50 Jahre Containerumschlag in Bremerhaven

Eine Perspektive, dazwischen 50 Jahre: Blick auf Bremerhaven mit Containern und Autos, Foto: Scheer

Anfangsjahre: Die Einführung der genormten Boxen sorgte in Bremerhaven für Veränderungen, Foto: Bremenports
Die „Einheitsbox“ hat den internationalen Güterverkehr revolutioniert, die Häfen und die Schifffahrt grundlegend verändert.
Die Bremischen Häfen haben bereits sehr frühzeitig die Chancen der Containerisierung erkannt und in den Folgejahrzehnten investiert.
Nachdem am 5. Mai 1966 erstmals Container im (ehemaligen) „Überseehafen“ in Bremen-Stadt aus dem US-Frachter „Fairland“ der Reederei Sea-Land gelöscht wurden, setzte eine lebhafte Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Normkisten für den Seeverkehr ein. Es wurde als amerikanische Spinnerei abgetan, als Eintagsfliege“, erinnert sich der Bremer Helmut Detken. Der gelernte Schiffsmakler und Reedereikaufmann hatte die rasante Entwicklung der Containerisierung am Hafen- und Wirtschaftsstandort Bremen im Rahmen zahlreicher Funktionen begleitet und mitgestaltet.
Doch die Skeptiker wurden schnell überholt. Und auch die Bremer schufen Fakten. Am 10. Februar 1968 fuhr der damalige FDP-Wirtschafts- und Hafensenator Bremens, Dr. Georg Bortscheller (1896-1973), nördlich der Nordschleuse in Bremerhaven mit einem Raupenbagger vor, um so symbolisch den Bau des Containerterminals zu starten. Die Aktion und seine Begeisterung für die Normbox brachte ihm den Beiname „Container-Schorsch“ ein.
Die herkömmlichen Hafenanlagen im Kaiserhafen oder an der Columbuskaje in der Seestadt waren für den Containerumschlag nicht geeignet. Deshalb entschied die Bremer Hafendeputation 1967, den Schwerpunkt der Investitionen von Bremen nach Bremerhaven zu verlegen und dort eine 750 Meter lange Seekaje, also Kaimauer, nördlich der Nordschleuse zu bauen. Mit dem Bauvorhaben direkt am Weser-Strom betraten alle Beteiligten hafenbautechnisches Neuland. So musste die geplante Kaifront ganz andere Lasten verkraften als bislang für Passagierverkehr und Stückgutumschlag gebaute Kajen. Man entschied sich für die von Prof. Dr. Walter Hansen vom Franziskus-Institut in Hannover entworfene Konstruktion. Diese sah eine überbaute Böschung in der Höhe des Landschutzdeiches vor, sodass Sturmfluten das anschließende Gelände nicht überschwemmen würden. Unter der auf mehr als 40 Meter langen Stelzen stehende Kaimauerkante waren zur Wasserseite sogenannte Wellenklammern ausgebildet. Sie sollten den Wellenschlag, insbesondere bei Sturm, auffangen.
Größte Probleme bereitete der schlickige Boden. Die Rammpfähle waren schwer im Lot zu halten und hatten häufig nicht die erforderliche Standfestigkeit. Bodenaustauschversuche brachten auch nicht den gewünschten Erfolg. Ende 1969 stand fest, dass 13 Millionen D-Mark buchstäblich im Schlick versackt waren, da es der beauftragten Firmengruppe nicht gelungen war, die langen Stahlpfähle im Untergrund festzubekommen.
Im Bremer Senat mobilisierte man zusätzliche Millionen DM und beauftragte 1970 zudem die Arbeitsgemeinschaft Holzmann/Rogge. Damit nicht genug: Dem damals bereits fast 80-jährigen Erbauer der Bremerhavener Nordschleuse, Prof. Dr. Ing. Arnold Agatz, wurde die Gesamtleitung für das Vorhaben übertragen. Mit der Neuaufstellung wurden die bautechnischen Pro bleme gelöst, das Pech aber blieb: Das Premierenschiff, die „Encounter Bay“, knickte der Hubinsel, die an der Baustelle vor dem zweiten Liegeplatz platziert war, am 23. April 1970 die Beine ab. Immerhin: Es gelang am Ende trotzdem noch, die Anlage fristgerecht fertigzustellen.
Am 14. September 1971 konnte Bremens Bürgermeister Hans Koschnick (1929-2016), das „Containerkreuz Bremerhaven“ seiner Bestimmung übergeben. Die Anlage umfasste neben der 750 Meter langen Stromkaje auch die entsprechenden Umschlag einrichtungen.
Zwischen Strom- und Hafenkaje ergab sich eine Aufstellfläche von rund 750.000 Quadratmetern für die Normbehälter. Um die Zeit war Bremerhaven bereits mit acht verschiedenen Containerliniendiensten mit der Welt verbunden. Von der Präsenz der US-Army am Standort, die den Hafen bereits seit Anfang der 1960er Jahre als wichtige Logistikdrehscheibe für die in Europa stationierten Streitkräfte nutzen, gingen ebenfalls entsprechend Impulse für den Containerumschlag aus. Bereits 1971 wurden auf dem Terminal rund 300.000 TEU umgeschlagen.
Mit der Entscheidung für den Bau eines Containerterminals wurde in Bremerhaven der Grundstock für eine Erfolgsgeschichte gelegt. Aus den 750 Metern Kaifront entstanden in den Folgejahrzehnten im Verlauf von fünf weiteren Ausbauabschnitten insgesamt fünf Kilometer Stromkaje. Der Schlussstein wurde dabei mit dem Teilvorhaben „Container Terminal IV“ gesetzt, der am CT IV am 12. September 2008 feierlich seiner Bestimmung übergeben wurde. Sie bietet 14 Liegeplätze für Großcontainerschiffe. Heute erstrecken sich im Anschluss an die Containerbrücken rund drei Millionen Quadratmeter Aufstellfläche.
Zu den Besonderheiten des Gesamtkomplexes gehört auch, dass die Stromkaje von unterschiedlichen Terminalbetreibern genutzt wird. Im Norden der Kaifront arbeitet das North Sea Terminal Bremerhaven (NTB), den mittleren Bereich nutzt die Eurogate-Gruppe, und im Süden der Anlage befindet sich das MSC Gate. Das Containeraufkommen in Bremerhaven hat sich inzwischen auf ein Jahresaufkommen von rund 5,5 Millionen TEU eingependelt, so dass die Seestadt heute in Europa auf Rang vier anzutreffen ist – nach Rotterdam, Antwerpen und Hamburg. EHA