Abfahrt endete in einer Katastrophe

Die "Herald of Free Enterprise" riss fast 200 Menschen in den Tod, Foto: Archiv
Der Untergang der „Herald of Free Enterprise“ gilt als das schlimmste Unglück der britischen Schifffahrtsgeschichte seit der „Titanic“. Am Montag jährte sich die tödliche Havarie zum 30. Mal.
Als die RoPax-Fähre (IMO 7820485) der damaligen Townsend-Thoresen-Reederei am Abend des 6. März 1987 im belgischen Zeebrugge auslief, gab es eigentlich keinen Anlass zur Sorge. Wie aus dem Untersuchungs bericht des britischen Handelsministeriums hervorgeht, herrschten trotz leichter östlicher Winde gutes Wetter und kaum Wellenschlag. Dennoch kenterte die 1980 gebaute „Herald of Free Enterprise“ weniger als 30 Minuten nach dem Ablegen vor der belgischen Nordseeküste.
Bei dem Unglück kamen von den etwa 600 Menschen an Bord mindestens 193 ums Leben – bis heute sind die exakten Zahlen der Passagiere und Todesopfer nicht verlässlich geklärt. Dass noch Schlimmeres verhindert werden konnte, sei dem mutigen Verhalten der Passagiere, Besatzungsmitglieder und dem deutschen Kapitän Wolfgang Schröder zu verdanken.
Nachdem der Notruf der „Herald“ abgesetzt wurde, leistete Schröder, der sich mit seiner Fähre in der Nähe befunden hatte und als erster am Unglücksort eintraf, einen maßgeblichen Beitrag bei den Rettungsarbeiten. Gemeinsam mit der belgischen Marine konnte er mehr als 400 Menschen vor dem Ertrinken oder dem Erfrieren in der damals drei Grad kalten Nordsee bewahren. Schröder erhielt für seinen Einsatz später eine belgische Auszeichnung und ein Dankesschreiben der damaligen britischen Premier ministerin Margaret Thatcher. Er selbst starb im August 2010 bei einem Bootsunglück vor Irland.
Es ging nur um Minuten
Der Untersuchungsbericht klärte in der Folge des „Herald“-Unglücks sowohl den Unfallhergang als auch die Schuldfrage. Demnach führte eine tragische Kette von Ereignissen zu der tödlichen Havarie. Die Hauptursache: Die Bugklappen der in Bremerhaven bei der damaligen Schichau Unterweser AG gebauten Autofähre waren noch geöffnet, als die „Herald“ auslief. So konnten in kürzester Zeit große Mengen Wasser in das Schiff hineinlaufen. Die Fähre kippte zunächst um 30 Grad nach Backbord, dann, ein zweites Mal, um 136 Grad. Eine Sandbank verhinderte, dass das Schiff komplett sinken konnte. Der gesamte Vorgang geschah in weit weniger als zwei Minuten.
Mit offenen Bugklappen auszulaufen, war damals zwar bei vielen Fähren zugunsten von Zeit- und damit auch Kostenersparnissen gängige Praxis, doch ein leitender Bootsmann hätte den Vorgang kontrollieren müssen. Wäre das zuständige Crewmitglied der „Herald“ drei Minuten länger auf seinem Posten geblieben, um das Ablegen zu kontrollieren, wäre es vermutlich nicht zu der Katastrophe gekommen, heißt es im Untersuchungsbericht. Vor allem aber liege die Schuld bei dem Kapitän, der überhaupt erst die Entscheidung getroffen hatte, mit offenen Bugklappen im Hafen abzulegen.
Nach der Bergung wurde das rund 132 Meter lange und etwa 23 Meter breite Fährschiff als „Flushing Range“ 1988 in Taiwan abgebrochen.
Der Untergang der „Herald“ markierte auch das Ende für Townsend Thoresen. Die britische Reederei löste sich auf, gründete sich aber noch im selben Jahr als P&O European Ferries neu. Seit 2002 firmiert die Fährreederei in Dover nur noch als P&O Ferries. ger/dpa