Spitzenstandort für das Maritime Cluster
Nur mit einer starken Schifffahrt hat die maritime Wirtschaft in Deutschland eine Zukunft. Hamburg hält als Zentrum des Schifffahrtsstandortes auch in der schweren Krise einen europäischen Spitzenplatz – trotz der globalen und europäischen Konkurrenz. Die Schifffahrt ist mit den schiffsfinanzierenden Banken und anderen Dienstleistern des maritimen Clusters eng verknüpft.
THB: Herr Hartmann, Deutschlands größter Seehafen feiert seinen 827. Geburtstag. Können die deutschen Reeder angesichts der andauernden Schifffahrtskrise mitfeiern?
Alfred Hartmann: Würden wir den Geburtstag jedes Hafens begehen, den deutsche Seeschiffe anlaufen, kämen wir aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Viele unserer 3000 Handelsschiffe kommen nie nach Hamburg. Sie transportieren zum Beispiel Konsumgüter aus China nach Westafrika, Erdgas aus den USA nach Japan, oder sie bringen Wartungskräfte zu Offshore-Plattformen im Mittelmeer.
THB: Ist der Hamburger Hafen für die deutschen Reeder also nur ein Hafen unter vielen?
Hartmann: Natürlich hat der Hafen aufgrund des großen Warenumschlags und als Hub in den Ostseeraum eine große Bedeutung für die Schifffahrt. Schließlich fahren wir mit unseren Schiffen überall dorthin, wo Ladung ist – vorausgesetzt, das Wasser ist tief genug. Am Standort Hamburg zeigt sich insgesamt die ganze Stärke des maritimen Clusters: das Zusammenspiel aus Schifffahrt, Hafen, Werften, Finanzierung, Forschung und vielen weiteren Dienstleistern. Was wir in kleineren Dimensionen übrigens auch in anderen Regionen in Deutschland finden. Es gibt hier ein unglaubliches Know-how und gewachsene Strukturen, die an ausländischen Standorten fehlen.
THB: Das klingt nach Sonnenschein-Bedingungen im maritimen Hamburg.
Hartmann: Leider ziehen dunkle Wolken auf. Viele Reedereien haben Schwierigkeiten, die Betriebskosten für ihre Schiffe aufzubringen – ganz zu schweigen von den Kapitalkosten. Viele Schiffe werden ins Ausland verkauft. Damit gehen auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung verloren. Und mit dem Rückzug der hiesigen Banken aus der Schiffsfinanzierung verliert eine weitere Komponente des maritimen Clusters an Zugkraft.
THB: Wird sich das Schifffahrtsgeschäft von Deutschland ins Ausland verlagern?
Hartmann: Andere Standorte holen massiv auf und bauen ihre maritime Kompetenz aus. Sie werben um die Gunst der Reedereien, etwa mit einer attraktiveren Steuerpolitik und weniger Bürokratie. In Deutschland hängen allein an der Bereederung von Schiffen 24.000 Jobs – im maritimen Cluster geht es insgesamt um 480.000 Arbeitsplätze. Welcher Standort hätte die nicht gern in seiner Region?
THB: Was muss geschehen, damit der Schifffahrtsstandort Deutschland in diesem Wettbewerb mithalten kann?
Hartmann: Wir müssen das maritime Cluster stark halten und Know-how und Innovationskraft am Standort besser fördern. Dazu brauchen wir endlich dieselben Bedingungen wie bei unseren europäischen Nachbarn, um einheimische Seeleute wettbewerbsfähig beschäftigen zu können. Die großen Potenziale beim Zukunftsbrennstoff LNG zu erschließen, wird nur mit wirksamer öffentlicher Förderung als Starthilfe gelingen. Davon würde nicht nur die Umwelt profitieren, sondern auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland. Große Chancen stecken auch in der Digitalisierung.