Handelsflotte droht 2016 der Ausverkauf

Die deutsche Handelsflotte erlebt seit Jahren Abgänge auf Rekordniveau, doch der große Ausverkauf steht erst noch bevor. Im nächsten Jahr könnte er kommen, denn die Banken dürften ihre Stillhaltestrategie endgültig aufgeben. Das ist einer der wesentlichen Aspekte, den die Teilnehmer auf dem Podium des 19. Hansa-Forums in Hamburg diskutierten.

Vor einem Jahr gab es noch 3103 Einheiten in der deutschen Handelsflotte, heute sind es 2897. Das bedeutet einen Rückgang von sieben Prozent innerhalb nur eines Jahres. In diesem Jahr ein ähnliches Bild: Der Branchendienst Shippress.de hat im bisherigen Jahresverlauf bereits 185 weitere Abgänge registriert. Auf der Neubauseite kommt deutlich weniger nach. Anfang November standen für deutsche Reeder insgesamt 165 Schiffe im Orderbuch, überwiegend Bulker, Containerschiffe und Mehrzweckfrachter – und nur sechs Tanker.

Hintergrund der Annahme, dass sich die Verkaufswelle im kommenden Jahr weiter beschleunigt, sind die anstehenden Abgänge bei der HSH Nordbank. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sollen als Anteilseigner des ehemaligen Marktführers in der weltweiten Schiffsfinanzierung belastete Schiffskredite mit einem Volumen von insgesamt 6,2 Milliarden Euro übernehmen. Die restlichen zwei Milliarden Euro müssen am Markt platziert werden. Da die Geldhäuser in Deutschland branchenweit noch längst nicht Abwertungen in ihren Schiffsportfolios vorgenommen haben, wie es die aktuelle Marktlage notwendig erscheinen lässt, um Käufer zu finden, besteht weiterer Korrekturbedarf, sind sich Marktbeobachter sicher.

Es sei von der Commerzbank richtig gewesen, relativ früh den Ausstieg aus der Schiffsfinanzierung anzugehen, denn damals seien noch bessere Marktpreise zu erzielen gewesen als heute, sagte Kurt Klemme, Managing Director bei der Reederei Nord. Bei der HSH Nordbank müsste nun der Steuerzahler die Verluste ausbaden. Das lässt sich auch anders bewerten, kam umgehend Widerspruch auf dem Podium. Noch hat die Commerzbank ihr Portfolio nicht vollständig abgebaut. Und auch die HSH hatte frühzeitig überwiegend mit einzelnen Abverkäufen das Portfolio bereinigen wollen. Es dauerte jedoch einige Zeit, bevor die ersten Paketdeals kamen, bei denen die HSH weiterhin hinter ihren Ankündigungen zurückbleibt.

Nach dem Rückzug der Commerzbank droht nun der zweite große Ausfall eines deutschen Schiffsfinanzierers. Auf dem Hansa-Forum machte die Runde, dass HSH-Aufsichtsratschef Thomas Mirow, selbst schon Empfehlungen ausgesprochen haben soll, sich nach Alternativen umzusehen. Bei Kunden besteht die Befürchtung, dass durch die Situation bei der HSH eine große Welle ausgelöst wird, die andere Banken mitreißen und den Bedarf an Wertberichtigungen offen zutage treten lassen könnte. Müssen jetzt die anderen Banken verstärkt in ihre eigenen Portfolien wegen Wert korrekturen schauen?

Oliver Faak, Leiter der Schiffsfinanzierung bei der Nord LB, kann nach eigenem Bekunden niemandem diese Sorge nehmen. „Dieses Szenario muss jetzt erst mal in den Häusern verarbeitet werden – ohne Schnellschuss und schnelle Meinung“, so Faak. Klaus Stoltenberg, Leiter der Schiffsfinanzierung bei der Deutschen Bank, stellte fest, dass in den wesentlichen Segmenten, in denen die schiffsfinanzierenden Banken in Deutschland vertreten sind, die kurzfristigen Aussichten schlecht stünden, in der Bulkschifffahrt gelte das auch mittel- bis längerfristig. So werde es weiterhin Restrukturierungen und Insolvenzen geben.

Was hilft, sind Verschrottungen, hieß es auf dem Hansa-Forum unisono. Anthony Firmin, COO von Hapag-Lloyd, führte aus, sein Haus habe in diesem Jahr tatsächlich eine ganze Reihe von Carriern zum Abbruch schicken wollen. Am Ende seien es jedoch nur vier Verschrottungen geworden, weil sich für die anderen nach seiner Einschätzung unwirtschaftlichen Einheiten doch noch ein Käufer gefunden habe. Für Hapag-Lloyd bedeutete dies, pro Schiff zwei bis drei Millionen Dollar mehr zu bekommen. „Solange es für solche Frachter noch Abnehmer gibt, wird sich der Markt nicht verbessern“, resümierte Firmin.

König & Cie. begann in diesem Jahr mit der Umsetzung der Neuausrichtung vom Emissionshaus zum Schifffahrtsunternehmen, kaufte insgesamt 19 Schiffe, darunter einige ältere Carrier von Hapag-Lloyd. Nach den Beweggründen gefragt, warum das Unternehmen so vorgehe, sagte Jens Mahnke, Managing Director bei König & Cie., es sei nicht die eigene „Story“ gewesen, diese Schiffe zu übernehmen. Vielmehr sei „jemand auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir das für ihn machen können“. „Deutscher Content“ sei hier gefragt gewesen. „Das war also nichts, was wir von uns aus initiiert haben. Wir sind benutzt worden, um an diese Schiffe zu kommen.“ Bei den in diesem Jahr insgesamt 19 übernommenen Schiffe hätten seitens der Investoren die unterschiedlichsten Ansätzen bestanden, dass sei König & Cie. aber egal, solange die Schiffe im eigenen Kontor sind und das Unternehmen daran verdienen kann. Erik Helberg, CEO bei Clarksons Platou Securities, ging auf die weltweiten Börsengänge dieses Jahres ein. Wer an die Börse geht, braucht eine Story, lautet Helbergs zentrale Botschaft. Das sei bei den IPO-Kandidaten dieses Jahres oft nicht der Fall, etwa bei Poseidon. Der gescheiterte Versuch des griechischen Containerschiff-Betreibers, im Juli 2015 an die New Yorker Börse zu gehen, war vor kurzem bereits Thema auf der Global Shipping Conference von KPMG in Hamburg. Die Risikobereitschaft der Investoren ist zurückgegangen, denn es gibt viele Risiken, nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung in China, beobachtet Helberg. Der Börsengang von Hapag-Lloyd sei gut vorbereitet gewesen: gute Größe, gute Assets. „Aber es ist nicht hilfreich, wenn dein Hauptmitbewerber während deiner Preisfindung eine Gewinnwarnung gibt.“

Auch Big Data zählte zu den Themen des Hansa-Forums. „Der Trend geht vom Eco-Schiff hin zum Smart-Schiff“, resümierte Albrecht Grell, Director Division Maritime Advisory DNV GL. Die Digitalisierung gewinne weiter an Bedeutung. Die Manager bekommen täglich 20 Gigabyte pro Schiff an Daten. Die Datenqualität müsse noch verbessert werden. Mindestens ein Drittel aller Daten, die von Sensoren erfasst werden, seien fehlerhaft. fab

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