P&R-Gläubiger brauchen viel Geduld

Nach dem mutmaßlichen Milliardenbetrug der Containerfirma P&R müssen sich Zehntausende Gläubiger in Geduld üben.

Insolvenzverwalter Michael Jaffé hält trotz anderslautender Forderungen einen schnellen Verkauf der vorhandenen knapp 630.000 Schiffscontainer nicht für sinnvoll, teilte ein Sprecher der Kanzlei am Mittwoch zur ersten Gläubigerversammlung in München mit. Die erste Abschlagszahlung ist nach wie vor für das Jahr 2020 geplant. Jaffé hofft, bis Ende 2021 mit der Vermietung der Container 560 Millionen Euro zu erlösen – wenn alles glatt läuft.

2500 Gläubiger erschienen nach Angaben des Münchener Amtsgerichts am Mittwoch in der Olympiahalle. Weitere 7700 ließen sich durch Anwälte vertreten. Allein die Forderungen dieser 10.200 Anleger belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro.

Firmengründer Heinz Roth sitzt in Untersuchungshaft. Insgesamt plant Insolvenzverwalter Jaffé innerhalb einer Woche vier Gläubigerversammlungen, jeweils eine für die vier deutschen P&R-Gesellschaften.

Dem Betrug folgt die politische Diskussion: Die neue „Bürgerbewegung Finanzwende“ des Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick wirft der Finanzaufsicht Bafin Versäumnisse vor. Denn in Fachkreisen wurde lange vor der Pleite über Unstimmigkeiten im P&R-Geschäftsmodell diskutiert. So hatte etwa die „Stiftung Warentest“ im Sommer 2017 auf Merkwürdigkeiten hingewiesen. „Aber die Bafin hat nichts unternommen“, sagte „Finanzwende“-Aufsichtsratsvorsitzender Udo Philipp.

Vom Münchener Millionärsvorort Grünwald aus verkaufte P&R Schiffscontainer an Privatanleger. P&R vermietete die Boxen, damit sollten die Auszahlungen an die Anleger finanziert werden. Außerdem bot P&R den Investoren den Rückkauf nach fünf Jahren an.

Zum Zeitpunkt der Pleite im März dieses Jahres hatten etwa 54.000 Anleger rund 3,5 Milliarden Euro investiert. Doch nach bisherigem Ermittlungsstand war ein Großteil dieses Geschäfts bloßer Schein – eine Milliarden-Luftnummer. Denn neben den knapp 630.000 existierenden Containern wurden den Anlegern etwa eine Million Container verkauft, die es gar nicht gab.

Für sich persönlich hatte Firmengründer Heinz Roth eine durchaus komfortable Existenz eingeplant: Laut einem heute noch abrufbaren Anlegerprospekt wollte Roth sich selbst von 2017 bis 2022 an Gehalt und Gewinnbeteiligungen 32 Millionen Euro auszahlen.

Die Unstimmigkeit im P&R-Geschäftsmodell bestand unter anderem darin, dass P&R weit mehr Geld an die Anleger auszahlte als die Containervermietung einbrachte. Die „Stiftung Warentest“ hatte das im Juni 2017 publik gemacht, Diskussionen in der Fachwelt gab es aber schon Jahre vorher. Bereits im Mai 2010 schrieb der Branchendienst Fondstelegramm nach Überwindung eines Zwischentiefs der Containerwirtschaft: „Alles in allem dürften die Anleger mit einem blauen Auge davonkommen, wobei die Intransparenz von den größeren Häusern Conrendit und P&R das Bild eintrübt.“

„Grauer Kapitalmarkt“ ist der Branchenjargon für Investmentfirmen, die keine staatliche Erlaubnis benötigen und weniger gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen als Banken, die ohne Banklizenz nicht tätig werden dürfen.

Wenn „graue“ Investmentfirmen wie P&R die vorgeschriebenen Prospekte zur Information der Anleger auflegen, werden die Prospekte von der Bafin zwar überprüft, allerdings nur auf Vollständigkeit der Angaben. Die Behörde kontrolliert ausdrücklich nicht, ob die Angaben richtig sind oder das dahinterstehende Geschäftsmodell tragfähig ist. Da der Verbraucherschutz zu den Aufgaben der Bafin gehört, fordert der Verein „Finanzwende“ eine aktivere Rolle der Aufsicht.

Insolvenzverwalter Jaffé hat derweil andere Sorgen: Das rechtliche Konstrukt der P&R-Gruppe erschwert den Zugriff auf die noch eingehenden Einnahmen. An die Anleger verkauft wurden die Container in Deutschland – diese vier Gesellschaften sind insolvent. Die anschließende Vermietung an die Schiffsfrachtgesellschaften aber lief und läuft über die Schweiz. „Die Schweizer P&R-Gesellschaft ist nicht im Insolvenz verfahren, also nicht im direkten Zugriff des deutschen Insolvenzverwalters“, sagte Jaffés Sprecher. Notwendig sei eine „ausgeklügelte mehrstufige Verwertungsstrategie“. fab/dpa

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