150 Jahre Suezkanal

Foto: Hapag-Lloyd

Die „Münsterland“ wurde infolge des Sechs-Tage-Kriegs 1967 für acht Jahre im Suezkanal festgehalten, Foto: Hapag-Lloyd
Haushohe Containerschiffe hatte Ferdinand de Lesseps wohl kaum im Sinn, als er in Ägypten eine gewaltige Wasserstraße bauen ließ. 150 Jahre später ist der Suezkanal eine der wichtigsten Arterien im Welthandel – und Prestigeobjekt für Ägyptens Präsident Al-Sisi.
„Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven“, sagt Mohamed Roshdy über die meist 11 bis 16 Stunden lange Durchfahrt. Seit fast 40 Jahren arbeitet der Ägypter als Lotse am Suezkanal, wo ohne seine Anweisungen ein Millionenschaden oder Schlimmeres drohen kann. Herzprobleme seien häufig, sagt Roshdy, der Stressfaktor unter Kapitänen sei hoch. Mitarbeiter der Reederei Hapag-Lloyd oder des Energiekonzerns Shell kommen inzwischen für Schulungen zu ihm.
Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Frachter bei Strömung und Seitenwind durch eine schmale Schifffahrtsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmischen 40 oder 50 Knoten pro Stunde über den Kanal fegen und ein haushohes Schiff in einen „Ballon“ verwandeln, so Roshdy. „Wenn du die Steuerung verlierst, weißt du nicht, wo es hintreiben wird.“
Doch um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan die Niederlande, Italien oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung könnte ein Schiff bei 16 Knoten bald drei weitere Wochen kosten. Im eng getakteten Welthandel eine Ewigkeit.
Die enorme Zeitersparnis entzückte Händler, Schiffsleute und Politiker schon vor 150 Jahren, als der Bau am 17. November 1869 mit großem Pomp eröffnet wurde. 5000 prominente Gäste aus aller Welt reisten an, um das damals größte Projekt des maritimen Weltverkehrs zu bestaunen. Dass Zehntausende ägyptische Zwangsarbeiter unter brutalen Bedingungen schuften mussten und Tausende beim zehn Jahre langen Bau ums Leben kamen, wird heute selten erwähnt.
Die Aktien der Suezkanal-Gesellschaft waren zunächst zwischen Frankreich und Ägypten aufgeteilt, 1875 erwarb Großbritannien den ägyptischen Anteil. Für Ägypten beginnt die eigentliche Party somit erst 1956, als der damalige ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser den Kanal verstaatlicht. Die Wasserstraße entwickelte sich zu einer der wichtigsten Devisenquellen des Landes.
Infolge des Sechs-Tage-Kriegs mit Israel 1967 blieb der Kanal zwischenzeitlich jahrelang geschlossen. Erst 1975 erfolgte für den internationalen Schiffsverkehr wieder die Freigabe. Betroffen war damals auch Hapag-Lloyd. Der Frachter „Münsterland“ war acht Jahre und drei Monate im Suezkanal festgehalten worden und kehrte erst im Mai 1975 nach Hamburg zurück. Hunderttausende an den Landungsbrücken und am Elbufer verfolgten damals den spektakulären Empfang, an dem auch der Frachter „Nordwind“ der Nordstern-Reederei seinen Anteil hatte.
Doch zurück zum Suezkanal: Durch mehrfache Erweiterungen – zuletzt ein zweispuriger Ausbau auf zusätzlichen Abschnitten – soll die Wasserstraße auch für Container-Riesen attraktiv bleiben, vor allem durch verkürzte Wartezeiten. Im August meldete die Kanalbehörde einen „Rekordjahresumsatz“ von 5,9 Milliarden Dollar, im Februar gab es die höchste Tages-Tonnage in der Kanal-Historie.
Trotz dieser Jubelmeldungen wirkt das erklärte Ziel, den Umsatz bis 2023 mehr als zu verdoppeln, noch wie eine Seefahrermär. Kritiker werfen Präsident Abdel Fattah al-Sisi außerdem vor, mit der Erweiterung 2015 nur ein weiteres seiner Prestigeprojekte aus dem Boden gestampft und Staatsgeld verschwendet zu haben – ähnlich wie beim Bau einer neuen Hauptstadt östlich von Kairo. Ein Drittel der ägyptischen Bevölkerung lebt in extremer Armut und muss mit umgerechnet etwa einem Euro am Tag auskommen.
Vor allem für die Container-Schifffahrt wäre es ein herber Schlag, wenn diese wichtige Route des Welthandels eines Tages gekappt würde. 18.174 Einheiten insgesamt durchfuhren den Kanal vergangenes Jahr, im Schnitt etwa 50 pro Tag. Von einem „kritischen Engpass“ spricht die US-Energiebehörde auch für den Handel mit Öl, Gas und Erdölprodukten.
Deutsche Seeleute seien heute deutlich weniger unterwegs als noch vor 20 oder 25 Jahren, sagt Lotse Roshdy, der für die Durchfahrt für mehrere Stunden an Bord der Schiffe gehen muss. Meist seien es hochrangige Besatzungsmitglieder wie Kapitäne, erste Offiziere und Leiter der Maschinenanlagen. fab/dpa