Traumberuf: „Filialleiter“ auf hoher See
Sie entstand inmitten der globalen Schifffahrtskrise: die Reederei Auerbach Shipping. Eines war den beiden Firmengründern Alexander Tebbe und Lucius Blunk von Anfang an besonders wichtig: ein proaktives Personalmanagement.
Zwölf Büropraktikanten an Land, 14 Praxissemesterstudenten an Bord, fünf Nautische und Technische Offiziersanwärter, sechs Schiffsmechaniker-Azubis und 15 Patentausfahrer in Maschine und Brücke: So sieht die Ausbildungsbilanz der zurückliegenden fünf Jahre bei Auerbach aus. Was als „helfende Hände“ beim Aufbau einer neuen Reederei begann, ist heute fester Bestandteil beim täglichen Betrieb der Schiffe. Und auch das Büro an der Hamburger Esplanade erfährt tatkräftige studentische Unterstützung. Insbesondere aus den Studiengängen Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft der Jade Hochschule Elsfleth sowie Reedereilogistik der Hochschule Emden/Leer unterstützen motivierte Praxissemesterstudenten das Team für jeweils sechs Monate.
Schwerpunkte der Ausbildung werden vor allem in den Bereichen Finanzen & Controlling sowie in der nautisch/technischen Bereederung der mittlerweile sechs Mehrzweckfrachter umfassenden Auerbach-Flotte gelegt.
Christoph Dehlau,
Leiter Operations bei Auerbach und hier insbesondere für die Einsatzplanung und Ladungsabwicklung zusammen mit Enercon für das „E-Ship 1“ verantwortlich, ist selbst Absolvent des im Jahr 2006 an der Hochschule Bremen gegründeten Studiengangs Shipping & Chartering. „Ob eine Berufsausbildung zum Schifffahrtskaufmann oder ein auf die Schifffahrt spezialisiertes Studium – eigentlich ist für jeden etwas dabei“, sagt der 33-Jährige. Auch
Jan Rezun,
jüngster Neuzugang im Reederei-Team, hat seine Hochschulausbildung in Bremen absolviert. Er hat sich für den Beruf des Schiffbauingenieurs entschieden und seine Diplomarbeit bereits über Installationsschiffe für Offshore-Windenergieanlagen geschrieben. Heute leitet er die Bauaufsicht für die bei Jiangzhou Union in China in Auftrag gegebenen Auerbach-Neubauten. „Wir wollten einfach unseren Mann direkt vor Ort haben. Jemanden, der mit unserem blauen Auerbach-Overall und dem weißen Ahorn-Blatt auf dem Rücken tagtäglich die Baufortschritte dokumentiert“, erklärt Rezun, der für die kommenden zwei Jahre auf der chinesischen Werft zu Hause sein wird.
Rafal Mirski,
jahrelang Chief Engineer auf Schwergutschiffen und heute Fleet Manager bei Auerbach, ist mit seinen 37 Jahren der Älteste der aktuell neunköpfigen Büromannschaft. Mit fast 20 Jahren Schifffahrtserfahrung an Bord und im Büro namhafter Reedereien hat er sich zuletzt berufsbegleitend mit einem Masterstudium an der englischen Mid dlesex University weiterqualifiziert. „Ich wollte nicht nur wissen, wie das Schiff als geschlossene technische Einheit funktioniert. Für mich gehört betriebswirtschaftliches Know-how genauso dazu, um unsere Bereederungsabteilung auch in finanzieller Hinsicht effektiv leiten zu können“, unterstreicht Mirski.
Ebenso zählen mittlerweile über 30 deutsche Seeleute zum See-Team der jungen Reederei. Dabei setzt Auerbach besonders auf eigene Offiziere. „Unsere Kapitäne sind ja sozusagen unsere Filialleiter auf See. Da ist uns eine persönliche Beziehung, gegenseitiges Vertrauen und ein enger Austausch sehr wichtig“ erklärt
An drea Zeiske,
die bei Auerbach das Crewing verantwortet. Alle Kapitäne der drei unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe haben ihren nautischen Abschluss auf einer der heute sechs deutschen Seefahrtschulen gemacht. Aber natürlich soll auch die Ausbildung künftiger Kapitäne und Ingenieure, die im weiteren Verlauf ihrer Karriere auch Positionen an Land übernehmen sollen, nicht zu kurz kommen. „Unser Ziel ist es hier, eigenen Nachwuchs aufzubauen, der nicht nur ein hohes Maß an Identifikation mit dem Unternehmen auf die Schiffe bringt, sondern bei weiterem Wachstum unserer Reederei auch fester Bestandteil des Büroteams werden wird“, erklärt Zeiske.
Bei den sogenannten „SMEC-Azubis“ hat sich die Hamburger Reederei für die Zusammenarbeit mit der Seemannsschule in Travemünde entschieden. Und so gehen alle Auerbach-Schiffsmechaniker-Auszubildenden gemeinsam zur Berufsschule nach Travemünde und teilen sich in den schuleigenen Unterkünften während der Schulblöcke die Zimmer, um sich auch außerhalb des Lebens auf den Schwergutschiffen besser kennenzulernen und Teamfähigkeit zu entwickeln.
Besonders hervorzuheben ist im Rahmen der Ausbildung des deutschen Seefahrer-Nachwuchses die Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Reeder (VDR). Gefördert über die Maßnahmen der Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland sind inzwischen 15 sogenannte „Patentausfahrer“, also frische Hochschulabsolventen der Ingenieur- und Nautikberufe, bei der Reederei mit dem Ahornblatt gefahren. Eingesetzt auf Brücke und Maschine der unter deutscher Flagge fahrenden Mehrzweckschiffe „Maple Lea“, „Maple Lotta“ sowie auf dem Segelrotorschiff „E-Ship 1“, verrichten die jungen Seeleute nicht einfach nur ihren Dienst an Bord. Der Mehrwert ist sowohl in ihrer hohen Motivation als auch in ihrer überdurchschnittlich guten Qualifikation feststellbar.
Marcus Eichstädt,
27 Jahre alt und absolvierter Nautiker der Jade Hochschule in Elsfleth, ist seit Jahresbeginn als Nautischer Assistent im Büro bei Auerbach tätig. „Nach zwei Kontrakten auf See haben Lucius und Alex mich gefragt, ob ich für die Übernahme von zwei weiteren Schiffen für ein Jahr zu ihnen ins Büro kommen möchte. Für mich als Seemann ist es natürlich spannend, auch mal die Arbeit auf der anderen Seite kennenzulernen“, berichtet Eichstädt. Im Februar 2016 geht er dann wieder zurück an Bord, um sein Nautik-Patent auf dem „E-Ship 1“ weiter auszufahren.
„Natürlich wollen wir gut qualifizierte und motivierte junge Menschen für unser Unternehmen gewinnen, um gemeinsam mit uns etwas Neues aufzubauen“, betonen Bunk und Tebbe. Und so sind die Reedereigründer regelmäßig an den verschieden deutschen Berufs- und Seefahrtschulen zu Vorträgen unterwegs. Genauso wichtig ist es ihnen, ganz allgemein talentierte, junge Menschen aus gänzlich anderem Umfeld für die Schifffahrtsbranche zu begeistern. So waren sie zuletzt sowohl an der European Business School in Oestrich-Winkel als auch an der renommierten Gründerschmiede der Hochschule in St. Gallen zu Gast.
„Schifffahrt ist einfach faszinierend. Ob an Land oder auf See, ob mit Finanzen oder mit Maschinen, ob als BWLer oder als Ingenieur. Und um das rüberzubringen, muss man auch mal weiter weg von der Küste unterwegs sein“, sagen die beiden Unternehmer.