BFH ändert Rechtsprechung

Eine aktuelle Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofs (IV R 35/16) wirkt sich auf die Tonnagebesteuerung aus.

Der BFH erkannte jetzt erstmals die gewerbesteuerliche Kürzung von 80 Prozent des Gewinns aus der Auflösung des Unterschiedsbetrags sowohl während der Tonnagebesteuerung als auch nach Rückoption zur Gewinn ermittlung durch Betriebsvermögensvergleich an. Mit dieser Entscheidung lasse der BFH außerdem die Absetzung für Abnutzungen (AfA) auf den Teilwert nach Rückwechsel zu, führt Andreas Höth, Partner der Kanzlei Baker Tilly, aus und spricht von einem „veränderten Systemverständnis zur Tonnagesteuer“.

In dem konkreten Fall ging es um eine KG, die ein Containerschiff erworben hatte und betrieb, den Gewinn bis einschließlich 1999 durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte und das Handelsschiff degressiv abschrieb. 2000 wechselte die KG zur Gewinnermittlung nach der Tonnage, weshalb auf den 31. Dezember 1999 in Höhe der Differenz zwischen Teilwert und Buchwert ein Unterschiedsbetrag für den Boxcarrier festgestellt wurde. Der Frachter wurde in der Folgezeit im Rahmen der Schattengewinnermittlung weiter abgeschrieben. Zum 1. Januar 2012 nahm die KG den Antrag zur Tonnagegewinn ermittlung zurück und ermittelte den Gewinn wieder durch Betriebsvermögensvergleich. Die KG setzte im Rahmen des Rückwechsels als Bemessungsgrundlage für die AfA den Teilwert für das Handelsschiff an. Weiterhin kürzte sie die Auflösung des Unterschiedsbetrags um 80 Prozent. Beides wurde seitens der Finanzverwaltung nicht anerkannt, so dass diese Fragen letztlich durch den BFH zu entscheiden waren.

„Nach dem Rückwechsel von der Tonnagegewinnermittlung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich sind die Wirtschaftsgüter, die unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dienen, mit dem Teilwert anzusetzen und auf Grundlage dieses Betrags für die Zeit deren betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer abzuschreiben“, so Höth. Außerdem könne der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gewerbesteuerlich um 80 Prozent gekürzt werden, da er nicht der „Fiktion des Gewerbeertrags“ unterliege. Damit ändere der BFH seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2014. Es sei davon auszugehen, dass die Tonnagegewinnermittlung in der Zeit ihrer Anwendung die Gewinn ermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nicht lediglich überlagert, sondern ersetzt. Der Wechsel der Gewinn ermittlungsart stelle für sich jeweils eine Zäsur dar, wobei der Wechsel vom Betriebsvermögensvergleich zur Tonnagegewinnermittlung wie eine „fiktive Entnahme“ des Schiffs wirkt. Die hierdurch bedingte Gewinnrealisierung werde vergleichbar einer Stundung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Für den Rückwechsel von der Tonnagegewinnermittlung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich werde künftig von einer „fiktiven Einlage“ ausgegangen. Dieses veränderte Systemverständnis werde weitere Änderungen nach sich ziehen. Erwähnenswert sei auch, dass der BFH seine bisherige Terminologie ändere: Anstelle des häufig verwendeten Bildes des Einfrierens der stillen Reserven für die Dauer der Tonnagebesteuerung würden die stillen Reserven vielmehr beim Übergang zur Tonnagegewinnermittlung aufgedeckt und lediglich zeitversetzt besteuert. Die Entscheidung sei auch für die Einkommensteuer relevant. „Der BFH konnte lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen das parallel anhängige Verfahren betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung noch nicht entscheiden“, so Höth. fab

Die Tonnagesteuer, ein teures Vergnügen

Der Unterschiedsbetrag betrifft die als Kombimodelle aufgelegten Schiffsfonds, die in der Startphase mit hohen Verlustzuweisungen die Steuerlast der Kommanditisten drastisch senkten. Bis ins dritte Jahr hinein konnten die Fonds dann zur Tonnagebesteuerung wechseln, deren Methodik die Abgaben im Vergleich zur Besteuerung nach tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen auf einen Bruchteil reduzierte. Dieses Steuersparmodell löste in Deutschland einen Boom aus. Zwar schaffte der Gesetzgeber Verlustzuweisungen auf die persönlichen Einkommen der Anleger im Jahr 2005 ab. Damit war das Kombimodell für alle danach aufgelegten Fonds passé. Doch die Tonnagesteuer blieb, trieb den KG-Markt weiter an, führte zu immer mehr Bestellung von Handelsschiffen und dadurch zu drastischen Überkapazitäten, deren Folgen noch heute spürbar sind.

Die aktuelle Entscheidung des BFH betrifft vor allem Schiffsfonds, die bis 2005 aufgelegt wurden und das Kombimodell anwendeten. Die Chance, dass Anleger bei den oft existenziell gefährdeten Fonds auf Basis dieser Entscheidung jetzt noch Kapital zurückbekommen können, ist relativ gering. Sollte es wegen des Unterschiedsbetrags tatsächlich noch Rückforderungen geben, würden an erster Stelle die fremdfinanzierenden Banken profitieren. Anleger sollten auch berücksichtigen, dass die Gesellschafter Gewerbesteueranrechnungsguthaben verlieren.

Das ursprüngliche Ziel der Einführung der Tonnagesteuer in Deutschland, wieder mehr Schiffe unter deutsche Flagge zu bringen, wurde selbst in Boomzeiten verfehlt. Insofern blieb die Handelsflotte deutscher Reeder für den Staat ein teures Vergnügen.

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wolfhart.fabarius@thb.info

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