Cuxhavener Ansagedienst versorgt Touristen mit Infos zu Schiffen
Die 336 Meter lange "NYK Oceanus" ist schon von weitem erkennbar. Die Sicht ist an diesem sonnigen Tag hervorragend. Reinhard Linke sitzt in seinem blauweißen Häuschen auf der Cuxhavener Seebäderbrücke und sieht den voll beladenen Containerriesen durch die Fensterscheiben und als hellblaues Symbol auf einem seiner Bildschirme.
Der Computer liefert ihm auch alle Informationen zum Schiff, die er gleich über Lautsprecher weitergeben wird. Seine Durchsagen sind auf der Seebäderbrücke, am Anleger "Alte Liebe" und in einem Restaurant am Deich zu hören. Die Touristen lieben die Ansagen.
Seit fünf Jahren liefert der "Schiffsansagedienst" Schaulustigen und Schiffsspottern in Cuxhaven von April bis Oktober Daten zu den vorbeifahrenden Schiffen in der Elbmündung. "Die Leute wollen wissen, wie groß das Schiff ist, das sie gerade sehen, wo es herkommt und wo es hinfährt", sagt Linke. Immerhin ist die Elbe zwischen Cuxhaven und Hamburg eine der meistgenutzten Wasserstraßen der Welt. Und so nah wie in Cuxhaven kommen die Schaulustigen den großen Pötten selten. Als im Frühjahr eines der längsten Containerschiffe weltweit vorbeifuhr, waren die Aussichtsplattformen in Cuxhaven voller Menschen. "Da fährt eine Hauswand vorbei, das beeindruckt mehr als ein Bild", weiß Linke.
Früher wurden die Touristen über den professionellen Schiffsmeldedienst mit Infos versorgt. "Die Durchsagen für die Schaulustigen waren ein reines Nebenprodukt", sagt Linke. Als der Schiffsmeldedienst 2008 eingestellt wurde, fielen auch die Ansagen weg. Dass fanden nicht nur die Kurgäste schade, sondern auch Linke und der ehemalige Kapitän Jürgen Trinkies.
28 Ehrenamtliche
Die beiden gründeten deshalb einen Verein; täglich werden nun neun Stunden lang über Lautsprecher die vorbeifahrenden Schiffe erklärt. "Die Gäste nehmen das konzentriert wahr", sagt Linke, "manche schreiben sogar alles mit." Die Arbeit teilen sich 28 Ehrenamtliche, alle sind schon in Rente. Manche hatte beruflich etwas mit Schifffahrt zu tun, andere nicht. An diesem Morgen hat Linke Dienst, der früher Fluglotse bei der Marine war: "Liebe Gäste, von See kommend sehen Sie die Oceanus. Sie fährt unter der Flagge von Panama." Es folgen Infos zur Ladekapazität, zur Geschwindigkeit und ein Blick auf die Reiseroute. Manchmal erzählt der 68-Jährige auch etwas über das Wetter im Zielhafen.
Später schaut ein Kurgast aus der Nähe von Heidelberg zur Tür herein. Der 69-Jährige hat die Ansage verpasst. "Wo kam der Volle her?", will er wissen und meint damit den bis zur Kommandobrücke beladenen Frachter "Oceanus". Eine Woche lang habe er nun schon Schiffe beobachtet. "Das war der Vollste." Er könnte auch ins Internet gucken. Das will er aber nicht. "Ich höre mit Interesse zu, was er sagt", sagt der Mann mit Blick auf Reinhard Linke.
Anderen ist der Weg ins Internet nicht zu aufwändig. Allein seit April 2015 verzeichnete die Website des Schiffsansagedienstes über 1,5 Millionen Besucher. "An Spitzentagen haben wir 4000 Klicks", sagt Linke. Per Live-Stream sind die Schiffe zu sehen, dazu gibt es den Live-Ton der Durchsagen.
Internationales Publikum
Die Besucher der Internetseite kommen aus allen Teilen Deutschlands - und nicht nur das: Jede Woche rufen auch über 1000 Menschen aus den USA die Seite auf. "Das sind möglicherweise heimatverbundene Leute, deren Eltern ausgewandert sind", versucht sich Linke mit einer Erklärung. Warum aber pro Woche auch rund 20 Menschen in China und in Brasilien die Seite aufrufen, lässt ihn nur noch staunen: "Da fragt man sich, wie kommt das?" Eine Antwort hat er noch nicht gefunden - außer dass die Nutzer des Ansagedienstes eben genauso international sind wie die vorgestellten Schiffe. (dpa)