen, Kanäle wie auch Flüsse in den Niederlanden, stärker für die Binnenschifffahrt nutzbar zu machen. So berichtete er von einer großen Molkerei in den Niederlanden, die ihre Export-Container vollständig per Binnenschiff zum Seehafen Rotterdam verschifft. Nach THB-Recherchen handelt es sich dabei um die Firma FrieslandCampina.
Die Veranstaltung in Bremerhaven zur Zukunft der Binnenschifffahrt ist Teil eines INTEREGG-Projektes, das bremenports mit flämischen und niederländischen Partnern gemeinsam durchführt. EHA