Immer wieder Kokain in Hamburgs Hafen

Der erste Hamburg-Süd-Megaboxer „Cap San Lorenzo“ am HHLA-Terminal Burchardkai, Foto: Hasenpusch
Der Hamburger Hafen ist unverändert weltweit eine der wichtigsten Drehscheiben für internationale Drogenschmuggler. Das belegen aktuelle Fälle.
Derzeit muss sich in der Hansestadt vor dem Landgericht ein 62-Jähriger wegen Rauschgifthandels und illegaler Einfuhr von Betäubungsmitteln verantworten. Ein 49 Jahre alter Mitangeklagter wird der Beihilfe beschuldigt. Gegen den dritten Verhafteten wurde das Verfahren eingestellt. Die Männer aus der Nähe von Augsburg sollen rund 80 Kilogramm Kokain aus Paraguay nach Deutschland geschmuggelt haben – getarnt als Grillkohle. Der Zoll hatte das Rauschgift bereits am 10. August vergangenen Jahres im Hamburger Hafen bei der Kontrolle eines Containers entdeckt.
Die Box war nach THB-Informationen mit dem 333,20 Meter langen und 48,20 Meter breiten Frachter „Cap San Lorenzo“ (9669 TEU) der zum Bielefelder Oetker-Konzern gehörenden Reederei Hamburg Süd zum Container Terminal Burchardkai der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) transportiert worden. Der 2013 bei Hyundai Heavy Indus tries in Ulsan/Südkorea als viertes Schiff einer Sechserserie vom Stapel gelaufene Containerfrachter hatte in Südamerika unter anderem die Häfen Paranagua, Buenos Aires, Montevideo, Rio Grande, Itapoa und Santos angelaufen. Danach nahm die „Cap San Lorenzo“ über Tanger, Rotterdam und Coryton Kurs auf Hamburg.
Dort hatten Zöllner bei Routinekontrollen die Ware des Containers mit Grillkohle aus Paraguay durchleuchtet und Auffälligkeiten gegenüber der handelsüblichen Kohle festgestellt. Beim Öffnen der Säcke entpuppte sich die vermeintliche Grillkohle als Kokain-Briketts.
Zusammen mit der Kriminalpolizei in Augsburg und dem Zoll in Augsburg und München verfolgten die Hamburger Ermittler den Weg des Kokains zum Empfänger des Containers und somit zu drei mutmaßlichen Schmugglern. Dabei handelte es sich um den Inhaber einer Firma und zwei Hintermänner. Die Firmenräume in der Nähe von Augsburg sowie die Privatwohnungen des Trios wurden durchsucht. Beamte stellten Beweismaterial sicher. Die drei Männer wurden im Oktober verhaftet und befanden sich seitdem in U-Haft. „Solche Festnahmen sind der Schlüssel dafür, die internationale Rauschgiftkriminalität nachhaltig zu bekämpfen“, so ein Sprecher des Zolls in Hamburg.
Zum Prozessauftakt erklärten sich die Angeklagten zu Aussagen bereit. Auf Anregung des Vorsitzenden Richters stellte der Verteidiger des 62-Jährigen einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, den die Kammer bestätigte. Das Gericht begründete die Entscheidung mit einer „Gefährdungslage“. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz können die Zuschauer ausgeschlossen werden, wenn eine Gefahr für das Leben oder die Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu befürchten ist. Der Staatsanwalt hatte in der Verlesung der Anklage weitere mutmaßliche Mittäter mit spanischem Namen genannt.
Nach Angaben des Zollfahndungsamts Hamburg hatte das geschmuggelte Kokaingemisch einen Straßenverkaufswert von rund 5,2 Millionen Euro. Laut Staatsanwaltschaft war es sehr rein, es hatte einen Wirkstoffgehalt von über 90 Prozent. Das Rauschgift war zu je 100 Gramm gepresst und mit einer Holzkohleschicht überzogen. Die „Koks“-Briketts wurden mit echten Holzkohlebriketts vermischt und in Drei-Kilo-Säcken abgepackt. Beschriftet waren die Säcke mit „San Jorge, Grill Holz Kohle, Feuer & Flamme, Beste Qualität aus bewirtschafteten Beständen“, ergänzt um eine Darstellung des legendären Drachentöters Sankt Georg.
Die Lieferung umfasste den weiteren Angaben zufolge insgesamt 18 Tonnen. Für die Abwicklung sollen die Angeklagten über einen Strohmann extra eine Importfirma in Gessertshausen bei Augsburg gegründet, Handys besorgt und eine Reihe von Bankkonten eröffnet haben. Eine Risikoanalyse veranlasste die Zollbeamten, den Container genauer zu untersuchen.
Sie stießen bei der Durchleuchtung der Grillkohlesäcke auf Unregelmäßigkeiten und kontrollierten die Lieferung schließlich von Hand. Die Beamten entnahmen die „Koks“-Briketts, versiegelten den Container erneut und brachten ihn möglichst schnell wieder auf den Weg nach Gessertshausen, wie ein Gerichtssprecher auf Grundlage der Anklageschrift erläuterte.
Eine bei der Ladung angegebene Mobilfunknummer wurde überwacht, später auch weitere E-Mail-Konten und Telefonanschlüsse. Die Empfängerfirma sei observiert worden. Auf diese Weise seien die Ermittler den Angeklagten auf die Spur gekommen, die schließlich im Oktober vergangenen Jahres verhaftet wurden.
Der Inhaber der Firma, ein selbstständiger Fliesenleger, habe angegeben, von dem Drogendeal nichts gewusst zu haben. Ihm seien 200 bis 300 Euro pro Monat versprochen worden, wenn er seinen Namen hergebe und Vollmachten erteile. Da ihm das nicht widerlegt werden konnte, stellte die Justiz das Verfahren gegen ihn ein. In den Lagerräumen der Firma fanden die Beamten 70 Tonnen Grillkohle. Von vier früheren Containerlieferungen vom Herbst 2014, die nicht kontrolliert worden waren, hatte die Firma offenbar kaum etwas verkauft.
Der 62 Jahre alte Hauptangeklagte räumte in seiner Aussage die Vorwürfe im Wesentlichen ein, so der Gerichtssprecher. Der 49-Jährige Mitangeklagte habe erklärt, dass er nichts davon gewusst habe, dass es um die Einfuhr von Kokain ging.
Dem 62-Jährigen hatte die Staatsanwaltschaft nach Angaben des Richters angeboten, bei einem Geständnis nicht mehr als zehn Jahre Haft zu fordern. Je nach Kooperation bei der Aufklärung des Schmuggels sei auch eine weitere Strafminderung denkbar, aber nicht unter acht Jahre. Das Gericht selbst deutete an, dass es auch noch milder urteilen könnte, angesichts des Alters und der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten. Der zweite Beschuldigte, der inzwischen wieder auf freiem Fuß ist, könne bei einem Geständnis mit einer Strafe um die drei Jahre rechnen. Feste Vereinbarungen trafen die Prozessparteien jedoch nicht.
Der Anwalt des 62-Jährigen, Moritz Bode, erklärte, über den Inhalt der Aussage seines Mandanten solle Stillschweigen gewahrt werden. Es gehe um Betäubungsmittelhandel in großem Stil. Auf die Frage, ob sich sein in Italien geborener Mandant bedroht fühle, sagte der Verteidiger: „Es geht ganz grob in diese Richtung.“ Der Richter sprach von „grenzüberschreitender Kriminalität“. Für den Prozess hat das Gericht noch sieben weitere Verhandlungstermine bis zum 8. Juni angesetzt.
Zuletzt hatten Zollfahnder dieses Jahr in Hamburg und Emden insgesamt 232 Kilogramm Kokain mit einem Straßenverkaufswert von zusammen rund 31 Millionen Euro sichergestellt. In allen Fällen waren die in Plastikbeuteln verpackten Drogen in Baufahrzeugen versteckt, die auf den Autofrachtern der Grimaldi-Gruppe „Grande Atlantico“ und „Grande Amburgo (THB 1. April 2016) sowie der „Grande Brasile“ (THB 21. März 2016) nach Deutschland transportiert worden waren. FBi