Verschrottung auf Höchststand

Sinkendes Ladungsaufkommen aus den Opec-Staaten und immer strengere Umweltvorschriften: Das sind nach Ansicht des Schiffsverwerters Global Marketing Systems (GMS) die Hauptgründe für die größte Verschrottungswelle von Supertankern seit den 1980er-Jahren.

Auch wenn die auf den Stränden Indiens und Bangladeschs abgebrochenen Tanker die schlechtesten Charterraten seit Jahrzehnten widerspiegeln, so kann das Abwracken oft auch die Chance für eine Markterholung sein. Analysten der US-Bank Morgan Stanley schätzen, dass der weltweiten Flotte der sehr großen Rohöltanker (VLCC) bis zum Ende des Jahres 2020 rund 100 Millionen Barrel Transportkapazität fehlen könnten. „Die Phase der Rentabilität nach dem Turnaround wird länger“, erwartet Fotis Giannakoulis, ein in New York ansässiger Schifffahrtsanalyst der Bank. „Je mehr Tonnage die Reeder verschrotten, desto stärker bringen sie den Aufschwung voran. Halten die hohen Verschrottungen an, wird sich der Markt schon bei der geringster Nachfragesteigerung erholen.“

Die durchschnittlichen Charterraten von VLCCs mit einer Kapazität von zwei Millionen Barrel, das entspricht rund 280.000 Tonnen Öl, sanken nach Angaben von Morgan Stanley in diesem Jahr um 65 Prozent auf 6159 Dollar pro Tag und damit auf den niedrigsten Stand seit mindestens 2009. Sie betrugen im letzten Jahr 17.794, 2016 41.488 und 2015 noch 64.846 Dollar. Die Reeder litten vor allem unter dem Beschluss der Opec und Russlands aus dem Jahr 2017, die Rohölproduktion deutlich um 1,8 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln. Etwa 20 Millionen Barrel, rund zehn Schiffsladungen, werden täglich auf VLCCs verladen.

Auch bei den Kosten steht die Branche unter Druck: Im Jahr 2020 werden die meisten Handelsschiffe Treibstoff mit einem maximalen Schwefelgehalt von 0,5 Prozent verwenden müssen. Um den Vorschriften nachzukommen, stehen auch die Tankerreeder vor der Wahl, entweder hochwertigen und entsprechend teuren Bunker zu verfeuern oder die Antriebsdiesel mit kostspieligen Abgasreinigungssystemen nachzurüsten, um weiterhin das günstigere und schwefelhaltigere Schweröl zu nutzen. Hinzu kommt die Ausrüstungspflicht für Ballastwasser-Reinigungssysteme. Für die Abgas- und Ballastwasserbehandlung stehen nach Angaben des auf den Tankermarkt spezialisierten Maklerbüros Poten & Partners Investitionen von fünf bis sechs Millionen Dollar pro Schiff an. Hinzu kämen die obligatorischen und oft aufwändigen Klassearbeiten, wenn die Schiffe ein Alter von 15 oder 17,5 Jahren erreicht haben, die jeweils mit vier bis fünf Millionen Dollar zu Buche schlagen. „Bei steigenden Schrottpreisen ist es daher nicht verwunderlich, dass der Abbruch wieder anzieht“, sagt Brian Gallagher, Leiter Investor Relations bei Euronav NV. „Die neuen Vorschriften erhöhen die Kosten für alle Reeder und machen die hohen Schrottpreise relativ attraktiv.“

Ältere Schiffe erzielen derzeit bis zu 18 Millionen Dollar bei den Abbrechern. „Das ist ein Rekord, weil die Abbruchwerften um die Schiffe kämpfen“, so Anil Sharma, Geschäftsführer von GMS. „Die Verschrottung von Tankern erreichte nach vielen Jahrzehnten 2010 ihren bisherigen Höchststand. Wir gehen jetzt davon aus, dass wir diesen Wert 2018 höchstwahrscheinlich übertreffen werden“, prognostiziert Sharma. „Der Druck auf ältere große Tankschiffe nimmt zu, da ihre Auslastung nach 15 Jahren deutlich zurückgeht“, erklärt Gallagher. „Das spiegelt sich in noch niedrigeren Raten für diesen Teil des Marktes im Vergleich zu anderen Altersgruppen wider.“

Schon 2018 könnten nach einer aktuellen Markteinschätzung von Schifffahrtsanalysten VLCCs 16.509 Dollar pro Tag einfahren, im kommenden Jahr 29.750 Dollar und 2020 schon 38.526 Dollar.

Dazu trägt vor allem bei, dass die Flotte in diesem Jahr nur um 0,3 Prozent wachsen soll. „Die hohe Verschrottungsquote begrenzt die Auswirkungen des laufenden, massiven Neubauprogramms“, erklärt George Los, Senior-Tanker-Marktanalyst beim US-Tankermakler Charles R. Weber. Allerdings werfe der Orderboom schon seine Schatten voraus: Allein 2019 werde das Wachstum der VLCC-Flotte 7,2 Prozent betragen. Seine Prognose: „Die Neubauwelle wird bis mindestens Ende 2019 eine zentrale Herausforderung für die VLCC-Tankerbranche bleiben.“ bo

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