Branche will IMO-Konvention aufschieben

Das Ballastwasserabkommen stellt Schiffseigner und Manager vor zukunftsweisende Investitionsentscheidungen (Foto: Hasenpusch)
Kurz vor Inkrafttreten der IMO-Ballastwasserkonvention wendet sich die Branche mit ihren Problemen an die Schifffahrtsorganisation – und will den Stichtag verschieben.
Eigentlich soll das Übereinkommen am 8. September 2017 verbindlich weltweit umgesetzt werden. Genau zwölf Monate zuvor kam die letzte notwendige Ratifizierung aus Finnland, um die vorgeschriebenen 35 Prozent der Welttonnage aus mindestens 30 Nationen zu erreichen. Damit wurden es dann, rund 12 Jahre nach Beginn des Prozesses exakt 35,1441 Prozent aus 52 Staaten. Folglich müssen alle Schiffe, die Ballastwasser ablassen und größer als 400 BRZ sind, entsprechend ausgerüstet sein. Für Neubauten gilt das ab sofort, bei Nachrüstungen innerhalb der folgenden fünf Jahre, gekoppelt an die Erneuerung des IOPP-Zertifikats (International Oil Pollution Prevention). Der DNV GL rechnet allein bei den von ihm klassifizierten Schiffen in diesem Zeitraum mit rund 450 Retrofits jährlich.
Doch an den Plänen wird jetzt gerüttelt. Die Branche ist offenbar noch nicht bereit.
Verschiedene Flaggenstaaten, darunter auch Liberia – nach Tonnage selbst das zweitgrößte Schiffsregister der Welt – appellieren an die International Maritime Organization (IMO), den Starttermin nach hinten zu verlegen. Um zwei Jahre. Der Vorschlag wurde schriftlich verfasst und steht beim 71. MEPC (Marine Environment Protection Committee) der IMO vom 3. bis zum 7. Juli zur Diskussion.
Ballastwasser-Experte Jad Mouawad vom norwegischen Beratungsunternehmen Mouawad Consulting bewertet die Verschiebung gegenüber dem Branchendienst „The Maritime Executive“ als realistische Möglichkeit. „Auf vielen Schiffen, die wir untersuchen, funktionieren die Behandlungsanlagen nicht richtig“, erklärt er. Das liege in fast allen Fällen an ungenügender Einweisung der Besatzung und mangelhafter In stallation. Nach der richtigen Ausbildung seien die Fehler dann aber behoben, so Mouawad.
Falls es also tatsächlich ein Zeitproblem gibt, ließe sich das lösen, indem der Stichtag nach hinten verschoben und damit mehr Raum für eine umfangreiche Vorbereitung geschaffen wird. So könnten auch die sich häufenden Nachrüstungsprojekte und ausstehenden Klassifizierungen entzerrt werden.
Aber dann stünde die Branche bereits vor der nächsten Schwierigkeit. Die Zahl der Hersteller von Ballastwasserbehandlungssystemen ist in den zurückliegenden Jahren dramatisch geschrumpft. Und mit jedem Umsatz, der dann vorerst ausbleiben wird, würde sie noch weiter zurückgehen. „Die Alternativen für Schiffseigner würden sich minimieren“, erläuterte Mouawad.
„Heute sind 69 verschiedene Systeme klassifiziert“, erklärte erst kürzlich der Bulkschifffahrtsverband Intercargo – ebenfalls im Rahmen eines Appells an die IMO. „Aber das heißt nicht, dass wir auch aus allen 69 Anlagen auswählen können.“ Das Problem soll hier bei den Systemen selbst liegen. Massengutfrachter, ähnlich wie Öl- und Gas-Carrier, würden überdurchschnittlich viel Ballastwasser pumpen. Die Kapazität der Behandlungsanlagen reiche aber nicht aus, um diese Mengen den neuen Standards entsprechend zu behandeln. Hinzu kämen unter anderem Platzprobleme bei der Nachrüstung der bestehenden Bulker, ein möglicherweise zu hoher Energieverbrauch bei der aktuellen Leistung und bislang unbekannte Auswirkungen von chemisch behandeltem Ballastwasser auf die Lackierung der Schiffsrümpfe. Auf Grundlage dieser Hindernisse schlug Intercargo eine Regellockerung für Massenguteinheiten vor, die ebenfalls beim MEPC für Gesprächsstoff sorgen dürfte.
Anfang Juli, nur noch drei Monate vor dem vorgesehenen Inkrafttreten des Abkommens, muss die IMO also entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie noch einmal in die bereits ratifizierten Regularien eingreifen will. Die Planungssicherheit, an der es den Marktteilnehmern in den zurückliegenden Jahren oftmals mangelte, wird jedenfalls noch auf sich warten lassen. Aber: Das Abkommen wird früher oder später in Kraft treten. Und das hat sich bereits seit einigen Jahren abgezeichnet. ger