Scandlines lässt Fähre "Berlin" taufen

Nach dem Umbau zeigt sich die „Berlin“ – wie auch ihr Schwesterschiff „Copenhagen“ – mit einer erheblich schlankeren Silhouette, Foto: Scandlines

Sie ist einer der Hoffnungsträger für die Fährverkehre nach Skandinavien. Aber die neue Scandlines-Fähre "Berlin" hat mit ihrem Schwesterschiff "Copenhagen" auch eine Werft in die Insolvenz geführt.
Rund vier Jahre später als ursprünglich geplant ist im Rostocker Seehafen die neue Scandlines-Fähre "Berlin" getauft worden. Taufpatin war Ines Rehberg, die Frau des CDU-Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg.
Scandlines-Chef Sören Poulsgaard Jensen ist stolz: "Endlich sind wir am Ziel. Wir können die Champagnerflasche an das Fährschiff schmeißen." Dass der Bau des Schiffes alles andere als einfach war und eine Werft mit deswegen in die Insolvenz ging, spielt am Dienstag im Rostocker Seehafen nur am Rande eine Rolle. Poulsgaard Jensen spricht von "einem zeitweise holprigen Weg zur Entstehung dieser Fähre". Die riecht im Gegensatz zu den alten Scandlines-Fähren nach neuer Farbe, und die Treppengeländer glänzen.
Ganz ist der Holperweg aber noch nicht beendet. Denn es wird noch ein paar Wochen dauern, bis die "Berlin" den regulären Fährdienst aufnehmen kann. Auch das war schon anders geplant. Es müssten noch einige Zertifizierungen absolviert werden, sagt Poulsgaard Jensen. "Der Kapitän will noch ein paar Probefahrten machen ohne Passagiere, das soll er natürlich tun."
Kosten bei 140 Millionen Euro
Die Fähre kann bis zu 1300 Passagiere aufnehmen. Mit Platz für 460 Pkw oder 96 Lkw wird die Kapazität auf der Strecke Rostock–Gedser laut Angaben der deutsch-dänischen Reederei Scand lines mehr als verdoppelt. Außer den klassischen Dieselmotoren verfügt die „Berlin“ über ein neues batteriegetriebenes Hybrid-Antriebssystem. Das Schiff habe am Ende 140 Millionen Euro gekostet, sagt Poulsgaard Jensen. 2010 war noch von 184 Millionen Euro die Rede gewesen. Scandlines zahlte früheren Angaben zufolge rund 31,6 Millionen Euro beim Kauf der Fähren aus der Insolvenzmasse.
"Werften bleibt beim Vertragspreis und Ablieferdatum meistens kaum Spielraum", sagt Reinhard Lüken vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik rückblickend auf das Scheitern der P+S-Werften und die jahrelange Verzögerung der "Berlin"-Fertigstellung. Eine erfolgreiche Werft müsse Kunden notfalls von dannen ziehen lassen, wenn Ideen technisch und kommerziell nicht realisierbar sind. "Sonst ist das Desaster vorprogrammiert und beide Seiten nehmen Schaden", sagt Lüken.
Scandlines hatte 2010 den Bau der 169 Meter langen Fähren bei der P+S-Werft in Stralsund in Auftrag gegeben. Von Anfang an stand der Bau unter keinem guten Stern. Die Auftragsvergabe an die P+S-Werften war politisch flankiert, um im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern einen wichtigen Industriezweig und Arbeitsplätze zu erhalten.
Problematischer Bauverlauf
Mit dem Baustart gingen Finanzierungsschwierigkeiten einher. Mehrfach rutschte die Werft in die Zahlungsunfähigkeit. Welche Rolle bei den gewährten Staatsgarantien die Landesregierung gespielt hat, klärt derzeit ein Untersuchungsausschuss des Landtages. Nach der endgültigen Insolvenz der P+S-Werften wurde der Auftrag storniert. Scand lines bemängelte, dass die Schiffe mehrere hundert Tonnen zu schwer waren. Während der Bauphase hatte offensichtlich das Controlling bei der Werft versagt. Insolvenzverwaltung und Landesregierung bemühten sich vergeblich, für die beiden Fähren neue Käufer zu finden. 2014 zeigte die Fährreederei dann doch wieder Interesse an der "Berlin" und der "Copenhagen" – allerdings für einen erheblich niedrigeren Kaufpreis. Ein umfangreicher Umbau der Neubauten wurde von Fayard ausgeführt.
Investiert wurde nicht nur bei Scandlines, auch im Hafen Rostock wurde kräftig gearbeitet. "Der Neubau von Liegeplatz 54 kostete 22,9 Millionen Euro. Dieser Neubau war der Startschuss für die Umgestaltung des Fährterminals von 2011 bis 2014 für 42 Millionen Euro", berichtet Hafen-Geschäftsführer Gernot Tesch am Rande der Taufe. pk
Januar 2010: Noch unter seinem Namen verhandelt Werfteneigner Detlef Hegemann mit Scandlines über den Bau von zwei Großfähren auf der Strecke Rostock-Gedser.
März 2010: Die Reederei Scandlines und die Hegemann-Gruppe unterzeichnen den Vertrag. Zusammen mit geplanten Erneuerungen der Hafenanlagen belaufen sich die Investitionen auf 230 Millionen Euro, davon 184 Millionen für die Fähren.
28.06.2010: Kiellegung der Fähren - auf den inzwischen unternehmerisch neu aufgestellten Werften unter dem Namen "P+S".
1.12.2012: Die erste im Rohbau fertige Fähre "Berlin" verlässt die Werfthalle.
29.02.2012: Scandlines verschiebt die für Anfang März geplante Taufe der "Berlin" und kündigt eine Doppeltaufe mit dem Schwesterschiff "Copenhagen" im Mai an.
26.06.2012: Scandlines und P+S-Werften geben den Auslieferungstermin für September und November 2012 an. Später wird April 2013 genannt.
29.08.2012: Die P+S-Werften stellen Insolvenzantrag. Die Verzögerungen bei der Auslieferung der Fähren reißen ein nicht mehr zu deckendes Loch in die Finanzkasse der Werften.
1.09.2012: Die Gründe für die Bauverzögerungen werden bekannt: Die Fähren sind zu schwer. Sie liegen mit 200 Tonnen über dem Toleranz- und knapp 700 Tonnen über dem Optimalgewicht.
27.11.2012: Scandlines kündigt den Vertrag über den Bau der Großfähren.
29.03.2013: Ex-Finanzstaatssekretär Jost Mediger räumt ein, dass der Fährenbau in Stralsund von vornherein mit sechs Millionen Euro Verlust kalkuliert worden war.
6.01.2014: Die Reederei Scandlines zeigt wieder Interesse am Kauf der Fähren. Statt des ursprünglichen Kaufpreises von 184 Millionen Euro will Scandlines nur 25 Millionen zahlen.
31.01.2014: Scandlines bekommt vom Gläubigerausschuss den Zuschlag für den Kauf der Fähren. Scandlines zahlt 31,6 Millionen Euro.
21.02.2014: Scandlines schreibt den Umbau der Fähren aus.
3.05.2016: Nach mehreren weiteren Verzögerungen wird die "Berlin" als erste der beiden Fähren in Rostock getauft.