Tod im Ärmelkanal - 30 Jahre "Herald of Free Enterprise"-Unglück

Für einen Tagesausflug nach Belgien bezahlen viele Passagiere der britischen Fähre "Herald of Free Enterprise" am 6. März 1987 nur ein Britisches Pfund. Sie hatten an der Rabattaktion einer Tageszeitung teilgenommen. Doch die Rückfahrt nach England bezahlen viele Fahrgäste mit ihrem Leben.

Die überwiegend britischen Passagiere der "Herald of Free Enterprise" verbringen einen entspannten Nachmittag an der belgischen Nordseeküste. Abends soll es wieder zurück ins englische Dover gehen. Doch nicht mal einen Kilometer nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Zeebrugge geschieht das Unfassbare: Innerhalb von 90 Sekunden kentert das Schiff - mindestens 189 Menschen sterben.

Die meisten Passagiere halten sich auf Deck auf, als die Fähre ruckartig nach Backbord kippt. Viele ertrinken, andere erfrieren im eiskalten Wasser des Ärmelkanals.

"Das Wasser stieg höher, und wir kletterten nach oben. Die Leute waren in Panik. Sie kreischten und schrien", berichtet einer der Überlebenden der Deutschen Presse-Agentur am Tag nach dem Unglück. Ob alle Opfer gefunden werden, wird nie ganz geklärt.

Schweres Unglück

Das Ereignis geht als größtes Unglück seit dem Untergang der "Titanic" 1912 in die Geschichte der britischen Schifffahrt ein.

Zu der Katastrophe führt eine tragische Kette von Ereignissen, wie ein Untersuchungsbericht später feststellt. Die Hauptursache: Die Bugklappen der in Bremerhaven gebauten Autofähre sind noch geöffnet als die "Herald" ausläuft. So kann in kürzester Zeit eine große Menge Wasser in das Schiff hineinlaufen.

Mit offenen Bugklappen auszulaufen, war zwar bei vielen Fähren gängige Praxis, doch ein leitender Bootsmann hätte den Vorgang kontrollieren müssen. Wäre der Bootsmann der "Herald" drei Minuten länger auf seinem Posten geblieben, wäre die Katastrophe vermutlich nicht passiert, heißt es im Untersuchungsbericht.

Grund vermutlich Zeitersparnis

Doch die Verantwortung für den Tod der Passagiere lasten die Experten dem britischen Kapitän David Lewry an. Er hat die Entscheidung getroffen, die Bugklappen nicht zu schließen - womöglich um Zeit zu sparen.

Dabei hat Lewry noch Glück im Unglück: Wie durch ein Wunder können 408 Menschen gerettet werden. Eine Sandbank verhindert, dass das Schiff vollständig untergeht. Zu den Rettern gehört auch der deutsche Kapitän Wolfgang Schröder. Der Hamburger Seefahrer ist mit seinem Schiff als erster am Unglücksort und kann viele Passagiere aufnehmen. Dafür verleiht ihm der belgische König später eine Medaille und auch die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher schickt Schröder ein Dankesschreiben.

Nach der Katastrophe ist die öffentliche Anteilnahme in Belgien, England und anderen europäischen Ländern groß. So veröffentlichen britische Musiker wie Paul McCartney, Boy George und Mark Knopfler unter dem Namen Ferry Aid (Fährenhilfe) eine Coverversion des Beatles-Songs "Let it be". Der Erlös kommt den Hinterbliebenen zugute, deren Leben sich durch das Unglück für immer verändert.

Gottesdienst in Dover

Auch 30 Jahre nach dem Untergang der Fähre gedenken die Briten und Belgier der Opfer. Am Sonntag stand ein Gottesdienst in Dover an. (dpa/pk)

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